Wir brauchen Ihre Unterstützung — Jetzt Mitglied werden! Weitere Infos

Zürcher Ideenstreit um knappen Wohnraum

Ganze fünf Vorlagen rund ums Thema Wohnen kommen demnächst im Kanton Zürich zur Abstimmung. Die Not auf dem Immobilienmarkt öffnet Tür und Tor für radikale und falsche Ansätze. Eine Einordnung.

Zürcher Ideenstreit um knappen Wohnraum
Sicherheit, Freiheit und ein Zuhause für Generationen: Der Traum vom Eigenheim bleibt für viele ein zentrales Lebensziel. Bild: Keystone.

Es ist das Thema schlechthin: Die Preise für Miete und Kauf von Immobilien kennen im Kanton Zürich seit Jahren nur eine Richtung: steil nach oben. Der Traum vom Eigenheim rückt für viele in immer weitere Ferne. Unter Mietern geht die Angst vor Leerkündigungen um. An Demonstrationen wie zuletzt Anfang April machten Tausende ihrem Ärger Luft. Sie haben Angst, entwurzelt, verdrängt und vertrieben zu werden.

Dem Kanton Zürich steht ein heisser Politherbst und ein noch heisserer Politfrühling 2026 bevor. Ganze fünf Initiativen rund ums Thema Wohnen werden dem Stimmbürger zur Beurteilung vorgelegt werden. Drei linke Vorlagen, dazu zwei Initiativen des Hauseigentümer-Verbands des Kantons Zürich (HEV), plus etwaige Gegenvorschläge.

Dass sich die Politik der prekären Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt annimmt, ist zwar zu begrüssen, es birgt aber auch Gefahren. Möglich, dass in einer emotional aufgeladenen Stimmung auch Massnahmen eine Mehrheit im Volk finden, die den Realitätstest nicht bestehen oder, noch schlimmer, sogar das Gegenteil von dem bewirken, was sie dem Stimmbürger vorgaukeln. Viele Ideen der Initianten sind nicht neu, einige sogar uralt, wie zum Beispiel der Ruf nach einer Verstaatlichung von Boden. Mit dabei im bunten Ideenstrauss sind aber auch einige innovative neue Ansätze zum Beispiel zur Förderung von Wohneigentum.

Doch der Reihe nach.

Das Problem steigender Wohnkosten hat auch der HEV erkannt und tritt mit den beiden Volksbegehren «Starthilfe-Initiative» und «Wohneigentums-Initiative» vor das Volk. Im Kern geht es darum, das selbst bewohnte Wohneigentum wieder attraktiver und für mehr Menschen erschwinglich zu machen. So steht es übrigens auch in der Verfassung des Kantons Zürich: «Kanton und Gemeinden fördern den gemeinnützigen Wohnungsbau und das selbst genutzte Wohneigentum.»

Folgerichtig fordert die «Wohneigentums-Initiative», dass bei staatlich geförderten Wohnbauprojekten nicht nur kostengünstige Mietwohnungen erstellt werden, wie dies bis anhin der Fall war, sondern auch kostengünstige Eigentumswohnungen für den Eigengebrauch (also nicht zur Untervermietung). Konkret soll der Staat verpflichtet werden, 50 Prozent der eigenen Wohnungen als Eigentumswohnungen abzugeben. So soll preisgünstiges Wohneigentum für den Mittelstand geschaffen werden. Zugleich wird sichergestellt, dass bei staatlich geförderten Projekten Mieter und Eigentümer gleichberechtigt behandelt werden.

Zugang zu Hypothek erleichtern

Ersterwerber von Grundeigentum werden im Durchschnitt immer älter, auch das eine Folge der steigenden Preise. Sparer brauchen immer mehr Zeit, um das geforderte Eigenkapital anzusparen. Das Problem: In Franken gerechnet werden die geforderten 20 Prozent Eigenkapital bei steigenden Preisen immer mehr. Genau hier setzt der HEV mit seiner «Starthilfe-Initiative» an und geht damit einen erfrischend innovativen Weg, der bisher in der Schweiz noch weitgehend unbekannt war.

So soll der erstmalige Erwerb von selbst bewohntem Wohneigentum erleichtert werden. Durch die Einführung einer ergänzenden Versicherung – garantiert durch den Kanton Zürich – wird das für den Kauf benötigte Eigenkapital reduziert und damit der Zugang zu einer Hypothek erleichtert. Konkret soll eine kantonale Bürgschaft das erforderliche Eigenkapital von zurzeit 20 Prozent auf 5 Prozent senken. Insbesondere junge Personen und Familien erhalten so wieder eine Chance, aus eigener Kraft Wohneigentum zu erwerben. Alle anderen Anforderungen der Banken bezüglich Tragbarkeit bleiben gleich.

Die kantonale Bürgschaft soll auch in einer Immobilienkrise mit sinkenden Preisen greifen, wenn Banken von Immobilienbesitzern Amortisationszahlungen einfordern können. Wer diese nicht bedienen kann, dem droht im Extremfall der Zwangsverkauf. Indem die Bürgschaft Risiko aus dem Markt nimmt, will die «Starthilfe-Initiative» diesen «Worst Case» für Eigentümer beseitigen.

Die «Wohnungsinitiative» von SP, Grünen und AL will den Kanton und die Gemeinden beauftragen, für ausreichend günstigen, gemeinnützigen und – wenn man schon am Fordern und Regulieren ist – auch noch klimafreundlichen Wohnraum zu sorgen. Gemeinnützige Bauträger bieten ihre Wohnungen zur Kostenmiete an.

Zusätzlich zu den linken Parteien noch vom Mieterverband unterstützt, will die «Wohnschutzinitiative» den bestehenden bezahlbaren Wohnraum schützen. So will sie die Verdrängung von Mietern aus ihren Quartieren stoppen. Vorgesehen sind dabei Renditebremsen, sodass Mieten nach einer Sanierung nicht «übermässig» erhöht werden können. Was unter «übermässig» zu verstehen ist, lassen die Initianten hingegen offen. Ebenfalls sollen Investoren bei einem Abriss dazu verpflichtet werden, eine vergleichbare Anzahl der verlorengegangenen günstigen Wohnungen andernorts zu errichten.

Der dritte Vorstoss, die «Wohnbau-Initiative», ist die am breitesten abgestützte Vorlage (unterstützt von Mitte, EVP, GLP, SP, Grüne, AL). Sie will den Handlungsspielraum von Gemeinden ausbauen, indem sie Gemeinden bei grösseren Land- und Liegenschaftsverkäufen ein Vorkaufsrecht einräumt. So soll verhindert werden, dass Immobilien und Grundstücke ausschliesslich an renditeorientierte Privatfirmen gehen. Machen Gemeinden von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch, sind sie zum Bau von erschwinglichem Wohnraum verpflichtet. Was verführerisch klingen mag, hat aber mehrere und beträchtliche Nachteile.

Der Staat als zusätzlicher Nachfrager

Als Referenz für die angestrebte Verstaatlichung von Boden nennen die Initianten den Kanton Waadt, wo in den vergangenen fünf Jahren dank einem Vorkaufsrecht angeblich «mehrere Liegenschaften» für die Allgemeinheit gesichert werden konnten. Wie viele es genau sind, ist auf der Website nicht vermerkt. Durchschlagender Erfolg sieht anders aus.

Linke Ideen haben in der Praxis oft eine gegenteilige Wirkung, getreu dem Motto: Gut gemeint ist schlecht gebaut. So zeigen Erfahrungswerte aus dem staatsgläubigen Frankreich, dass die Immobilienpreise steigen, wenn der Staat als zusätzlicher Nachfragetreiber auf dem Markt auftritt. In der Konsequenz heisst das: Wohneigentum nur noch für Reiche. Ist ein «Monaco der Alpen» wirklich im Interesse der linken Initiativen? Der gewichtigste Nachteil ist indes die Einschränkung der Eigentumsfreiheit: Verkäufer könnten sich de facto gezwungen sehen, an den Staat zu verkaufen oder auf ihrer Ware sitzenzubleiben.

Der Staat entscheidet langsamer als die Privatwirtschaft. Die Dynamik im Baugewerbe würde also abnehmen, dabei braucht es schnell neue Wohnungen. Auch die zentrale Frage, woher das Geld für all die angestrebten Land- und Immobilienkäufe stammen soll, beantwortet das Initiativkomitee nicht abschliessend. Eine Annahme dieser radikalen Vorlage hätte auch eine abschreckende Wirkung. Warum sollten private Baufirmen noch Zeit und Geld in teure Vorprojekte investieren, wenn am Schluss der Staat zum Handkuss kommt?

«In der Konsequenz heisst das: Wohneigentum nur noch für Reiche. Ist ein ‹Monaco der Alpen› wirklich im Interesse der linken Initiativen? »

Bitte keine gehässige Neiddebatte!

Gespannt darf man auch sein, in welcher Tonalität die Debatten geführt werden. Es ist wohl mit viel sachfremder und medial angeheizter Polemik zu rechnen: «Böse», renditegetriebene Immobilienhaie und (auf dem Papier) immer reicher werdende Wohneigentümer auf der einen Seite, der «fürsorgliche» Staat und in finanzielle Enge getriebene Mieter auf der anderen Seite. Täter gegen Opfer.

Im linken und bis weit hinein ins bürgerliche Lager drückt man sich davor, die Ursachen der «steigenden Nachfrage» beim Namen zu nennen. It’s the Bevölkerungswachstum, stupid! Dass dieses aufgrund der anhaltend hohen Zuwanderung ausser Kontrolle geraten ist, ist schlicht ein Fakt, wie auch immer man diesen beurteilt. Der Leidensdruck in der Bevölkerung ist hoch, aber offensichtlich nicht hoch genug, um sich mit den wahren Ursachen zu befassen.

Eine ehrliche Politik bekämpft jedoch nicht bloss Symptome. Wer der Zuwanderung keine Grenzen setzen will, ist für die Probleme mitverantwortlich, welche die Linke dann mit etatistischen «Lösungen» bewirtschaftet. Willkommen im endlos linksdrehenden Hamsterrad von Realitätsverweigerung und Regulierung!

Wer Mieter gegen Eigentümer auszuspielen versucht, verkennt auch, dass fast alle heutigen Eigentümer auch einmal Mieter waren. Und viele weitere Mieter werden dereinst selbst zu Eigentümern, denn der Traum vom Eigenheim ist und bleibt topaktuell. Ein «Social Upgrading» von der Miete zum Eigentum hat den angenehmen Nebeneffekt, dass günstigere Mietobjekte frei werden. Wer Wohneigentum fördert, macht somit nicht Politik für Reiche, sondern tritt automatisch auch für die Interessen der Mieter ein.

«Der Leidensdruck in der Bevölkerung ist hoch, aber nicht hoch genug, um sich mit den wahren Ursachen zu befassen.»

Ein Lob auf den Markt

Die Tatsache, dass so gut wie alle Menschen in diesem Land in doch sehr geordneten Verhältnissen wohnen – zur Miete oder im Eigentum –, ist in erster Linie Ausdruck eines weitgehend funktionierenden Marktes. Private, risikobereite Investoren sind zusammen mit einer leistungsfähigen Bauwirtschaft die eigentlichen Macher der Gesellschaft, vom Bauarbeiter bis zum Banker, der den Hypokredit absegnet. Das linksmediale Narrativ eines völlig dysfunktionalen Marktes ist somit trotz punktuellen Exzessen übertrieben und falsch.

Wie weiter also? Ohne private Investoren geht es nicht. Und wer den Staat als einen weitsichtigen und gutmeinenden Player sieht, dem sei ein Blick in den Kanton Basel-Stadt empfohlen. Dort erleidet die stolze Rheinstadt mit dem sogenannten «Basler Modell» gerade Schiffbruch. Auch Berlin bietet negativen Anschauungsunterricht. Auf die Kurzformel gebracht: Mischt der Staat zu sehr mit, verschlechtert sich die Lage. Weshalb sich linke Initiativen in Zürich inhaltlich ausgerechnet an Basel orientieren, bleibt ihr Geheimnis.

Das Dickicht an Bauvorschriften und Auflagen führt zu immer höheren Kosten, die auf Mieter umgelegt werden. In diesem Zusammenhang muss auch die Problemzone energetische Sanierung benannt werden. Ob Vorschriften sinnvoll oder sinnlos sind, ist zweitrangig, denn preistreibend wirken beide. Bauen wird immer teurer und günstiger Wohnraum immer unrentabler. Das war früher einmal anders. Ein Grossteil des heutigen günstigen Wohnraums wurde bereits vor Jahrzehnten gebaut. Das zeigt auch, dass günstiger Wohnraum nicht zwingend staatlich sein muss. Wer nach günstigem Wohnraum schreit, muss konsequenterweise auch weniger Regulierung und weniger Zuwanderung fordern.

Auch die beiden HEV-Initiativen setzen neben marktwirtschaftlichen Anreizen selektiv auf staatliche Eingriffe. Das ist kein Widerspruch, sondern gut so. Denn um mehrheitsfähige Lösungen zu finden, braucht es ein vernünftiges Miteinander von Markt und Staat. Wie dieses genau aussehen wird, wird der direktdemokratische Prozess in den kommenden Jahren zeigen.

Zu einem regelrechten «Super Sunday» könnte es im Mai 2026 kommen, wenn voraussichtlich die «Starthilfe-Initiative», «Chance Wohneigentum», «Wohnungsinitiative», die Wohnschutzinitiative und etwaige Gegenvorschläge zum Abstimmung kommen. Keine der Initiativen würde bei Annahme sofort alle Probleme auf dem Wohnungsmarkt lösen. Vielmehr geht es um eine Richtungswahl. Und um Grundwerte, die je nach Position in Gefahr sind.

»
Abonnieren Sie unsere
kostenlosen Newsletter!