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Journalisten waren Propagandaopfer und Mittäter

In der Coronakrise haben die meisten Journalisten versagt. Statt die Massnahmen kritisch zu hinterfragen, forderten sie noch schärfere. Statt die Bürger gegen den Staat zu verteidigen, halfen sie mit, sie auszugrenzen.

Journalisten waren Propagandaopfer und Mittäter
Chinas Staatspräsident Xi Jinping (Mitte) und Regierungsvertreter verneigen sich am 21. Mai 2020 in der Grossen Halle des Volkes in Peking, um den Opfern des Coronavirus in Wuhan zu kondolieren. Bild: Keystone/Andy Wong.

Ein Journalist, der gegen andere Journalisten schiesst, sollte sich zuerst hinterfragen: War er denn selbst kritisch genug? Fünf Tage nach der Verkündigung der «besonderen Lage» durch den Bundesrat schrieb ich am 20. März 2020 ein kritisches Editorial, mit Hinweis auf das Verfassungsrecht «auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit», mit der Warnung vor einem Staatsstreich und einem Aufruf an die Bürger, wachsam zu sein.

Doch rückblickend muss auch ich eingestehen, dass ich mich von der Propagandamaschinerie beeindrucken liess – wie viele andere auch, die zu viel Zeit damit verbrachten, News zu konsumieren. Erfrischend unbeeindruckt blieben oft jene, die sich in aller Regel nicht um Politik und Medien kümmern und es auch sonst gewohnt sind, in ihrem Leben eigene Entscheidungen zu treffen.

Die Propagandawalze kam mit ungeahnt voller Wucht und stilisierte das Covid-19-Virus zu einer nie dagewesenen Bedrohung der Menschheit hinauf. Das Anrollen des Virus aus China wurde fiebrig von Live-Tickern verfolgt, der erste Fall in Italien wie eine Sensation behandelt. Später dominierten tägliche Updates von Regierungen über Ergebnisse von fragwürdigen PCR-Tests die Newsportale. Natürlich beeindruckte die Angstmache viele Menschen nachhaltig; einige von ihnen verschwendeten ihre besten Lebensjahre, indem sie sich von der Welt zurückzogen.

Drängen auf den Pieks

Konnte ich das absurde Lockdowntreiben 2020 noch mit belustigter Verwunderung als vorübergehende Einschränkung hinnehmen, wurde es 2021 ernst: Die Regierung drängte mich, der kerngesund war, zu einer «Coronaimpfung». Sollte ich mich weigern, würde ich keinen Zutritt zu Veranstaltungen, Bibliotheken, Cafés oder Restaurants mehr erhalten. Kurz: Die Regierung wollte meine Existenz als Journalist und Chefredaktor verunmöglichen. Sollte ich etwa einlenken? Zunächst war ich indifferent; als vielgeimpfter Reisender hatte ich bisher keine negative Beziehung zu Impfungen.

«Die Regierung wollte meine Existenz als Journalist und Chefredaktor verunmöglichen. Sollte ich etwa einlenken?»

Doch ich wurde nach und nach misstrauisch: Wieso wollte der Staat über meinen gesunden Körper bestimmen? Die Androhung von Zwang bewirkte bei mir das Gegenteil: Trotz. Doch wer weiss, wie ich mich verhalten hätte, wenn ich nicht das «Glück» gehabt hätte, in den Ferien in Mexiko doch noch vom Virus geholt zu werden? Die Erkrankung verlief mild, wie ich das schon oft erlebt hatte. Die Drohkulisse mit Zertifikaten zeitigte absurde Auswirkungen. Ich weiss von Leuten, die erkrankte Freunde besucht haben, um sich anzustecken und so dem weitgehend ungetesteten Impfstoff den Zugang zum Körper zu verwehren.

Während all jene, die unverzichtbare Leistungen erbringen, weiterarbeiten mussten – in den Notaufnahmen und Pflegeheimen, aber auch auf Baustellen und in Coiffeursalons –, wurden die Journalisten und alle anderen Geistesarbeiter ins bezahlte Homeoffice geschickt. All die Probleme, Einschränkungen, Sorgen und Nöte, die Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Privatwirtschaft durch die Regierungsmassnahmen erwachsen sind und die sie zum Teil vor existenzielle Herausforderungen stellten, nahmen sie mit einem Achselzucken hin. Viel schlimmer fanden sie es, dass sich überhaupt jemand gegen die Regierungsvertreter wehrte, die sie den vielen Irrungen und Wendungen zum Trotz stets als die vernünftige Kraft in der Debatte darstellten.

Hypochonder nahmen Oberhand

In den Redaktionen schlotterten und zitterten die Hypochonder vor der Gefährlichkeit des Virus und dominierten bald jene, die grundsätzlich auf ihre Abwehrkräfte vertrauten und eigenverantwortliche Massnahmen befürworteten. Stimmen, welche die Massnahmen als zu extrem, einschränkend und freiheitsfeindlich empfanden, wurden von den Leitmedien erst dann als nicht komplett verrückt aufgenommen, als die Pandemie bereits vorbei war. Mehr Staatstreue geht nicht.

Die Journalisten hätten in der Coronakrise noch autoritärere, noch einschneidendere Massnahmen umgesetzt als der Bundesrat. Ähnlich wie Neil Ferguson vom Imperial College London, der zu Beginn der Pandemie Millionen von Toten in wenigen Wochen falsch prophezeit hatte, haben Journalisten wie Marc Brupbacher von TX Media mit ihren Schreckensszenarien die Regierung zu immer extremeren Massnahmen gedrängt. Der Journalist Denis von Burg forderte in der «Sonntagszeitung» von Bundesrat Berset einen Impfzwang. Wer die Welt anders sah oder darstellte, wurde der «Wissenschaftsleugnung» bezichtigt – so einfach machte man es sich.

«Die Journalisten hätten in der Coronakrise noch autoritärere, noch einschneidendere Massnahmen umgesetzt als der Bundesrat.»

Statt die Regierung kritisch zu beobachten, kooperierten die Journalisten mit der Regierung. Die öffentlich-rechtlichen Medien wurden zu Staatsmedien, Ringier-Chef Marc Walder kooperierte eng mit dem Bundesamt für Gesundheit, auch weitere Private waren unkritisch. Ob Dorer, Müller, Rutishauser, Looser oder Thiriet – von den Chefredaktoren der grossen privaten Zeitungen war es nur Eric Gujer, der schon im April 2020 schrieb, dass auch Seuchen nicht mit Sozialismus zu besiegen seien. Widerstand gab es lediglich von «Weltwoche», «Nebelspalter», «Schweizerzeit» und, ja, dem «Schweizer Monat» sowie von vielen neuen Medien und Individuen in den sozialen Medien, die das Vakuum thematisch besetzten.

Hätten all die staatstreuen Journalisten selbst politische Macht ausüben können, dann hätten wir auch in der Schweiz Massnahmen erleiden müssen, wie sie die Kommunistische Partei Chinas verhängt hatte. Menschen, die gegen die verrückte Zero-Covid-Politik oder die sinnlosen Lockdowns opponierten, wurden von Journalisten lächerlich gemacht. Ich bin sehr froh, dass diese Journalisten keine direkte politische Macht haben. Es ist absurd: Wenn man jene, deren Auftrag es ist, die Regierung zu kontrollieren, mehr fürchten muss als die Regierung selbst.

»
Anders Tegnell, zvg.
«Es ist erstaunlich, wie leicht es war, die Massnahmen
einzuführen – und wie
unglaublich schwierig, sie
wieder aufzuheben»

Die Eigenverantwortung spielte bei der Bewältigung der Pandemie eine entscheidende Rolle, sagt Schwedens früherer Chefepidemiologe Anders Tegnell. Der schwedische Ansatz erwies sich nicht nur als wirksam, sondern stärkte auch das Vertrauen der Bevölkerung.

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