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Warum der «Zwang zum Guten» versagt

Kulturelle und soziale Aktivitäten werden heute oft voreilig als Staatsaufgaben definiert und generieren damit auch Staatsausgaben. Der Staat, Inhaber des Zwangsmonopols, finanziert sich aber zur Hauptsache durch Steuern, das heisst durch Zwangsabgaben. Damit wird der Bereich der Kultur und des Sozialen im Umfeld des Zwangs angesiedelt. Dies bleibt nicht ohne mittel- und langfristige Folgen für […]

Kulturelle und soziale Aktivitäten werden heute oft voreilig als Staatsaufgaben definiert und generieren damit auch Staatsausgaben. Der Staat, Inhaber des Zwangsmonopols, finanziert sich aber zur Hauptsache durch Steuern, das heisst durch Zwangsabgaben. Damit wird der Bereich der Kultur und des Sozialen im Umfeld des Zwangs angesiedelt. Dies bleibt nicht ohne mittel- und langfristige Folgen für die private Bereitschaft zur Generosität. Wenn nämlich die Kultur und das Soziale von den Quellen der Spontaneität, der privaten Initiative und der Freiwilligkeit abgeschnitten werden, verlieren sie den direkten Zusammenhang mit der Zivilgesellschaft und verkümmern zu einer bürokratischen Dienstleistung oder zu einem Mittel der politischen Beeinflussung. Die ursprünglich gutgemeinte Unterstützung und Förderung kultureller und sozialer Aktivitäten durch staatliche Zwangsmittel führt dann schrittweise zum Versiegen der für beide Bereiche überlebenswichtigen privaten Zuwendungen und Stiftungen.

1. Die Auffassung, es stünden einander auf der Welt zwei Gruppen von Menschen gegenüber, die Sozialen und die Asozialen, die Sympathiebegabten und die Aggressiven, die kulturell Interessierten und die Banausen, die Altruisten und die Egoisten, oder, noch mehr vereinfacht, die Guten und die Bösen, entspricht nicht der Wirklichkeit.

2. Die Ungleichheit der Menschen erstreckt sich auch auf deren kulturelle Interessen und auf das Sozialverhalten; bei den einen Menschen überwiegen insgesamt aggressive und bei den anderen eher adaptive Tendenzen.

3. Die meisten Menschen sind in ihrem Sozialverhalten nicht konstant. Sie sind mal egoistisch, mal altruistisch, mal gut, mal böse, und dies in einer komplexen, schwer berechenbaren Kombination und Abfolge.

4. Aus ethischer und politischer Sicht ist es wünschenswert, dass einerseits die Gruppe der vorwiegend und generell Sozialen vergrössert und die Gruppe der Asozialen verkleinert wird. Anderseits sollte im jeweiligen Mischungsverhältnis und in der Abfolge der Verhaltensweisen bei und in jedem Menschen das Soziale gefördert und das Asoziale zurückgebunden werden. Dafür gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Verfahren: den kollektiven Zwang und ein individuelles System von An- und Abreizen.

5. Mit Zwang kann zwar das äussere Verhalten der Menschen mindestens vorübergehend sozialverträglicher gemacht werden. Die Gruppe der Asozialen verkleinert sich in jenem Bereich, in dem das Asoziale sanktioniert wird. Diese Art von «Menschenverbesserung» ist aber ein Prozess, der mehr auf dem äusseren Schein beruht, als auf einem inneren Wandel, denn der Zwang eignet sich nicht als Mittel zur charakterlichen Verbesserung von Menschen.

6. Was sich aber unter allgemeinverbindlichem Zwang leider tatsächlich wandelt, ist das Verhalten der überdurchschnittlich Sozialen. Es wird durch den Zwang demotiviert und auch innerlich abgebaut. Die Gruppe der besonders Sozialen wird in einem Zwangssystem nicht nur dem äusseren Schein nach, sondern tatsächlich kleiner.

7. Derselbe Prozess spielt sich nicht nur zwischen den beiden Gruppen ab, sondern zwischen den inneren Anteilen an sozialen und asozialen Strebungen der Individuen. Die Meinung, man könne hier durch äusseren Zwang eine dauerhafte Verbesserung des Mischungsverhältnisses erreichen, ist illusorisch. Auch hier nützt man auf der einen Seite kaum etwas, schadet aber auf der andern Seite massiv und nachhaltig.

8. Etatistischer Sozialismus macht durch allgemeinverbindliche Vorschriften und durch fördernde und diskriminierende Interventionen überwiegend schlechte Menschen nicht dauerhaft besser, dafür aber überwiegend gute Menschen dauerhaft schlechter.

9. Dasselbe gilt nicht nur bei Menschengruppen, sondern bezüglich des Anteils an Sozialem und Asozialem, das in jedem Individuum als komplexes Gemenge vorhanden ist.

1 . Der grosse Schweizer und Pädagoge Pestalozzi hat zu Recht bemerkt, dass man einen Menschen nur durch den Rest des Guten, das in ihm steckt, besser machen könne. Um dies zu er— reichen, muss man ihn lieben, und jeder allgemeinverbindliche Zwang steht im Widerspruch zum Prinzip der Liebe. Ein liebevoll pfleglicher Umgang mit dem Asozialen in uns selbst (in der Jungschen Psychologie «Integration des Schattens» genannt), ist auch erfolgreicher als der sogenannte Kampf gegen den «inneren Schweinhund», wie man den Selbstzwang zum Guten auch schon genannt hat.

11. Der etatistische Sozialismus ist bei der Sozialisierung von Menschen erfolglos weil er an den Neid appelliert und allgemeinverbindlichen Zwang und fiskalische Umverteilung auch gegen den Willen der Besteuerten praktiziert. Er ist lieblos und macht den Menschen liebloser, und zwar sowohl gegenüber den andern als auch gegenüber sich selbst.

12. Die subtile Verbindung der Nächstenliebe mit der Selbstliebe ist bei der Sozialisierung von Menschen erfolgreicher als Zwang und Gleichmacherei. Liebe und Sympathie gedeihen in einer auf Vielfalt, Eigenständigkeit, Subsidiarität, Tausch und freiwilliger Vereinbarung und Zuwendung basierten Gesellschaft besser als in einer bürokratisch verwalteten Besserungsanstalt.

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