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Für eine andere Kulturpolitik

Stiftungen als sinnvolle Vermittler

Der Direktor eines Zürcher Kulturinstituts hat kürzlich darauf hingewiesen, wie erfreulich stark in der Schweiz, im Unterschied etwa zu Deutschland, kulturelle Aktivitäten von Privaten mitgetragen werden. Deren Engagement aufrechtzuerhalten sei jedoch nur möglich, wenn die öffentliche Hand in der Finanzierung der Kultur Mass halte. Diese Äusserung mag überraschen in einer Zeit, da auch in der Kulturpolitik ohne Unterlass an den Staat appelliert, bei unausweichlichen Diskussionen über begrenzte öffentliche Haushalte die künstlerische Freiheit für bedroht erklärt und privaten Trägern bloss kommerzielles und PR-Interesse unterstellt wird. Kultur lebt nicht nur von den Schaffenden, sondern auch von den Nutzenden, sonst verfehlt sie ihren Sinn. Sie ist ein Geben und Nehmen, und die Interaktion mit all ihren Spannungen und gelegentlichen Konflikten gehört zu ihrem Wesen.

Vor diesem Hintergrund lassen sich erregte öffentliche Auseinandersetzungen, wie jene über die Hirschhorn-Ausstellung in Paris oder einzelne Theaterproduktionen, gelassener ertragen. Provokationen gehören zum Kulturbetrieb, auch wenn sie oft weniger einem künstlerischen Impetus als dem Ringen um Aufmerksamkeit im wachsenden Konkurrenzumfeld entspringen. Dass dabei künstlerischen Provokationen meist kurzschlüssig auch politische Bedeutung zugedacht wird, rächt sich in der Regel dann, wenn die Politik ebenfalls ausserhalb ihres Kompetenzfeldes zurückschlägt. Auch wenn alle Lebensäusserungen sowohl eine politische wie eine kulturelle Dimension haben, so sind doch gerade die professionellen Gestaltungsweisen und Mechanismen der beiden Bereiche nicht kompatibel. Die Politik sitzt allerdings am längeren Hebel, gebietet sie doch über das Engagement der Gemeinwesen, vor allem über die Budgets. Es gehört auch zu den angenehmeren Aufgaben von Behördenvertretern, an kulturellen Veranstaltungen in der Rolle des grosszügigen Mäzens zu posieren. Es fehlt ihnen vor dem geneigten Publikum der Interessierten nicht an schönen Worten, um die Freiheit und Autonomie des künstlerischen Wirkens zu preisen und die Förderungstätigkeit der öffentlichen Hände als Manifestation eines toleranten Kulturverständnisses darzustellen. Gegenüber den Steuern zahlenden Bürgern und ihren Vertretern in den Parlamenten wird prosaischer mit einer weitgefassten Standortförderungspolitik argumentiert, aber das latente Misstrauen mündet dann in Fragen nach Konzepten und Kriterien der Förderungstätigkeit.

Und genau hier beginnt es ungemütlich und widersprüchlich zu werden in der sogenannten Kulturpolitik. Dass die Unterstützung eines qualitativ hochwertigen – und das heisst professionellen – Kulturschaffens zur Befriedigung anspruchsvoller Publikumsbedürfnisse ebenso wie die Förderung der kulturellen Aktivitäten der Bürgerschaft selbst zu den Aufgaben der Gemeinwesen gehört, ist grundsätzlich unbestritten, und je subsidiärer, also näher bei der zahlenden und profitierenden Bürgerschaft diese angesiedelt sind, desto besser werden sie akzeptiert. Dennoch stellt sich schon auf der Ebene der Gemeinden und noch mehr auf jenen der Kantone und des Bundes die Frage, wie sich die Kulturförderung nach politischen Gesichtspunkten und Vorgaben organisieren lässt, konkret, wer denn den Kurs bestimmen soll – Parlamente, Regierungen, Verwaltungen oder speziell dafür eingesetzte Gremien. Mit wohlklingenden Grundsätzen in Verfassungen, Gesetzen oder Leitbildern lässt sich die Problematik der politischen Kultursteuerung erfahrungsgemäss nicht lösen. Wenn Politiker und Funktionäre selbst ans Werk gehen, läuft es denn auch fast zwangsläufig auf eine möglichst breite, vielfältige Verteilung heraus, um dem Vorwurf politischer Einflussnahme zu entgehen. Der ohnehin verbreiteten Anspruchshaltung gegenüber dem «Staat» wird damit Vorschub geleistet, und das eingangs postulierte Masshalten zugunsten privater Initiative wird tendenziell ausgehöhlt.

Um dem Dilemma auszuweichen, sollte die Politik die Verantwortung für die Kulturförderung nach Möglichkeit an intermediäre Organe delegieren, in welchen am Kulturleben Beteiligte und private Träger massgeblich mitwirken und die öffentliche Hand sich auf die unerlässlichen Kontrollfunktionen beschränkt. Der Bund hat seinerzeit mit der Stiftung Pro Helvetia klugerweise eine solche Institution geschaffen, die, wie die kabarettreifen Budgetdebatten jüngst bewiesen, freilich vor Übergriffen nicht gefeit ist. Daneben sind in der Bundesverwaltung jedoch weitere kulturpolitische Bereiche entstanden, deren Zusammenspiel dringend einer besseren Koordination, wenn nicht einer eigentlichen Flurbereinigung bedarf. Zu prüfen wäre auf allen Stufen des Gemeinwesens, ob die Kulturpolitik nicht konsequent Stiftungen anvertraut werden sollte, die für eine sinnvolle public private partnership stabile rechtliche Rahmenbedingungen und die nötige Distanz zur Tagespolitik gewährleisten könnten.

Ulrich Pfister, geboren 1941, ist Publizist in Zürich.

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