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«Ich hasse Schlaf»

Als Bodybuilder und Actionstar wurde Arnold Schwarzenegger weltberühmt. Auch in der Politik wollte er die Muskeln spielen lassen – mit mässigem Erfolg. Nun kehrt er im Alter von 65 Jahren zurück auf die Kinoleinwand. Ist der Altstar politisch desillusioniert?

«Ich hasse Schlaf»
Arnold Schwarzenegger und Jörg Scheller

Herr Schwarzenegger, in Ihrer Karriere ging es bislang immer vorwärts. Erst Bodybuilding, dann Filmgeschäft, dann Politik. Nun treten Sie zum ersten Mal die Rückreise an: vom Gouverneur von Kalifornien zurück zum Actionstar. Warum haben Sie ausgerechnet ein typisches 80er-Jahre-Actionspektakel wie «The Last Stand» für Ihr Hollywoodcomeback gewählt?

Mir gefiel die Geschichte! Und mir gefiel der Gedanke, mit dem Regisseur Kim Jee-Woon zusammenzuarbeiten, eine Neuentdeckung aus Asien. Ich habe es schon immer gemocht, neue Regisseure auszuprobieren. Das erinnert mich daran, wie wir John McTiernan für Predator gewinnen konnten oder Paul Verhoeven, nachdem er RoboCop gedreht hatte, für Total Recall. Oder James Cameron, mit dem habe ich nur einen Film gemacht, Terminator. The Last Stand ist ein unbeschwerter Film, aber mit intensiver Action.

Der Film spielt in mehreren Szenen ironisch auf Ihr fortgeschrittenes Alter an. Wie altert es sich denn tatsächlich als Actiondarsteller?

Im Film spielen wir mit der Verwundbarkeit des Alters, aber auch mit der Verwundbarkeit eines Ausländers mit Akzent. Ich versuche immer, mit so etwas zu spielen, denn es bringt die Leute zum Lachen. Aber in Wirklichkeit fühle ich mich super, ich trainiere jeden Tag, ich bin fit, wenn ich ans Set komme. Ich mache meine Stunts, ich erledige meinen Job. Natürlich muss man ein bisschen vorsichtiger sein als früher. Du verletzt dich schneller, wenn du älter wirst. Und wenn das passiert, dann gefährdest du den ganzen Film. Man muss sich hüten, einen Film nur deshalb in den Sand zu setzen, weil man dumm genug ist zu glauben, man wäre noch dreissig.

Ist The Last Stand nicht auch ein ironischer Kommentar auf Ihre politische Karriere? Am Ende Ihrer zweiten Amtszeit waren Sie ziemlich genervt vom Stillstand und vom Klein-Klein in Sacramento. Im Film erledigen Sie Dinge wieder auf die einfache Art – mit Willen und Waffen.

Nein, nicht wirklich. Mir war immer klar, dass es im Filmgeschäft einfacher ist als in der Politik, Dinge zu erledigen. Denn beim Film muss man nur mit sechs bis acht Leuten klarkommen, während man es in der Welt der Politik mit 120 Kongressabgeordneten und einem Haufen Lobbyisten zu tun hat. Diese Prozesse sind weitaus komplizierter.

Wieso sollte man sich also so etwas überhaupt antun?

Wenn man in der Politik etwas erreicht, ist die Belohnung überwältigend. Es war eine ausserordentliche Genugtuung, etwa unsere Gefängnisse und Strassen erneuern zu können. Wenn ich heute über die Freeways fahre und die grossen Baustellen sehe, die das Volk ermöglicht hat, dann ist das Gefühl unvergleichlich.

Eines Ihrer wirtschaftspolitischen Vorbilder ist der liberale Ökonom Milton Friedman, mit dem Sie befreundet waren und dessen TV-Sendung «Free to Choose» Sie im Jahr 1990 sogar einmal anmoderierten1. Aber: Besonders wirtschaftsliberal sind ja die unter Ihnen beschlossenen staatlichen Ausgabenprogramme in Kalifornien nun nicht…

Von Natur aus bin ich ein eher konservativer Mensch. Nicht in sozialen Dingen, aber in geschäftlichen und fiskalpolitischen. Wenn es aber um Fortschritt geht, darum, für das Volk Dinge zu bewegen, dann würde ich die Ideologie jederzeit über Bord werfen. Ich will Positives bewirken. In Ideologien festzustecken, ist das Schlimmste, was dir passieren kann. Es verkrüppelt dich.

Konkreter?

Sehen Sie, wann immer ich im Leben etwas angepackt habe, wurde mir gesagt, das sei unmöglich. «Du schaffst es nicht ins Filmgeschäft, mit deinem Akzent und deinem Namen.» «Du schaffst es nicht in die Politik, denn da musst du klein anfangen, erst mal Bürgermeister werden und dich dann hocharbeiten.» – Ich habe diese Zweifler immer ignoriert. Man kann nur etwas erreichen, indem man es anpackt. Und: Warum sollte ich nicht der erste sein, der etwas anpackt?

Kann man das bei den Republikanern besser als bei den Demokraten?

Die Zeit des Lagerdenkens ist vorbei. Das versuche ich nicht zuletzt am 2012 gegründeten Schwarzenegger Institute for State and Global Policy an der University of Southern California zu vermitteln. Egal, ob Republikaner oder Demokrat – wir sollten nicht den Parteien und ihren Ideologien dienen. Wir sollten dem Volk dienen. Und genau deshalb haben wir das Volk zum Infrastrukturprogramm befragt. Das Volk in Kalifornien hat die Infrastrukturanleihen bewilligt. 60 Milliarden Dollar, um Kalifornien neu aufzubauen.

Das klingt, als seien Sie kein bisschen desillusioniert von der Politik.

Ich bin nicht desillusioniert. Ich habe aber gelernt: Wenn es nur darum geht, die eigene Partei zufriedenzustellen, dann gelingt gar nichts. Leute werden nach Sacramento oder nach Washington geschickt, damit sie zusammenarbeiten und einen Konsens erreichen. Genau das ist in den letzten Jahren nicht passiert. Aber ich glaube, dass nun, da Obama wiedergewählt wurde, die Politiker besser zusammenarbeiten werden. Zumindest in den nächsten drei Jahren. Im vierten Jahr dreht sich wieder alles um den Wahlkampf.

Stimmen Sie mir als Politiker wie als Schauspieler zu, wenn ich behaupte: Actionfilme sind die explosive Variante des amerikanischen Traums – ein einzelner setzt sich gegen alle Widerstände durch.

So kann man das sehen.

Sind denn die Versprechungen des «American Dream» heute überhaupt noch glaubhaft? Derzeit ist immerhin ständig die Rede vom Niedergang der USA…

Nun, nehmen wir mal für einen Moment an, die Strahlkraft der USA habe abgenommen. Nur für einen Moment. Trotzdem ist es noch immer das Land, das die meisten Einwanderer anzieht. Auch wenn die USA gewaltige Schulden und ein enormes Haushaltsdefizit haben, auch wenn die Politiker es nicht geschafft haben, diese Probleme in den Griff zu bekommen, glaube ich trotzdem, dass die Chancen für den einzelnen in den USA weiterhin grösser sind als irgendwo sonst. Du kannst immer noch herkommen und Millionär werden.

Tatsächlich sind die Aufstiegschancen eher kleiner geworden. Aber vermutlich meinen Sie vor allem Ihre alte Liebe Kalifornien?

Kalifornien ist ein gutes Beispiel. Dort werden jeden Tag um die 400 Leute zu Millionären. Silicon Valley boomt wieder. Hollywood boomt. Die Entertainment- und Agrarindustrie boomt, aber auch der Bio- und Nanotechnologiesektor. Das einzige, was in Kalifornien wirklich zusammengebrochen ist, ist die Immobilienwirtschaft. Da lebten wir in einer Traumwelt und glaubten, die Preise würden immer weiter steigen. Das war Schwachsinn. Ein künstlicher Hype. Aber abgesehen davon – schauen Sie, es gibt keinen Ort auf der Welt, der mit Kalifornien vergleichbar wäre. Kalifornien hat die Schönheit. Kalifornien hat die Freiheit. Kalifornien hat die Vielfalt. Kalifornien hat die Offenheit.

Zurück zu Ihrer filmischen Arbeit: Alle bisherigen Filme mit Schwarzenegger waren auch Filme über Schwarzenegger. Inwiefern ist der alternde Sheriff aus The Last Stand repräsentativ für den ausserfilmischen Schwarzenegger?

Das Thema des Films ist der Aussenseiter. Auf der einen Seite steht ein Haufen Söldner mit allen erdenklichen Waffen, gut ausgebildet und gut finanziert, auf der anderen Seite der von mir gespielte Sheriff kurz vor der Rente. Keiner glaubt, dass es ihm gelingt, es mit der übermächtigen Söldnertruppe aufzunehmen – aber er sucht nach seinem Weg, versammelt die Truppen und erledigt das. Insofern spiegelt der Film tatsächlich mein eigenes Leben. (lacht)

Früher galten derartige Plots, ja Actionfilme schlechthin, als Residuen von Chauvinismus und Autoritarismus. Mittlerweile diskutiert man sie eher wertneutral. Der Philosoph Peter Sloterdijk erkennt in ihnen gar «experimentelle Frühgeschichtsschreibung». Wie fühlt sich das für Sie an?

Die Actionfilme wurden erst dann zu einer grossen Sache, als die Frauenbewegung eine grosse Sache wurde. Als die Männer dachten, sie seien ihrer Macht beraubt worden, rannten sie in die Kinos, um diese harten Typen zu sehen, die Entscheidungen trafen und anderen in den Hintern traten. Das war Entertainment und Eskapismus: «Ich verliere meine Macht in der echten Welt! Das Kino ist der einzige Ort, wo es sich anfühlt, als hätte ich noch irgendetwas zu melden.» Zur gleichen Zeit ging es auch mit dem Bodybuilding los. Das hing alles miteinander zusammen. Heute haben die Filmstudios erkannt, dass gut gemachte Actionfilme keine B-Movies, sondern A-Movies sind und die besten Regisseure und Drehbuchautoren verdienen. Man betrachtet Actionfilme also ganz anders als in den 60er und 70er Jahren.

Der erste «Terminator» von 1984 dürfte diesbezüglich ein Wendepunkt gewesen sein. Die Rolle ist bis heute Ihre Paraderolle. Sie haben aber schon in Ihrer ersten Autobiographie von 1977 damit kokettiert, eine Maschine zu sein, die sich nach einer Niederlage «neu programmieren» müsse.

Ich habe mich immer als Maschine gesehen. Zumindest war das die Vision oder die ideale Situation meiner selbst. Denn als Maschine brauchst du keinen Schlaf. Ich hasse Schlaf. Ich hasse ihn! Reine Zeitverschwendung. Als Maschine hast du auch keine Emotionen. An dir prallt alles ab. Du bist unnachgiebig, denn du hast ja ein Programm. Du programmierst dich selbst, soundso viele Stunden pro Tag arbeiten, soundso viele Stunden pro Tag lesen oder soundso viele Stunden am Computer sitzen. Die Frage ist dann nicht mehr: soll ich…?

Das klingt nun nicht besonders nachahmenswert, ehrlich gesagt.

(lacht) Es läuft ganz automatisch. Neun Uhr, Rede üben. Elf Uhr, drei Besprechungen. Und so weiter. So kommst du voran. Dieses Bild deiner selbst hilft dir weiter.

Ihr Künstlerfreund Andy Warhol war auch so ein Maschinenliebhaber: Er träumte davon, eine zu sein, weil diese «weniger Probleme hätten». Haben Sie sich darüber mal ausgetauscht?

Ich hing in den 70ern in Warhols Factory ab, wo mich Jamie Wyeth und auch Warhol persönlich malten. Wir sprachen oft über das Konzept der Maschine. Warhol betrachtete sich selbst als Maschine. Er war ein Fanatiker, wenn es darum ging, Dinge zu erledigen. Genau wie ich. Er gab das Interview-Magazin heraus, schrieb Artikel, machte Photos und Gemälde, kümmerte sich ums Geschäft, ging auf all diese Partys, mit seinem Bandrekorder und seiner Kamera. Wenn du dich selbst als Maschine siehst, dann kannst du wie eine handeln. Obwohl du natürlich nicht wirklich eine bist. Also nicht falsch verstehen: Du hast natürlich Emotionen und brauchst Schlaf.

In den 70er Jahren verglichen Sie sich auch mit einem Bildhauer, der seinen Körper bearbeite wie andere Künstler Marmor oder Tonklumpen. Inwiefern trifft die Künstlermetapher für Ihr ganzes Leben zu? In gewissem Sinne arbeiten Sie ja an Ihrem Mythos wie andere an Skulpturen.

Na ja, wenn du die Entscheidung triffst, ein Bodybuilding-Champion zu werden, dann triffst du diese Entscheidung nicht als Künstler. Du triffst die Entscheidung, Künstler oder eine Art Künstler zu werden, erst danach.

Wie muss ich das verstehen?

Du triffst die Entscheidung, wenn du begreifst, dass es sehr viel komplizierter ist, ein Bodybuilding-Champion zu werden, als es zunächst scheint. Wenn dir der Sinn für Perfektion fehlt, bist du aufgeschmissen. Wenn dir der Sinn für das Künstlerische fehlt, dann trainierst du nur blind drauflos. Teile deines Körpers werden über-, andere Teile werden unterentwickelt sein. Und du wirst dich immer fragen – hey, ich habe doch riesige Muskeln, warum verliere ich meine Wettkämpfe? Die Antwort lautet: Weil du ein fucking idiot bist! Weil du bis dahin nur Masse aufgebaut hast! Wenn du aber erkennst: Mein hinterer Schultermuskel ist unterentwickelt und die Separierung zwischen vorderer Schulter und Oberarm fehlt, und da gibt es nun fünf Übungen, um den hinteren Schultermuskel aufzupumpen und um bessere Proportionen zu entwickeln – wenn du so denkst, dann denkst du wie ein Bildhauer, der seinen Körper als Tonklumpen betrachtet. Der Bildhauer benutzt nur andere Werkzeuge als der Bodybuilder. So einfach ist das.

 


1 «Free to Choose» mit Arnold Schwarzenegger auf YouTube: www.youtube.com/watch?v=5BoTF3fwvU0



Das Treffen mit Arnold Schwarzenegger

In einem Kölner Fünf-Sterne-Hotel ragt Arnold Schwarzenegger aus seinem weichen Sessel auf wie ein bronzebraunes Fleischmassiv. Seine Laune ist bestens, das Haar frisch getönt. Er ist eingeflogen, um seinen neuen Film The Last Stand vorzustellen, der ihn zurück in die seligen Tage des 80er-Jahre-Action-Kinos katapultiert. Endlich dreht sich mal wieder alles um ihn und um die grosse Leinwand – nicht um Haushaltslöcher, Todesurteile oder Seitensprünge. Aus Augen, die an querliegende Schiessscharten erinnern, blickt Schwarzenegger auf den Interviewer. Mit einem Lächeln, das gleichzeitig eisig und einnehmend wirkt. So war er immer schon. Mensch und Maschine, Provokateur und Charmeur. Schwarzenegger ist die Verkörperung dessen, was Ernst Bloch die «Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen» nannte. Ein Mitglied der US-amerikanischen republikanischen Partei, das als Gouverneur von Kalifornien (2003–2010) über weite Strecken demokratische Politik betrieb. Ein Verfechter von Nachhaltigkeit und grünen Technologien, der als öffentliche Figur demonstrativ einen verschwenderischen Lebensstil kultiviert. Eine Ikone der Körperkultur und ehemaliger Vorsitzender des nationalen Rates für Fitness und Sport, der Steroide schluckte und mit Hingabe Zigarren pafft. «Den» Schwarzenegger gibt es eigentlich nicht. Schwarzenegger existiert nur im Plural. Auch an diesem Januarmorgen ist es unmöglich, ihn als einzelnen wahrzunehmen. Vor dem inneren Auge verschwimmt die Gestalt im Sessel mit dem Terminator, mit dem Kindergarten-Cop, mit dem Bodybuilder, mit dem Gouverneur, mit dem Autoritären, mit dem Demokraten. Unweigerlich kommt einem der Satz Ernst Jüngers in den Sinn: «So könnte der Mensch im Bild verschwinden, das er als Magier ersann.» Schwarzenegger ist nichts als eine Chiffre der Selbsterfindung und Selbstüberschreitung – ein bildgewaltiger Mythos in ewigen Metamorphosen. Wie Herakles, der mal den nemeischen  Löwen tötete, mal die Spindel bei Omphale drehte. Die einzigen Konstanten in Schwarzeneggers Leben sind sein Wille zur Macht und sein krachlederner Liberalismus – leben und leben lassen. Aber bitte schön auf grossem Fuss.

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