
Bares soll Wahres bleiben
Münzen und Noten werden weniger genutzt, dabei hat Bargeld gegenüber elektronischen Zahlungsmitteln gewichtige Vorteile. Der Bundesrat hat die Thematik kürzlich zur Chefsache erklärt.
Bargeld polarisiert. Für die einen ist es angesichts der digitalen Möglichkeiten ein anachronistisches Zahlungsmittel, das unhygienisch ist und zwielichtigen bis kriminellen Geschäften Vorschub leistet. Sie haben nichts dagegen einzuwenden, wenn die Bancomatendichte hierzulande abnimmt, die Lenker des öffentlichen Verkehrs eine Zukunft ohne Bargeld planen und Geschäfte wie die hippe Restaurantkette kaisin immer häufiger gar kein Bargeld mehr akzeptieren. Dass im Alltag vermehrt mit «unbaren» Mitteln wie Debitkarten und Twint bezahlt wird, wie repräsentative Umfragen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) belegen und auch das eigene Einkaufserlebnis zeigt, ist für sie nichts als folgerichtig.
Für die anderen ist Bargeld hingegen Ausdruck persönlicher Freiheit und ein Mittel zur Bewahrung der finanziellen Privatsphäre gegenüber dem Staat, aber auch gegenüber Technologiekonzernen. Manche mutmassen gar, es gebe einen perfiden Plan, die Bürger stufenweise vom Bargeld zu entwöhnen, um es letztlich ganz abzuschaffen. Sie begrüssen die Volksinitiative «Bargeld ist Freiheit», die den Bund unter anderem verpflichten will, sicherzustellen, dass «Münzen und Banknoten immer in genügender Menge zur Verfügung stehen».1 Dieses Lager verfolgt auch die Projekte für digitales Zentralbankengeld mit Argusaugen. Es misstraut den Beteuerungen der Europäischen Zentralbank (EZB), wonach der geplante «digitale Euro» Bargeld bloss ergänzen und nicht ersetzen soll.
Annahmezwang oder Vertragsfreiheit?
Wer sich mit Bargeld fundiert auseinandersetzen will, dem sei ein Bericht des Bundesrats2 vom Dezember 2022 zur Lektüre empfohlen. Dort werden die Faktoren erläutert, welche die Intensität des Gebrauchs von Bargeld in einer Gesellschaft beeinflussen. Einer ist der Zugang zu Bargeld. Andere sind die Zahlungspräferenzen der Bevölkerung und die Akzeptanz von Bargeld durch die Geschäfte. Letztere steht im Zentrum des Berichts, der sich der Frage widmet, ob die «geltende Bargeldannahmepflicht von dispositivem in zwingendes Recht» umgewandelt werden soll.
Heute gelten die Münzen des Bundes und die Banknoten der SNB als gesetzliches Zahlungsmittel. Zudem besteht gemäss dem Gesetz über die Währung und die Zahlungsmittel eine Annahmepflicht für Bargeld: «Schweizerische Banknoten müssen von jeder Person unbeschränkt an Zahlung genommen werden.» Allerdings wird diese Vorschrift als dispositives Recht betrachtet. Das heisst: Die Annahmepflicht greift nur, wenn die Vertragsparteien kein anderes Zahlungsmittel vereinbart haben. Diese «Vereinbarung» kann ziemlich einseitig sein, genügt doch bereits «ein gut sichtbarer Hinweis beim Geschäftseingang mit dem Vermerk ‹nur bargeldlose Zahlungen›», um die gesetzliche Annahmepflicht zu übersteuern. Der Bundesrat begründet nicht weiter, weshalb die Annahmepflicht heute nur dispositiv sein soll, und verweist im Bericht dafür bloss schmallippig auf einen Gesetzeskommentar. Der Wortlaut des Gesetzes selber liesse aber durchaus striktere Interpretationen zu, insbesondere aufgrund des Begriffs Annahmepflicht.
Aus liberaler Perspektive ist die Ausgestaltung der Annahmepflicht eine Knacknuss. Solange wir uns in einem System mit staatlichem Geldmonopol bewegen, ist einerseits Bargeld anderen Zahlungsmitteln vorzuziehen. Es schützt die Privatsphäre. Zudem schränkt die Option Bargeld den im Fiatgeldsystem enormen Spielraum der Geldpolitik ein. Dass die Leitzinsen in den letzten Jahren in der Schweiz und anderswo nicht noch tiefer im Minusbereich lagen, ist massgeblich der Möglichkeit, Geld in bar statt auf dem Bankkonto zu halten, zu verdanken. Damit setzt Bargeld als Wertaufbewahrungsmittel der Macht der Zentralbank Grenzen. Auch der Bundesrat konzediert, dass es neben dem individuellen Nutzen «wichtige gesamtwirtschaftliche bzw. gesellschaftliche Funktionen erfüllt»: Als allgemein verfügbares Zentralbankgeld festige es das Vertrauen ins ganze Geldsystem, zeichne sich durch eine hohe Krisenresilienz aus, weil es ohne elektronische Systeme funktioniere, und trage zur «finanziellen Inklusion» bei, indem alle am Wirtschafts- und Sozialleben teilnehmen könnten. Selbst der Bundesrat stellt nicht in Abrede, dass eine zwingende Annahmepflicht eine «potentiell wirksame Massnahme» wäre, um die Bargeldakzeptanz zu erhöhen.
Andererseits ist für Liberale die Vertragsfreiheit ebenfalls ein fundamentaler Wert. Parteien sollten sich möglichst frei und ohne staatliche Einflussnahme über den Inhalt eines Vertrags einigen dürfen. Dazu gehört, wie eine…

Weiterlesen?
Dieser Artikel ist in Ausgabe 1104 - März 2023 erschienen. Er ist nur registrierten, zahlenden Nutzern zugänglich. Vollen Zugang erhalten Sie über unsere attraktiven Online- und Printangebote.
Abo lösen