Die Scheinsicherheit der
zentralen Instanz
Staaten und internationale Organisationen versuchen, alles unter Kontrolle zu behalten. Je stärker sie herrschen, desto unsicherer wird die Welt.
Selbsterhaltung liegt in der Natur des Menschlichen. Und Selbsterhaltung ist auch stets das erste Ziel aller Politik. Denn «der Staat» ist nicht ein handelndes Wesen, das zu einer Willensäusserung fähig wäre, sondern nur eine politische Ordnung, in der sich Menschen in zwei Gruppen teilen. Die eine Gruppe kann sich die Mittel für ihre Unternehmungen durch Zwang beschaffen – die andere muss Steuern bezahlen. Das ist nicht wertend gemeint, sondern erst einmal eine Feststellung. Wer hauptberuflich am Ruder oder in dessen Nähe sitzt und über Macht und fast grenzenlose Mittel verfügt, will dort verbleiben. Das gilt für Politiker, für ihre Verwaltungen und auch für all jene aus Wirtschaft und Gesellschaft, die von ihrer Politik profitieren.
Seit es Herrschaft gibt, gibt es deshalb auch den Versuch, Herrschaftsverhältnisse auszubauen, zu festigen und zu zementieren. Aktuell kommt etwas hinzu, das diese Bemühungen erleichtert. Die Rede ist von sogenannt globalen Krisen, die nach zentralen und globalen Lösungen verlangten, wie es heisst. Das Gebot der Stunde ist Global Governance unter der Regie von Regierungen im Modus von Public-Private-Partnerships mit Grosskonzernen, wie sie beispielsweise Papst Franziskus im April 2021 in seiner Botschaft an die Weltbank und den IMF forderte oder Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums, immer wieder betont. Damit stilisieren sich gewählte und nichtgewählte politische Unternehmer zu Erlöserfiguren, deren «Dienst am Volk» zumindest verbal als eine Art Hochamt der Alternativlosigkeit verkauft wird. In der Heckwelle des perpetuierten Notstands nimmt die Schlagkraft der Demokratie ab und entpuppt sich nach und nach als Organisationsform einer neuen Oligarchie.
Innerhalb der Leitplanken
Von der Wiege bis zur Bahre werden Leben und Wirken des einzelnen heute registriert, reguliert und verwaltet. Was einer wie und wo zu lernen hat, unter welchen Voraussetzungen er arbeitet, was er bei wem versichert und in welcher Form konsumiert, welche Werbung er sieht und was er öffentlich sagen darf – all das hat heute innerhalb der Leitplanken des staatlich Vorgegebenen stattzufinden. Wer hier einwendet, die Ordnung, auf der wir als Gesellschaft basierten, sei aber doch immerhin noch eine marktwirtschaftliche beziehungsweise kapitalistische, der erliegt zumindest teilweise einer Illusion.
Der einzelne Marktteilnehmer – ob Produzent, Anbieter oder Kunde – ist zwar rechtlich der Eigentümer dessen, was er zu Markte trägt. Der Besitzer dieser Dinge ist aber de facto der, der sie kontrolliert. Der kann bestimmen, was, wo, wie, zu welchem Preis und in welcher Form beschafft, produziert und vermarktet werden darf. Und das ist heute in sehr vielen Bereichen der Staat. Was wir haben, ist also bestenfalls eine Restmarktwirtschaft mit freiheitlichen Nischen, auf welche vor allem kleinere Unternehmen angewiesen sind, während die Grossen sich entweder mit den Regulierern via «Expertenrunden», «Round Tables» oder andere Lobbyformen das Bett teilen oder aber die Finanzkraft haben, den Aufwand für den staatlichen Verwaltungszwang zu stemmen. Nicht umsonst empfiehlt wohl der Internationale Währungsfonds IWF in seinem Arbeits- und Ratgeberpapier zur Abschaffung des Bargelds, dass die kleinen Unternehmen besonders gründlich zu kontrollieren seien, da gerade ihre Kleinheit und Beweglichkeit es erlaubten, unter dem Radar des Allbehördlichen zu fliegen.1
«Wer hauptberuflich am Ruder
oder in dessen Nähe sitzt und
über Macht und fast grenzenlose Mittel verfügt,
will dort verbleiben.»
Sogenannt globale Krisen und dazu passende globale Lösungen erlauben es Politikern, vom Hier und Jetzt des Konkreten, Lokalen und Überprüfbaren ins Dort und Dann des Grossen, der Zukunft, des Übergegenwärtigen und des Universellen zu flüchten. Es gibt kaum etwas Praktischeres, um einem tatsächlichen Problem mit Verweis auf das Schicksal des Planeten oder der Menschheit auszuweichen. Dort im hellseherisch Vagen von modellierten Szenarien reicht ein Pathos der Menschenliebe à la DDR-Staatssicherheitschef Erich Mielke («Ich liebe doch alle! Alle Menschen!») als Begründung völlig aus. Das Vorhandensein oder die Abwesenheit von Können und Kompetenz jener, welche Notmassnahmen beschliessen und vorantreiben, wird, wenn überhaupt, erst in Jahren oder Jahrzehnten spür- und sichtbar.
Das bietet Politikern und Beamten jeder Ebene die Möglichkeit, auf die Anordnungen der nächsthöheren Instanz zu deuten und ansonsten die Hände in Unschuld zu waschen. Je grösser die Krise, umso natürlicher erscheint die Abgabe der Verantwortung «zum Wohl aller und des grossen Ganzen». Souveränitätsabgabe wird so als Selbstaufopferung inszeniert: Hart, aber alternativlos. Oder: «Uns tut es weher als euch», wie John Le Carré es einmal so trefflich gallig formulierte. Nach Verantwortung fragt da keiner mehr. Nach Haftung erst recht nicht. Auch Diskussionen über Kosten sind damit im gleichen Aufwasch im Keim erstickt. Die Rettung der Welt sieht nämlich kein Controlling vor, die Frage danach gilt schon fast als Ketzerei. Wer im Angesicht menschheitsbedrohender Katastrophen nach Franken und Rappen fragt, ist bestenfalls ein Egoist, eher aber ein Menschenhasser.
Totale Instabilität
Bleibt die Frage nach dem Mehr an Sicherheit, das man sich vom Mehr an Zentralismus auf nationaler und internationaler Ebene verspricht. Gibt es das? Und wenn ja, für wen? Für all diejenigen, die direkt oder indirekt für die Behörden oder mit den Behörden arbeiten, kann diese Frage bejaht werden: Mehr Zentralisierung bedeutet in ihrem Fall immer, einen Blitzableiter in Sachen Verantwortung an die Hand zu bekommen. Das Personal auf Gemeindeebene kann auf den Kanton verweisen, dieser auf den Bund und alle zusammen auf die EU, die UNO oder «die Menschheit». Für sie und ihre Verweildauer im Amt oder an den Steuertöpfen und Staatströgen bedeutet es also durchaus mehr Sicherheit. Aber was ist mit der Gesellschaft, die auch sicherer werde, wie es immer heisst?
Eine Gesellschaft ist wie ein Staat ein geistiges Konzept und keine handelnde Wesenheit. Sie besteht aus vielen einzelnen und ist immer nur so sicher oder frei, wie der einzelne sicher und frei ist. Die Frage muss also lauten: Schafft die Entwicklung hin zu zentralen und globalen Institutionen für den einzelnen mehr Sicherheit?
Die Antwort lautet: Nein. Während sogenannte Krisen und ihre Bewältigung das Staatliche zunehmend total machen und die Zementierung der Macht und damit die Sicherheit der politischen Unternehmer einen noch nie dagewesenen Grad erreichen, findet in der Wirklichkeit von Umwelt und Menschen eine Art unbemerkte Gegenbewegung in Richtung totaler Instabilität und damit Unsicherheit statt. Die Abgabe der Verantwortung für das Management zukünftiger Pandemien in die Hände der WHO würde nicht nur ihre Abgabe an eine Organisation bedeuten, die zu 80 Prozent von Grosskonzernen und ihren Stiftungen finanziert wird und im Grunde der Interessenverband eines elitären Zirkels ist, der nur sich selbst verpflichtet und niemandem Rechenschaft schuldig ist. Es würde auch heissen, dass jedwede Entscheidung maximal fern von der Lebenswirklichkeit des einzelnen getroffen wird. Mehr Unsicherheit für ihn geht also kaum. Seine persönliche Situation, seine Gesundheit, seine Sicherheit und sein Schutz vor ungeeigneten medizinischen Indikationen können zu keinem Zeitpunkt mehr eine Rolle spielen.
Die Sicherung des Steuerregimes und des Finanzsystems durch ein globales Kartell von Zentralbanken und Behörden bedeutet für die Finanzen des einzelnen permanente Unsicherheit – durch totale Kontrolle, jederzeit möglichen Zugriff und Massnahmen wie Negativzinsen, Geldmengenausweitung und in der Folge Kaufkraftverlust. Langfristige Planung und damit Sicherheit werden unmöglich. Auch die globale und ganzheitliche Regulierung privater Kryptowährungen, wie sie sich abzeichnet, bedeutet ausschliesslich ein Mehr an Sicherheit und Kontrolle für den Staat.
Die globale Organisation von Migrationsströmen und -routen bedeutet zwar für die migrationswilligen Menschen sehr wohl mehr Sicherheit, für den Lebensraum, die Kultur und die Gemeinschaften der Aufnahmeländer aber grosse und langfristige finanzielle und infrastrukturmässige Belastung, Kulturschock, Konfliktpotenzial und damit Destabilisierung, wie die UNO in ihrem Arbeitspapier «Ersatzmigration: Eine Lösung für rückläufige und alternde Bevölkerungen?»2 ausführt.
Die globale Zentralisierung der Massnahmen zur «Rettung» des Weltklimas fern der Wirklichkeit vor Ort führt zu einer krassen Destabilisierung von Landschaften, Ökosystemen und Arten bis hin zu deren Vernichtung und zur schockartigen Störung des Gleichgewichts der wirtschaftlichen Ökosysteme im internationalen Massstab.
«Die Zementierung des Staatlichen
führt direkt ins Unmenschliche.»
Wenn die Nato schliesslich, wie aus internen Quellen verlautbart wird, ermächtigt werden soll, Cyberattacken künftig einem bewaffneten Angriff gleichzusetzen, worauf der Bündnisfall nach Artikel 5 wirksam wird, dann bedeutet das aus Sicht politischer Unternehmer von Nato-Ländern möglicherweise mehr Sicherheit für sich, ganz bestimmt aber nicht für die Bevölkerungen der jeweiligen Nationen. Und auch nicht für die Nationen und ihre Bürger, denen man die Attacke zuschreibt. Gerade vor dem Hintergrund der Russland-Sanktionen werden sich einige Leute gewiss Gedanken machen zur Sicherheit und zum Sinn von Währungsreserven in Dollar und Euro im Ausland, die per Federstrich einfach enteignet werden können.
Am Ende einer solchen Entwicklung steht für die Politik und die Metapolitik der ideale Staat. Für die Bürger ist dies ein totaler Staat – sie sehen sich einer Gruppe von Mächtigen gegenüber und sind deren Ideen, Interessen und Willkür vollständig ausgeliefert. Weniger Sicherheit ist nicht denkbar.
Die letzte Wahl bleibt zum Glück immer persönlich
Aber Unfreiheit, Unsicherheit, die Degradierung des einzelnen zum Objekt der Nützlichkeit beziehungsweise der Schädlichkeit und das Klima von Vorsicht und Misstrauen, das solches immer mit sich bringt, sind nicht das Ende der Geschichte. Ein solch starrer Staat ist ein lebloser Staat. Warum?
Der theoretische Urentwurf der totalen Stabilisierung des Staats geht auf den antiken griechischen Philosophen Platon zurück. Seine Beobachtungen zum Aufstieg und zum Niedergang von Staaten sind präzise und zeitlos gültig. Verfall und Scheitern eines staatlichen Gebildes, die er dem natürlichen Alterungs- und Verfallsprozess eines Körpers gleichsetzte, führte er auf quasinatürliche Veränderungsprozesse zurück. Den einzigen Weg, diesen Ablauf zu durchbrechen und jeglichen Verfall zu stoppen, sah er darin, natürlichem Wandel Einhalt zu gebieten. Ein idealer Staat sei ein zum Stillstand gebrachter Staat, der jede Veränderung innerhalb der Gesellschaft unterbinde, sofern diese das Potenzial habe, auch verändernd in die Sphäre des Politischen hineinzuwirken.
Solchen Wandel unterbinden bedeutet aber nichts anderes, als Leben schlechthin zu unterbinden. Die Zementierung des Staatlichen führt direkt ins Unmenschliche. Leben im Sinn von freiem und spontanem Handeln einzelner und freiwilliger Kooperation ist immer ein Ereignis mit offenem Ausgang. Auf diese Weise – und nur auf diese Weise – entsteht Neues, Fortschritt und damit Zukunftsgestaltung. So verstandenes Leben kann gar nicht anders, als verändernd in die Sphäre des Politischen hineinzuwirken. Es ist vielmehr gerade eines seiner Hauptmerkmale, Verknöcherungen zu verhindern oder zu sprengen. Das bedeutet aber: Wo solches Leben stattfindet, kann das Staatliche zu keiner starren Ewigkeitsveranstaltung werden, sondern muss sich zum Zweck des Selbsterhalts mitverändern.
Die grösste Schwäche zentralistischer Planspiele ist denn auch das beste Gegenmittel gegen die totale Inobhutnahme, Verwaltung und damit Verhinderung des Lebens durch das Politische: die Tatsache, dass Gesellschaft und Staat viele einzelne sind. Dann wird das erdrückend Grosse globaler Krisen und globaler Anstrengungen mit einem Schlag persönlich, die vermeintliche Ohnmacht wird zur konkreten Wirkmacht der kleinsten existierenden Minderheit – des Individuums. Und es wird klar: Egal, ob die politischen Bestrebungen global oder national sind, entscheidend für das Eigene ist der Grad an Eigenverantwortung im eigenen Leben – ist sie radikal, im Sinn von «an die Wurzel gehend», dann ist sie der stärkste Lebens- und Freiheitsgarant und die dickste Schutzschicht gegen jede Art von Übergriffen und Utopien totaler Sicherheit. Denn sie macht klar: Meine Wahlmöglichkeit ist nie auf die Wahl meines Mittagessens beschränkt, sondern ich habe, ausser im Fall willensbrechender Gewalt, jederzeit die Wahl.
Die Wahl, freiwillig solidarisch zu sein, wo politisch und medial Gräben ausgehoben werden. Die Wahl zwischen Legalität und Legitimität. Die Wahl zwischen Gehorsam und Eigenwillen. Die Wahl zwischen Wirklichkeit und politischer Scheinwirklichkeit. Die Wahl zwischen der Illusion «totaler Gesundheit» und eines vollen und freien Lebens mit den Risiken Krankheit und Tod. Sogar im äussersten Fall habe ich die Wahl zwischen Gehorsam und Strafe oder Tod. Das ist nicht nur ein Trost, sondern vielmehr Grund zur Zuversicht und wappnet für alles, was da noch kommen mag.