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Gedankensplitter

über einige merkwürdige Entwicklungen

1

Etatistischer Mainstream? Der Sieg der Sozialdemokratie

«Warum verliert die SP ständig?» fragt sich Hans-Jürg Fehr, Hauptverfasser des neuen Parteiprogrammentwurfs, in einem Interview mit der softbürgerlichen «Wochenzeitung». Er beantwortet die selbstgestellte Frage auch gleich selbst, doch überzeugen ihn die eigenen Antworten irgendwie nicht. Wir hätten da eine Idee, Herr Fehr. Die SP hat nicht gemerkt, dass sie bereits alles erreicht hat. Sie ist – im Sinne von Gramscis Konzept der «kulturellen Hegemonie» – die mit Abstand erfolgreichste Partei der letzten Jahrzehnte. Der Etatismus, den sie vertritt, ist zum politischen Mainstream auch der Bürgerlichen geworden. Wir leben in der sozialdemokratischsten aller bisher möglichen Welten. Die SP verliert ständig, weil sie bereits gewonnen hat.

2

Sozialstaat am Ende? Die neuen Realisten

Nachtrag zur letzten Volksabstimmung. Das Schweizervolk hat die Senkung des Umwandlungssatzes der angesparten Pensionskassengelder von 6,8 auf 6,4 Prozent klar abgelehnt. Was folgern wir daraus? Die Bezüger wollen keine Leistungskürzungen oder, im etatistischen Jargon, sie wollen keinen «Sozialabbau». Die Etatisten geben also – auch hier – den Ton an. So könnte man denken. Aber vielleicht ist es genau umgekehrt. Vielleicht waren die Nein-Stimmer die Avantgarde der neuen Realisten. Sie wissen, dass der real existierende Sozialstaat den Zenit überschritten hat. Also nehmen sie, was sie können. Das ist zwar zynisch (und nicht eben solidarisch). Aber es ist realistisch.

3

Unternehmergeist? Staatsunternehmer!

Es gibt Zeiten, da assoziiert man mit «Unternehmergeist» risikofreudige Leute, die von einer Idee und deren Umsetzung besessen sind. Sie liefern sich dem Diktat des Konsumenten freiwillig aus: er kauft, oder er kauft nicht. Läuft das Geschäft, legt der Unternehmer Geld auf die Seite; läuft es nicht, nimmt er vom Ersparten und investiert es. So verläuft’s in Pionierzeiten. Solche sind in Europa vorbei. Gerät eine Fluggesellschaft wegen etwas Vulkanstaub ein wenig in Turbulenzen, bittet sie den Staat (notfalls auch den Superstaat EU) um Hilfe. Und sie bekommt Hilfe. Denn keine Schuld trifft sie. Zwar trifft auch den Staat oder die EU keine Schuld. Doch der Staat will um jeden – jeden – Preis Arbeitsplätze erhalten. Der zeitgenössische Korporatismus ist geboren.

4

Schöner EU-Traum? Böses Erwachen

Die europäische Währungsunion begann mit einer Illusion: einer Währung für gänzlich verschiedene Volkswirtschaften und Staaten. Es war die Fortsetzung eines politischen Traums mit dem wirtschaftlichen Zwangsmittel einer superstaatlichen Einheitswährung. Die 1992 eingeführten Maastrichter Stabilitätskriterien taugten damals sowenig wie heute. Nun droht Griechenland der Bankrott – aber schon ist klar, dass die EU «solidarisch» einspringt. In der Warteschleife drehen Italien, Portugal und Spanien und werden Gleichbehandlung fordern. Die Starken finanzieren die Schwachen, die Schwachen werden schwächer und die Starken irgendwann auch. Der Historiker Niall Ferguson, eigentlich ein EU-Freund, spricht aus, was andere verschweigen: «Heute liegt der Euro auf dem Sterbebett.» Das kommt heraus, wenn man harmonisiert, was sich nicht harmonisieren lässt

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