
Die EU droht zum Museum zu werden – sie sollte sich die Schweiz zum Vorbild nehmen
Die EU ist wirtschaftlich und militärisch schwach. Sie braucht dringend mehr Dezentralisierung und Wettbewerb.
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Europas grösster Schwachpunkt ist seine Unfähigkeit zur Selbstverteidigung – eine unverzichtbare Voraussetzung für alles andere. Schliesslich müssen wir erst unser Überleben sicherstellen, bevor wir wirtschaftlich gedeihen können. Doch Europas Verwundbarkeit zeigt sich auch in der Wirtschaft. Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte fehlen Europa (einschliesslich der Schweiz) wichtige Konzerne in weiten Teilen der digitalen Wertschöpfungskette. Die amerikanischen und chinesischen Tech-Unternehmen machen derzeit das Rennen unter sich aus.
Fehlender technologischer Anschluss und wirtschaftliche Rückständigkeit sind das eine. Aber auch die nationale Sicherheit ist untrennbar mit wirtschaftlicher und technologischer Innovation verbunden. Statt Technologien für künftiges Wachstum, Gewinne und Forschung zu entwickeln, beschränkt sich der europäische Kontinent darauf, ausländische Exporte zu konsumieren und äussere Bedrohungen zu regulieren.
Die Verteidigung ist eine grosse Herausforderung. Die EU-Mitgliedstaaten sollten sich zu Verteidigungsausgaben von mindestens 2 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung verpflichten. Zudem sollten sie strategische Partnerschaften mit technologisch fortschrittlichen Verbündeten wie Israel eingehen, um Zugang zu wichtigen Verteidigungstechnologien zu erhalten, die Europa derzeit nicht selbst bereitstellen kann.
Interner Wettbewerb
Ich plädiere dafür, die Europäische Union nach Schweizer Vorbild neu auszurichten – mit einigen wichtigen Anpassungen. Der Erfolg der Schweiz stützt sich auf ihre dezentrale Verwaltung, die Unternehmertum und Innovation von unten nach oben fördert. Das System begünstigt einen internen Wettbewerb zwischen den Kantonen um niedrigere Steuern und bessere Infrastruktur.
Dieses dezentrale Modell ermöglicht es Kapital und Talenten, dorthin zu fliessen, wo sie am besten eingesetzt werden können, und schafft dadurch eine natürliche wirtschaftliche Vielfalt. Eine solche Diversifizierung schützt föderale Systeme vor synchronisierten Krisenzyklen. Wirtschaftliche Schocks treffen verschiedene Sektoren und Regionen unterschiedlich stark, sodass stärkere Bereiche die Erholung der schwächeren unterstützen können. Schwächeln die Uhrenindustrie oder der Tourismus, gleichen die Pharmabranche und der Rohstoffhandel diese Schwankungen aus.
«Dieses dezentrale Modell ermöglicht es Kapital und Talenten, dorthin zu fliessen, wo sie am besten eingesetzt werden können, und schafft
dadurch eine natürliche wirtschaftliche Vielfalt.»
Der Kontinent braucht einen umfassenden «Fitnesswettbewerb», um die eigene wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Dies erfordert den Abbau übermässiger Staatsschulden und die Reduktion staatlicher Markteingriffe, die private Unternehmen verdrängen. Ein punktebasiertes, einheitliches Einwanderungssystem könnte helfen, qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen, welche die durch den demografischen Wandel entstehenden Arbeitsplatzlücken füllen. Dabei wäre sichergestellt, dass Neuankömmlinge einen positiven Beitrag zu den Aufnahmegesellschaften leisten.
Die Alternative zu einer tieferen Integration ist ein fortschreitender relativer Niedergang. Ohne Einheit droht Europa zu einem Museum statt zu einem Labor für zukünftige Innovationen zu werden. Der Kontinent, der die Aufklärung, die industrielle Revolution und den modernen demokratischen Staat hervorgebracht hat, steht vor seiner möglicherweise grössten Prüfung: Kann er sich neu erfinden, um in einer Welt zu gedeihen, in der Grösse, technologische Fähigkeiten und strategische Autonomie nicht nur über Wohlstand entscheiden, sondern auch über das Überleben selbst?
Das Schweizer Modell der Dezentralisierung, Diversifizierung und schlanker Zentralregierung ist ein Vorbild. Europa sollte es studieren und nachahmen, wenn es seinen Platz in der Weltordnung von morgen sichern will.