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«Günstige» Wohnungen kommen uns alle teuer zu stehen

Mit einer neuen Regulierung wollte Basel Mieter vor Preiserhöhungen schützen. Das Resultat? Bestandsmieter bleiben in alten Wohnungen sitzen, Junge und Mobile werden ausgeschlossen.

«Günstige» Wohnungen kommen uns alle teuer zu stehen
Stillstand in Basel: Der Wohnungsmarkt der dynamischen Wirtschaftsmetropole ist ins Stocken geraten. Bild: Keystone/Christian Beutler.

Basel-Stadt wollte mit der im Mai 2022 eingeführten Wohnschutzverordnung die berüchtigten «Renditesanierungen» unterbinden. Fünf Jahre lang dürfen Vermieter nach einer Erneuerung die Miete nur marginal erhöhen; jede Modernisierung – vom neuen Boiler bis zum Geschirrspüler – braucht den Segen einer neunköpfigen Kommission, deren Dossiers bei grösseren Projekten Hunderte Seiten füllen. Drei Jahre später bestätigt sich, wovor Immobilienökonomen seit Langem warnen: Der vermeintliche Schutzschirm wirkt wie ein Bumerang. Zählte Basel 2018 rund 1000 Baugesuche für Mietwohnungen, waren es 2023 noch 67. Die Wohnbauproduktion ist noch auf einem Drittel des Stands vor der Einführung der neuen Regeln.

Institutionelle Investoren weichen aus: Projekte rechnen sich nicht mehr, Verfahren dauern zu lange, die Rechtsunsicherheit ist hoch. Mit den Renditen verschwinden auch die Erneuerungen. Die Gesuche für energetische Sanierungen sind eingebrochen, selbst Routineaufwertungen lohnen sich kaum. Bewilligungen lassen bis zu zwölf Monate auf sich warten, und die Kommission kann selbst einvernehmliche Lösungen zwischen Vermietern und Mietern kippen. Die Vordertür des Marktes verengt sich, die Hintertür klemmt: Bestandsmieter verharren in zu grossen oder ungeeigneten Wohnungen, während junge Haushalte um ein Restangebot konkurrieren oder nach Baselland ziehen, um dann im Pendelverkehr stecken zu bleiben. Auch die Stadtentwicklung leidet: Umnutzungen von Industriearealen stocken, weil Entwickler bei strengen Mietobergrenzen keine Reserven für Altlastensanierung und Quartieraufwertung einpreisen können.

«Bestandsmieter verharren in zu grossen oder ungeeigneten Wohnungen, während junge Haushalte um ein Restangebot konkurrieren oder nach Baselland ziehen, um dann im Pendelverkehr stecken zu bleiben.»

Der Schutz wird zur Last

Überraschend oder unerwartet kommt das nicht. Die empirische Entwicklung folgt der ökonomischen Lehrbuchlogik:

  • Erstens verknappt ein Mietendeckel das Angebot. Der Neubau wird sistiert, Modernisierungen werden aufgeschoben, Kapital sucht sich andere Verwendungen. Weil Neubauten nur einen kleinen Teil des Bestands auf dem Wohnungsmarkt ausmachen, sind die Auswirkungen nicht sofort ersichtlich – auf Dauer hingegen schon.
  • Zweitens leidet die Allokation. Ohne Preissignal bestimmen Zufall oder Vitamin B, wer eine Wohnung erhält. Die Wohnungen werden nicht mehr von jenen bewohnt, die sie am meisten schätzen.
  • Drittens steigen Such- und Vermeidungskosten. Wartelisten, dubiose Ablösezahlungen und stundenlange Recherchen auf Portalen fressen den scheinbaren Vorteil der «bezahlbaren» Wohnungen weiter auf.

Schliesslich wohnen die Altmieter zwar nominell günstiger, zahlen aber indirekt: Ihre Wohnungen altern rascher, weil Investitionen vertagt werden. Bereinigt um die Qualität, steigen also die Mieten dennoch. Die Hauptlast tragen jedoch die Mobilen, die Jungen, die Geschiedenen. Langfristig erodiert die soziale Durchmischung.

Basel taugt nicht als Vorbild

Rechnet man all diese Effekte zusammen, übersteigen die sozialen Kosten den Nutzen solcher Massnahmen – und das selbst dann, wenn man ausschliesslich die Mieterperspektive einnimmt und die Interessen der Investoren völlig ausklammert, was natürlich leichtsinnig ist. Denn vielfach vertreten sie bloss die Interessen der gewöhnlichen Sparerinnen und Sparer, die für ihre Pension vorsorgen. Diese wie alle weiteren Formen von Mietdeckel schneiden sogar nach dem einseitigen Massstab ihrer Befürworter schlecht ab. Sie sind nicht für die Mieter gemacht, sondern bloss für einen kleinen Teil davon.

Basels Erfahrung taugt daher weniger als Vorbild denn als Warnung. Eine Regulierung, die Baukräne vertreibt und Sanierungen bremst, verteuert das Wohnen letztlich für alle. Wer tatsächliche Erschwinglichkeit anstrebt, braucht ein grösseres Angebot und nicht ein kleineres. Dazu raschere Verfahren und Preise, die Knappheit offenlegen, statt sie zu kaschieren. Andernfalls droht aus dem gut gemeinten Wohnschutz ein Dauerexperiment zu werden, bei dem am Ende alle Beteiligten verlieren.

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