In dieser Ausgabe

Editorial

Editorial

Es waren in Armut lebende Eltern, die ihre Kinder weggaben. Es waren aber auch die Behörden, die die Kinder den Eltern wegnahmen. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurden «Verdingkinder» in fremde Familien plaziert. Zumeist wurden sie als günstige Arbeitskräfte verdingt, da sie sich kaum wehren konnten. Lesen Sie im Dossier ab S. 19 die […]

Dossier «Weggegeben, weggenommen: Verdingkinder»

(0) Auftakt

In den Pflegefamilien wurden sie meist nicht mit Namen genannt; sie hiessen schlicht Verdingmädchen oder Verdingbub. Noch vor 50 Jahren gehörten die Verdingkinder – ein Wort, das nur das Schweizerdeutsche kennt – zum ländlichen Alltag und arbeiteten für Kost und Logis bei fremden Bauern. Heutzutage rufen die nackten Zahlen meist ungläubiges Kopfschütteln hervor, und die […]

Blogs, Rede & Widerrede

10.03.2009 Cyrill Engeli, freilich.ch, http://www.freilich.ch/ Karriere-Tip «Warum wettern die Amerikaner eigentlich gegen die Steuerhinterziehung? Das Delikt ist ja in den USA nichts anderes als ein Karriere-Beschleuniger: man wird damit entweder Finanzminister (T. Geithner) oder zumindest als Gesundheitsminister nominiert (T. Daschle). Das Bankgeheimnis ist da natürlich hinderlich; nur wenn die Hinterziehung bekannt wird, hat man wirklich […]

Aktuelle Debatten

Kultur

Politisches Buch

Arthur Eugster Der Eid mit spezieller Berücksichtigung des appenzellischen LandsgemeindeEides St. Gallen: Verlag Typotron, 2008. Arthur Eugster hat im Verlag Typotron ein Manuskript seines Grossvaters gleichen Namens zum Thema «Eid» der Öffentlichkeit durch Drucklegung zugänglich gemacht. Es handelt sich um einen Vortrag, den der damals 28jährige Pfarrer 1891 vor Berufskollegen gehalten hat und dessen Manuskript […]

Gemeinsam baden in Nettigkeiten

Ungläubige betrachten die Religionen und deren esoterische Bewüchse und Mutationen als ein wimmelndes Nach- und Nebeneinander. Gläubigen aber ist diese zoologische Vorstellung ein Horror; denn sie können nicht wahrhaft das Wahre glauben, solange die Falschgläubigen nebenan wahrhaft das Falsche glauben. Christoph Gellner, theologischer Lehrbeauftragter an der Universität Luzern, versucht in seinem Buch «Der Glaube der […]

Mit der Zuckerdose wider das Schlechte

Zu den musealen Juwelen in Winterthur gehört die Villa Flora. Sie beherbergt eine hochkarätige Kunstsammlung, die das Ehepaar Hedy und Arthur Hahnloser in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts aufgebaut hat und die ausgezeichnete Werke des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts umfasst, namentlich auch solche des französischen Nachimpressionismus. Zusammen mit Kontext und Ambiente, […]

Glossar mit Krimi

Dass der Zürcher Salis Verlag mit seiner neuen Krimireihe, die unter dem einprägsamen Label «sel noir» firmiert, auf Leser ausserhalb der Schweizer Grenzen spekuliert, mag dafür verantwortlich sein, dass sich im Anhang des Erzähldebüts der Berner Epidemiologin Nicole Bachmann ein Glossar findet, in dem unter anderem erklärt wird, dass sich hinter dem Kürzel «NZZ» die […]

Taumel, vor dem Trinken

In seinem dritten Gedichtband «Alle deine Namen» wendet sich Raphael Urweider, 1974 in Bern geboren, der Leidenschaft zu, in der Liebe und Liederlichkeit fliessend ineinander übergehen. Gegenüber der geschmeidigen, beherrschten Diktion seiner früheren zwei Bände lässt er sich neuestens auch zu emphatischen Anrufungen hinreissen. Die insgesamt 44 Gedichte sind in drei Abteilungen gegliedert. In «acht […]

Ein wahrhaft weites – und vermintes – Feld

Ein komisches Buch. «Liebe, Lüge, Libertinage. Eine Expedition zu den Leidenschaften in der gegenwärtigen Literatur» heisst die Studie der Kritikerin und Literaturwissenschafterin Pia Reinacher. Sie begreift ihr Vorhaben als eine «Expedition in die zeitgenössische Literatur, die zu eigenen Streifzügen verführen soll. Sie besichtigt den gesellschaftlichen Umbruch auf einem Kerngebiet: der Beziehung der Geschlechter». In einem […]

Wagner in der Enge

Bevor Richard Wagner in Bayreuth seinen «grünen Hügel» fand (und sein «Wähnen» Frieden), hatte sich ihm ein solcher in Zürich geboten. Dort stand die Villa seines Gönners, Otto Wesendonck, der im Jahre 1851 als ein immens vermögender Grossbürger mit seiner geistreichen Frau, Mathilde, aus den Rheinlanden über New York an die Limmat gezogen war. Wagner […]

Lust und Blut im 1. Bezirk

«Joseph Birnbaum, ein fünfzigjähriger, glatzköpfiger Biologielehrer aus einer kleinen Ortschaft am Neusiedlersee im Burgenland und Präsident einer dortigen ornithologischen Gesellschaft, bestieg bei Tagesanbruch, es war ein heller, aber kalter Oktobermorgen, den Zug nach Wien in der Absicht, sich während einer Woche im Naturhistorischen Museum gründlichst mit den dortigen Sammlungen auseinanderzusetzen.» Ein Anfang im wahrhaft klassischen […]

In Bern mit Jakob, Edith und der Schildkröte Moritz

Bisher machte der in Zürich lebende Theater-, Politikwissenschafter und Autor vor allem mit seinen Stücken auf sich aufmerksam und gewann 2006 beispielsweise den Stückewettbewerb der Schaubühne Berlin. Nun legt Lorenz Langenegger sein Prosadebüt vor. «Hier im Regen» lautet der Titel des Romans und Herr Walter ist der Held der Geschichte, die am Schweizer Nationalfeiertag, dem […]

Ich bin so froh, dass Sie etwas zugenommen haben!

Benimmbücher und Stilfibeln sind unerfindlichen Moden unterworfen. Jahrelang wird man verschont, dann plötzlich erscheint ein halbes Dutzend gleichzeitig. Anderseits gibt es wohl kaum ein anderes Buchgenre, das in den vergangenen Jahren mit vergleichbaren Überraschungen aufwarten konnte. Dachte der geneigte Leser, es sei doch eigentlich alles gesagt, hielten 2003 die «Manieren» des äthiopischen Prinzen Asfa-Wossen Asserate […]

Du sollst mich nicht vergessen, das verlange ich nicht

2006 gab Sibylle Berg, die die Tinte ihrer durchaus uferlosen Menschenliebe durch eine angenehm spitze Feder fliessen lässt, einen Band mit Abschiedsbriefen von Frauen heraus: «Und ich dachte, es sei Liebe». Ein Band voller Überraschungen, in dem eine unerwartet lebenslustige Sylvia Plath zu lesen ist, neben anderen Ikonen der (Literatur-)Geschichte wie Simone de Beauvoir, Königin […]

300 Jahre Denkmäler, nichts für Pedanten

«300 Jahre schweizerische Denkmaltopografie» verspricht der Untertitel auf dem Buchdeckel. Wer eine straffe Geschichte der Schweizer Denkmäler sucht oder eine Übersicht über die Denkmäler in den verschiedenen Landesteilen, sollte die Finger von diesem Buch lassen. Enttäuscht wird vermutlich auch jemand, der ein Handbuch der Schweizer Denkmäler samt ihrer Katalogisierung und exakter Typologie haben möchte, und […]

Rosa Schimmer des Alpenglühns

An sich ist es ja eine hübsche Idee, Berglust und -frust berühmter Alpenbesucher des 18. und 19. Jahrhunderts in literarischen Porträts zu versammeln. Besonders neu oder originell ist sie allerdings nicht; denn schon vor geraumer Zeit ist manches noch heute wirklich Lesenswerte über die Schweizreisen von Künstlern geschrieben worden. Wo allein der Blick auf Robert […]

Zwei lahme Enten

«Wenn dir die Worte fehlen, fang mit einem Zitat an», sagte Karl Kraus einmal. Demzufolge muss neben einem Österreicher auch noch ein US-Amerikaner bemüht werden, bevor vom Aargauer Silvio Blatter die Rede sein kann. «Unser himmlischer Vater hat die Menschen nur erschaffen», sinnierte Mark Twain einmal über Gottes unvollkommene Schöpfung, «weil er mit den Affen […]