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Warum Erfolgsrezepte niemals erfolgreich sind

Im Management die immer gleichen Fragen: Warum gewinnen die einen und verlieren die anderen? Warum kippt ein Unternehmen nach langer Blütezeit plötzlich ab oder – umgekehrt – erhebt sich wie Phönix aus der Asche? Und was kann man davon lernen? Dass man davon nichts lernen kann. Da gibt es das Unternehmen, in dem eine bestimmte […]

Im Management die immer gleichen Fragen: Warum gewinnen die einen und verlieren die anderen? Warum kippt ein Unternehmen nach langer Blütezeit plötzlich ab oder – umgekehrt – erhebt sich wie Phönix aus der Asche? Und was kann man davon lernen?

Dass man davon nichts lernen kann. Da gibt es das Unternehmen, in dem eine bestimmte Intervention grossartige Früchte trägt. Derselbe Vorschlag scheitert in einem anderen Unternehmen – bei vergleichbarer Problemlage, vergleichbarer Firmengrösse, fast identischer Organisationsstruktur. Da gibt es das Handelsunternehmen, das von seinem Geschäftsführer mit tiefem Glauben an die Selbstentwicklungsfähigkeiten der Mitarbeiter seit Jahrzehn­-ten von Erfolg zu Erfolg geführt wird. Direkt gegenüber, auf der anderen Strassenseite, gibt es das Unternehmen derselben Branche, das von der Inhaberfamilie mit beeindruckender Menschenverachtung ebenfalls seit Jahrzehnten von Erfolg zu Erfolg geführt wird.

Wer erinnert sich an Peters und Waterman und ihren Management-Bestseller «Auf der Suche nach Spitzenleistungen»? Mehr als ein Vierteljahrhundert nach dessen Erscheinen haben wir die Erfolgsformel immer noch nicht gefunden: Von den damals ausgewiesenen 40 «Gewinner»-Unternehmen sind heute nur noch zwei am Markt.

Die Managementtheorie ist kontextblind. Sie hat keinen Blick für die konkreten Umstände, für Traditionen, Reifegrade, Herkünfte, Lokales. Unterschiedslos beglückt sie Kleinunternehmen, Grosskonzerne, öffentliche Verwaltungen und Non-Profit-Organisationen mit «modernen» Konzepten. One size fits all! Dabei ignoriert die Managementtheorie erfolgreich, dass der Vorrat gemeinsamer Wertvorstellungen selbst innerhalb von sogenannt «starken» Unternehmenskulturen (3M, GE, HP, Gore) eine Schimäre ist, jedenfalls erheblich kleiner, als die Fallgeschichten immer illustrieren wollen. Und dass ihre Übertragbarkeit äusserst problematisch ist. Kurz: es gibt sie nicht, die «Erfolgskultur». Alle wirklichen Lösungen, die wirklich diesen Qualitätsnamen verdienen, sind Singularitäten.

Und genau deshalb haben wir Führungskräfte! Sie sind Unsicherheitsagenten, sie müssen in gleichsam nichtentscheidbaren Situationen entscheiden. Und wer dabei unsicher ist, kann sicher sein: Er ist auf Tuchfühlung mit der Wirklichkeit. Deshalb ist Führung immer Arbeit durch den Zweifel. Ein dauernder Kampf um das, was jetzt vielleicht richtig ist, morgen aber falsch sein könnte. Es gibt keine Faktoren, die immer und überall und unter allen Umständen zum Erfolg führen. Es gibt keine direkte Kausalität zwischen den Mitteln und dem Ergebnis. Die gewissenhafte Vorbereitung, die Planung, das Training, ein neues Management-Tool, all das mag den Erfolg ermöglichen, erzwingen kann es ihn nicht. Nicht einmal sicher ist, ob es überhaupt zum Erfolg beiträgt. Und man kann auf viele verschiedene Weisen erfolgreich sein. Es gibt keine goldene Regel – und wenn es sie gäbe, ich würde raten, ihr nicht zu folgen. Weil man am Markt dann keinen Unterschied mehr machte.

Ist das ein trauriger Befund? Im Gegenteil: Das ist Freiheit! Das macht das Wirtschaftsspiel spannend. Das Spiel ist prinzipiell offen für Neues, Mögliches. Wer das Neue bringt, macht den Unterschied. Er gewinnt den Wettbewerb. Für kurze Zeit. Dann wird er abgelöst. Es gibt kein Unternehmen, das überall und zu allen Zeiten seiner Konkurrenz ständig voraus ist. Bis jetzt sind noch alle ewigen Managementwahrheiten und sicheren Erfolgsrezepte an der Wirklichkeit gescheitert. Ist das enttäuschend? Klar! Der Philosoph Hans-Georg Gadamer hat uns gezeigt, dass Erkenntnisgewinn immer auf Enttäuschung beruht. Erwartungen werden durchkreuzt, Scheinsicherheiten entlarvt. Um eine Erfahrung reicher heisst um eine Gewissheit ärmer. Das ist nicht zu betrauern, sondern zu begrüssen: Wir täuschen uns nicht mehr. Wir können wieder wählen. Niemand kann sich auf den «richtigen» Weg berufen. Niemand kann uns eine Vorgehensweise als «zwingend» verkaufen. Kein scheinbares Patentrezept entbindet uns von der Verantwortung zu entscheiden, wie wir leben wollen. Das ist ein Schritt ins Offene. In der Wirtschaft. Und im Leben.

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