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Peter Hettich, zvg.

Der Eigentümer ist unzureichend geschützt

Die Sicherheit des Grundeigentums ist in der Schweiz abhängig vom Gutdünken des Gesetzgebers. Das ist zu wenig verlässlich.

Das Hauptziel der Raumplanung besteht in der Sicherstellung eines haushälterischen Umgangs mit dem Produktionsfaktor Boden. Das zentrale Mittel ist dabei die Trennung des Baugebiets vom Nichtbaugebiet. Geeignetes Kulturland, insbesondere Fruchtfolgeflächen, und naturnahe Landschaften sowie Erholungsräume sollen möglichst unbeeinträchtigt erhalten bleiben. Der dadurch noch verstärkte Siedlungsdruck soll nach innen gerichtet werden: Der Boden soll effizienter genutzt und die Siedlungsfläche verdichtet werden.

Die Zweiteilung des Landes in Baugebiet und Nichtbaugebiet bedeutet, dass das Bauland beschränkt, also kontingentiert, wird. Von der Natur der Sache her steht das in einem Spannungsverhältnis zur Eigentumsgarantie und zur Wirtschaftsfreiheit. Die raumplanerische Frage, wer welche Parzellen zu welchen Zwecken nutzen kann, hat erhebliche finanzielle Auswirkungen: Kann eine Parzelle nicht überbaut und nur für landwirtschaftliche Zwecke gebraucht werden, ist sie gleich eine Grössenordnung weniger wert. Die Raumplanung entscheidet also auch über «Reich» und «Arm».

Es bedarf keines Studiums in Institutionenökonomie, um zu erkennen, dass unbedachte Eingriffe in einmal gewährte Eigentumsrechte erhebliche Langzeitfolgen haben können. Unsicherheiten über den Bestand und Umfang der Eigentumsrechte werden Menschen dazu verleiten, Investitionen nicht oder andernorts vorzunehmen.

Der Zusammenhang zwischen effektiv gesicherten und effizient durchsetzbaren Eigentumsrechten einerseits und dem Wohlstand eines Landes anderseits lässt sich denn auch empirisch herleiten. Es überrascht daher nicht, dass die wirtschaftlich entwickelten Länder die Eigentumsrechte verfassungsrechtlich absichern, also auf der höchsten Konsensebene jeder rechtsstaatlich und demokratisch organisierten Gesellschaft.

Freie Hand für den Gesetzgeber

Vor diesem Hintergrund bemerkenswert ist ein im November 2024 in öffentlicher Beratung ergangenes Urteil des Bundesgerichts. In diesem Fall ging es darum, ob die Eigentümerin einer rechtmässig aus der Bauzone entlassenen und der Landwirtschaftszone zugewiesenen Parzelle für die Auszonung entschädigt werden sollte. Konkret verlangte die Eigentümerin von der aargauischen Gemeinde Mellingen eine Entschädigung von rund 3,5 Millionen Franken (zuzüglich Zins). Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau gab der Eigentümerin dahingehend recht, dass die vorgenommene Auszonung eine entschädigungspflichtige materielle Enteignung bewirke. Das Bundesgericht sah dies anders und argumentierte wie folgt:

«Die Eigentumsgarantie gewährleistet das Eigentum nicht unbeschränkt, sondern nur innerhalb der Schranken, die ihm im öffentlichen Interesse durch die Rechtsordnung gezogen sind.»

Hinter der blumigen Formulierung verbirgt sich eine folgenreiche juristische Idee: Der Inhalt des Eigentums wird im Verfassungsrecht nicht konkret umschrieben. Erst im Zivilrecht sind die Eigentumsrechte im Einzelnen definiert; durch Regulierung werden sie weiter eingeschränkt. Wenn sich der Inhalt des Eigentumsrechts aber erst aus dem Gesetzesrecht ergibt, dann kann der Gesetzgeber das Eigentum auch beliebig neu umschreiben. Wenn der Gesetzgeber also festlegt, dass Bauland künftig kein Bauland mehr sein darf, sondern Landwirtschaftsland, dann ist das gemäss dieser Rechtsidee hinzunehmen, und zwar grundsätzlich entschädigungslos:

«Zu beachten sind namentlich die Verfassungsnormen des Umwelt- und Raumplanungsrechts. Die[se] sind der Gewährleistung des Eigentums grundsätzlich gleichgestellt. Darauf gestützte raumplanerische und umweltschützende Eigentumsbeschränkungen bleiben grundsätzlich entschädigungslos.»

Diese Rechtsprechung reicht mittlerweile weit zurück und lässt sich vor allem historisch begründen: 1972, vor über 50 Jahren, hat der Bundesgesetzgeber erstmals das Bauen ausserhalb der Bauzone einschränkenden Regelungen unterworfen. Dadurch war die Basis gelegt für die umfassende Neuordnung des Raums auf der Basis des Grundsatzes der Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet. Hätten im Zuge dieser Neuordnung Entschädigungen geleistet werden müssen, hätte dies die Arbeit der Planungsbehörden sicher erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht.

Nach eigenem Bekunden befürchtete das Bundesgericht, dass sich die Planungsbehörden dann eher an Entschädigungs- statt an Raumplanungsgesichtspunkten orientieren. Deshalb eröffnete es den Behörden den Weg der entschädigungslosen Auszonung (vom Gericht kunstvoll als «Nichteinzonung» bezeichnet).

Das regulatorische Korsett lockern

Es macht keinen Sinn, auch heute noch an dieser Rechtsprechung festzuhalten, die ja durch besondere historische Umstände begründet war: Die vor 50 Jahren an die Hand genommene Neuordnung des Raums und des Grundeigentums ist abgeschlossen. Festzuhalten ist vielmehr, dass die Verfassung heute einen spezifischen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff vorgibt; dessen Inhalt ist zwar vom Gesetzgeber festgelegt, doch ist der Gesetzgeber bei einer Änderung nicht völlig frei.

Mit anderen Worten: Verfassungsrechtlich geschützt ist in erster Linie das heute vorgefundene, vom Gesetzgeber ausgestaltete und näher bestimmte Eigentum. Der Gesetzgeber steht also in einer Kontinuität oder Pfadabhängigkeit: Er findet eine weitgehend freiheitliche, verfassungskonforme Eigentumsordnung und deren Interpretation durch Gerichte und Lehre vor, woraus sich normative Bindungen ergeben, die er beachten muss.

Änderungen dieser vorgefundenen Ordnung unterliegen schon nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen einer Bindung an das Recht, an das öffentliche Interesse und an das Gebot der Verhältnismässigkeit. Führen rechtmässige Änderungen der Eigentumsrechte zu Beschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, so sind sie als Folge auch – will man dem Gebot der Rechtssicherheit nachleben und eine Rechtsordnung schaffen, die verlässlich ist – voll zu entschädigen.

«Es macht keinen Sinn, auch heute noch an dieser Rechtsprechung festzuhalten, die ja durch besondere historische Umstände begründet war.»

Das bewährte Erfolgsmodell der Schweiz steht vor Herausforderungen: Die geopolitische Neuordnung schreitet rasch voran und die technisch-wissenschaftlichen Strukturen wandeln sich grundlegend. Ob diese Herausforderungen zum Wohle aller gemeistert werden können, hängt auch davon ab, wie verlässlich die Rahmenbedingungen für Investoren beziehungsweise wie gut die Eigentumsrechte geschützt sind.

Ein Bundesgericht, das die Umformung der Eigentumsrechte ins Belieben des Gesetzgebers stellt, fördert die Rechtssicherheit nicht. Vielmehr haben alle Bundesbehörden daran zu arbeiten, dass Investoren ihr Grundeigentum tatsächlich sachgerecht nutzen können, sprich rechtskonforme Bauprojekte in nützlicher Frist und mit ansprechenden Renditen verwirklichen können. Dafür muss das enge Korsett an baurechtlichen Normen endlich wieder gelockert werden, vor allem ist die Komplexität zu reduzieren. Die nur noch in Fragmenten sichtbare Baufreiheit ist wiederzubeleben. Investoren sind effiziente und kostengünstige Foren zur Verfügung zu stellen, um trölerische Einsprachen schnell aus dem Weg zu räumen.

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