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«Wir hatten viel  zu wenige Wände»
Silvia & Christoph Blocher, fotografiert von Daniel Jung.

«Wir hatten viel
zu wenige Wände»

Bei einer Führung durch die neu erstellten Kunsträume in Herrliberg sprechen Silvia und Christoph Blocher über den Bauprozess, die Probleme öffentlicher Museen und die Zukunft ihrer Sammlung.

 

Auf dem Herrliberger Anwesen von Silvia und Christoph Blocher wurde in letzter Zeit geplant, gebaut und eingerichtet. Nun sind die Kunsträume – eine Art Museum, das aber nicht ­öffentlich zugänglich ist – fast fertig. Der Neubau umfasst acht unterirdische Säle, die miteinander verbunden sind. Die poly­gonalen Räume verfügen hauptsächlich über stumpfe Winkel. Jeder Saal wirkt dadurch weit, gewährt einen Blick in den nächsten Raum, von überallher sieht man viele Bilder und erkennt Zusammenhänge zwischen den Kunstwerken.

Geplant wurden die Räume von Silvia Blocher in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro maurusfrei Architekten AG, Chur und Zürich. «Sie hat eine Meisterleistung vollbracht», schwärmt ihr Mann, «es ist eines der schönsten Museen.» Eigentlich seien die Räume nicht mehr als ein Bilderlager. «Aber wieso sollte man ein Lager hässlich machen?», fragt die Bauherrin rhetorisch. Über 100 Entwürfe und Überarbeitungen habe es gebraucht, bis man die Lösung gefunden habe. Sie sagt lachend: «Es ist seine Sammlung, aber mein Museum.»

Die neuen Räumlichkeiten beherbergen rund einen Drittel der Kunstsammlung Blocher – die restlichen Werke befinden sich im Wohnhaus und auf Schloss Rhäzüns, das die Ems-Chemie 1964 erworben hat. Aufgehängt wurden die rund 200 Bilder in den neuen Räumen vom ehemaligen Justizminister persönlich. Auch stellt er bei jedem Bild die Beleuchtung individuell ein. Mit 81 Jahren könne er sich die Zeit für dieses neue Wirkungsfeld nehmen.

Dominiert werden die neuen Räumlichkeiten von den beiden wichtigsten Künstlern der Sammlung: Albert Anker (1831–1910) und Ferdinand Hodler (1853–1918). Daneben sind aber auch Werke von Félix Vallotton, Giovanni und Gottardo Segantini, Giovanni, Alberto und Augusto Giacometti, Cuno Amiet oder Robert Zünd zu sehen. Ebenfalls ausgestellt sind eine Urversion der «Gotthardpost» von Rudolf Koller sowie Werke von Edouard Castres, dem Maler des Bourbakipanoramas von Luzern. Dazu gesellen sich mehrere Werke des «naiven» Malers Adolf Dietrich. Blocher kombiniert die Bilder eigenständig: Er zeigt mit seiner Hängung etwa, dass der Quereinsteiger Dietrich neben weltberühmten Namen wie Hodler und Vallotton bestehen kann.

Frau Blocher, Sie waren die Bauherrin dieser Räume. Wieso befinden sie sich unter der Erde?

Silvia Blocher: Es war ein Glücksfall, dass wir das nachbarliche Grundstück kaufen konnten. Eine besondere Herausforderung war die steile Hanglage des Grundstücks. Wie gross sollten die Kunsträume werden? Man sagt ja: Eine Sammlung hat, wer mehr Bilder als Wände besitzt. Und wir hatten viel zu wenige Wände. Bilder sind sehr empfindlich auf Sonnenlicht. In unserem Wohnhaus mit seinen Fenstern müssen wir die Beschattung der Kunstwerke elektronisch überwachen. Das ist aufwendig und anfällig. Deshalb haben wir das Museum unterirdisch gemacht und ein sehr tiefes Loch gegraben. Dort haben wir ein Gebäude mit einem Flachdach hineingesetzt, das nun zu einem Park geworden ist.

Christoph Blocher: Es ist das schönste Flachdach Europas!

Was waren Ihre Leitlinien bei der Gestaltung des Innenlebens des Gebäudes?

Silvia Blocher: Die Form der Räume und die Frage der Zugänge spielten beim Bilderhaus eine wichtige Rolle – wie auch das Konzept der Sammlung. Wir leihen unsere Bilder aus. Wir sehen uns hier quasi als Depot. Wir haben die Bilder, geniessen sie und freuen uns daran. Wir zeigen sie auch, aber nicht öffentlich. Damit wir die Bilder aber für Ausstellungen ausleihen können, braucht es einen grossen Lift, einen Verpackungsraum und eine gute Zufahrt für Lastwagen. Die Bilderräume müssen klimatisiert und die Luftfeuchtigkeit konstant gehalten werden. Zudem braucht es im Gebäude auch ein Lager im engeren Sinn: Wenn die Bilder gerade nicht in einem Saal aufgehängt werden können, müssen sie auch untergebracht werden.

Wo befinden sich die technischen Anlagen?

Silvia Blocher: Bei vielen Gebäuden werden diese Anlagen auf dem Flachdach sichtbar. Das wollten wir vermeiden, weil wir das Dach als Park gestalten wollten. Die Ästhetik stand hier im Zentrum. Deshalb wurden die Logistik und der grosse Lift nun in einem Gebäude untergebracht, das wie ein schönes Zürichseehaus wirkt. Es enthält auch Räume für den Gärtner.

Christoph Blocher: Wichtig war, dass das Flachdach frei bleibt. Dort sieht man jetzt gar nichts von den Installationen.

Silvia & Christoph Blocher, fotografiert von Daniel Jung.

Silvia Blocher: Ich habe einen Architekten gesucht, der bereit war, auf meine Ideen einzugehen und das Fachwissen zur Statik und zur Gebäudetechnik beizusteuern. Im Bündner Architekturbüro maurusfrei Architekten haben wir das dann gefunden, und ich habe mit Bastian Fuchs aus diesem Büro zusammengearbeitet.

Christoph Blocher: Wir hatten schon im Bündnerland mit diesem Büro verschiedene Gebäude gebaut für die Ems-Chemie, zum Beispiel Wohnungen für unsere Angestellten. Maurus Frei gilt heute als Stararchitekt, hat auch Roger Federers Haus auf der Lenzerheide geplant.

Silvia Blocher: Ich hatte auch schon ein Haus mit ihm gebaut.

Christoph Blocher: Meine Frau baut leidenschaftlich gerne!

Wie kamen Sie auf die besondere Form der Räume?

Silvia Blocher: Wichtig war, dass wir die alten Bäume, die zwischen unserem Wohnhaus und dem neuen Gebäude stehen, erhalten können. Das gab gewisse Abstände vor, die wir einhalten mussten. Dann war mir klar: Es kann nicht einfach viereckige Säle geben. Ich hatte immer sehr gerne Geometrie. Wenn man stumpfe Winkel macht, ergibt sich eine Öffnung des Raums. Ich fing an, erste Skizzen zu zeichnen, und merkte, dass es funktionierte. Und die Räume sollten ineinander übergehen, sie sollten offen sein. Es gibt Bezüge zwischen den verschiedenen Künstlern, denn sie kannten sich zum Teil auch persönlich. Das wird sichtbar durch die Art, wie mein Mann die Bilder aufgehängt hat. Und es galt, dies auch im Gebäude zum Ausdruck zu bringen. Die Offenheit und die Durchblicke gefallen mir nun sehr gut. Es zieht einen von einem Raum in den nächsten.

Die Räume sind unterschiedlich gross.

Silvia Blocher: Wir haben lange über die Grösse der Räume nachgedacht und gerechnet. Manche Bilder brauchen mehr Distanz, andere weniger. Deshalb haben wir auch kleinere Räume eingerichtet, in denen die Bilder näher beim Betrachter hängen. Eine besondere Herausforderung ist das Licht, denn die Beleuchtung eines Bildes ist das A und O. Hier haben wir viele Varianten geprüft und verworfen. Jetzt bin ich aber zufrieden. Wenn Besucher sagen, dass sie hier gerne einmal einen Tag verbringen würden, so ist das ein gutes Zeichen.

Allerdings. Obwohl die Räume unterirdisch sind, haben Sie eine Art Oberlichter. Wie geht das?

Silvia Blocher: Neben den Spots, die auf die Bilder gerichtet sind, brauchen die Räume weiteres Licht. Wir wollten aber keine Leuchter aufhängen. Echte Oberlichter, die im Park dann als Glaskuppeln sichtbar sind, wollten wir auch nicht. So kamen wir auf die künstlichen Oberlichter. Dafür haben wir an verschiedenen Orten Decken angeschaut, zum Beispiel in anderen Museen und Hotels. Die richtige Konstruktion mit der besten Wirkung fand dann der Architekt zusammen mit einer Lichtfirma.

Mit dem Neubau wurde Ihr Anwesen in Herrliberg nochmals wichtiger für Sie, richtig?

Christoph Blocher: Ja, es ist wunderbar hier. Nun gibt es noch mehr Raum für die Kunst. Wir wohnen hier, und seit über 20 Jahren befindet sich auch der Hauptsitz der Ems-Gruppe auf diesem Grundstück. Meine Firma Robinvest ist inzwischen auch hier angesiedelt, wie auch die Stiftung der Musikinsel Rheinau. Es ist alles auf demselben Areal und für uns zu Fuss erreichbar – wir sind damit die Avantgarde der grünen Bewegung (lacht). Und jedes Gebäude hat einen separaten Zugang.

Wie nennen Sie das neue Gebäude eigentlich? Es fielen bisher unterschiedliche Begriffe.

Silvia Blocher: Fälschlicherweise haben wir anfänglich von einem «Museum» gesprochen. Da sind die Nachbarn erschrocken, weil sie erwarteten, dass jeden Tag hunderte Leute kommen und viel Verkehr auslösen. Deshalb haben wir klargemacht, dass wir kein solches Museum bauen. Wir haben ein Baugesuch für Lagerräume eingereicht.

Christoph Blocher: Wir wollen kein öffentliches Museum, denn dann bräuchten wir einen ganzen Apparat mit Personal, Kassen, Kaffee, Sicherheit. Zudem wäre dies wohnzonenwidrig.

Silvia Blocher: Offiziell wollen wir nun den Begriff «Kunsträume» verwenden, «Kunsträume vo» oder «Kunsträume Blocher».

Christoph Blocher: Ich würde es gerne «Schaulager» taufen: Ein Lager, das man auch gerne besichtigt – der schönste Name, weil er der Wahrheit entspricht. Der Begriff ist allerdings schon bekannt. In Basel gibt es ein öffentlich zugängliches Schaulager. Wir prüfen noch den definitiven Namen.

Welche Absichten stehen hinter den «Kunsträumen» oder dem ­«Schaulager»?

Christoph Blocher: Zuerst einmal wollte ich ja gar nie eine Sammlung. Ich habe einfach Bilder gekauft. Heute sagt man, es sei eine bedeutende Sammlung. Es hat sich also ergeben. Und wirklich, man kann sagen: Es ist etwas Wunderbares entstanden. Aufgrund meines Alters haben schon verschiedene Museen – in der Schweiz und ausserhalb – ihr Interesse an meiner Sammlung angemeldet. Inzwischen habe ich aber andere Pläne.

Was haben Sie vor?

Christoph Blocher: Die Ausstellung «Hodler – Anker – Giacometti» im Winter 2015/16 wurde im Dachstock des Winterthurer Museums Oskar Reinhart am Stadtgarten durchgeführt. Die Infrastruktur war unmöglich: Man musste mit dem Lift hochfahren, und es durften nur 100 Personen gleichzeitig rein. Die Leute standen zum Teil zwei Stunden in der Kälte vor dem Eingang. Trotzdem wurde die Ausstellung ein grosser Erfolg. Innert vier Monaten hatte sie 65 000 Besucher. Es gab sogar einen schönen Reingewinn, was vorher noch keine Ausstellung dort geschafft hatte. 250 000 Franken flossen in die Stiftung Oskar Reinhart, die knapp bei Kasse ist – so wie viele andere Stiftungen, welche der Staat betreut. Deshalb kommt es für mich nicht in Frage, die Bilder dem Staat zu geben.

Silvia Blocher mit «Die Maira bei Stampa», gemalt 1904–1905 von Giovanni Giacometti (1868–1933), Öl auf Faserzementplatte. Fotografiert von Daniel Jung.

Silvia Blocher: Ein Problem ist auch der Platz: Für die Sammlung Bührle musste das Zürcher Kunsthaus jetzt einen Erweiterungsbau erstellen.

Christoph Blocher: Während der Ausstellung in Winterthur sass ich oft in den wunderbaren Sälen des Reinhart-Museums, das eine grossartige Sammlung hat. Zum Beispiel hängt da das weltberühmte Gemälde «Die Kreidefelsen auf Rügen» von Caspar David Friedrich. Aber ich sah kaum je einen Besucher, wenn ich in diesen Räumen war. Gemäss dem Direktor hat es in den beiden Reinhart-Museen in Winterthur pro Tag etwa 15 Besucher. Die beiden Museen benötigen aber rund 30 Mitarbeiter. Da kann man sich vorstellen, dass das einfach nicht aufgeht. Deshalb hat die Stiftung heute kein Geld mehr, obwohl sie einmal grosszügig ausgestattet wurde. Das Problem besteht auf der ganzen Welt: Dauerausstellungen haben nur wenige Besucher. Natürlich mag es Ausnahmen geben. Wer nach Paris geht, muss in den Louvre.

Die Uffizien, die vatikanischen Museen – weltbekannte Museen haben auch in ihren Dauerausstellungen viele Besucher.

Christoph Blocher: Mag sein, aber viele andere Museen sind selten besucht und kosten trotzdem viel. Der frühere Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät, ein Sozialist, hat mir einmal gesagt: «Die huere, verreckte Sammler da!» Ich fragte ihn, was los sei. Er sagte: «Was diese Sammlungen uns kosten!» Die Stadt Bern hatte für die geschenkte Paul-Klee-Sammlung der Familie Müller ein Museum gebaut. Der Betrieb belastet jedes Jahr mit vier Millionen Franken. Das will ich nicht machen.

Christoph Blocher mit dem Gemälde «Der Seminarist» von Albert Anker (1831–1910), undatiert, Öl auf Leinwand. Fotografiert von Daniel Jung.

Sie werden Ihre Sammlung also nicht dem Staat überlassen?

Christoph Blocher: Nein, denn es gibt schon zu viele Museen mit Dauerausstellungen. Und eben: Viele Museen haben gar keinen Platz, um die Bilder, die sie besitzen, auszustellen. Oft, wenn ich auf Geschäftsreisen im Ausland in einem Museum ein bestimmtes Bild sehen wollte, war es gerade im Keller. Der Sohn eines Sammlers, der seine Bilder an ein Museum vermacht hatte, sagte mir: «Ich konnte die Bilder noch nie anschauen. Sie stehen alle in den Depots.» Das kann ja nicht der Sinn der Sache sein.

Deshalb haben Sie sich für ein anderes Modell entschieden.

Christoph Blocher: Das Bedürfnis der Menschen, unsere Bilder zu sehen, ist gross. Das hat sich am Erfolg in Winterthur gezeigt. Auch die Ausstellung «Chefs-d’œuvre suisses – Collection Christoph Blocher» mit 120 Bildern aus meiner Sammlung in der Fondation Pierre Gianadda im Wallis war ein Erfolg, obwohl sie wegen Covid während Monaten geschlossen werden musste. In diesem Jahr haben wir Giacometti-Bilder – Augusto und Giovanni – ans Musée d’Orsay in Paris ausgeliehen und 2019 Anker-Aquarelle ins Kunstmuseum Solothurn. Ende Jahr gehen 22 Bilder für eine Ausstellung für 10 Monate nach Poschiavo. In Sonderausstellungen gehen die Leute gern, und die Bilder können an Orte reisen, wo es sonst kaum solche Kunstwerke zu sehen gibt. Wir sind unkompliziert und geben unsere Bilder gratis, als gemeinnützige Leistung. Es ist wichtig, dass man Bilder ausleiht, damit die Öffentlichkeit Anteil nehmen kann.

Was heisst das für die Zukunft Ihrer Sammlung?

Christoph Blocher: Wir haben es für die nächste Generation geregelt: Unsere Kinder sind bereit, dieses Konzept weiterzuführen. Weiter können wir nicht planen. Das müssen wir aber auch nicht, man ist ja nicht für 1000 Jahre verantwortlich. Im schlimmsten Fall werden die Bilder irgendwann wieder an andere Liebhaber verkauft. Dann wird es wieder andere geben, die Freude haben.

Silvia Blocher: Wir konnten ja auch kaufen und haben unsere Sammlung aus dem Kunstmarkt aufgebaut.

Haben Sie selbst eigentlich eine künstlerische Ader?

Christoph Blocher: Nein, gar nicht, ich habe es aber auch nie ausprobiert. Ich war auch das einzige von insgesamt elf Kindern, das kein Instrument spielte, bin aber ein grosser Liebhaber klassischer Musik, vor allem von Mozart.

«Ich habe einfach Bilder gekauft. Heute sagt man,

es sei eine bedeutende Sammlung.»

Warum sammeln Industrielle gerne Bilder?

Christoph Blocher: Das ist kein Zufall. Denn es ist ein ausserordentlich guter Ausgleich zur industriellen Tätigkeit. Vom Morgen bis zum Abend rechnet der Industrielle und überlegt sich: Welche Produkte braucht die Menschheit zum Leben? Was will der Markt? Was kann ich produzieren? Die Kunst bietet dazu einen grossen Gegensatz. Wir leisten uns Kunst für nichts anderes, als das Leben künstlerisch betrachten zu können – ohne Zwang, etwas tun zu müssen. Dazu kommt: Als Industrieller hat man sehr wenig Zeit. Zeit ist unser wertvollstes Gut. Jede Freizeitbeschäftigung, die zeitraubend ist, können wir uns nicht leisten. Die Kunst hat den Vorteil, dass sie nicht zeitgebunden ist. Man muss sich nach keinen Plänen richten. Man kann Wochen oder Jahre warten, ein Bild aufzuhängen oder zu studieren. In meinem Arbeitszimmer hatte ich lange das Frühlingsbild «Die Lochmühle» von Adolf Dietrich hängen. Als Industrieller und Politiker wächst einem der Alltag manchmal über den Kopf, man weiss nicht mehr ein und aus, weil es so viele schwierige Situationen gibt. Wenn ich in solcher Stimmung am Schreibtisch sass, den Kopf hob mit Blick auf Dietrichs «Lochmühle», war die Welt wieder in Ordnung!

Eine Gemeinsamkeit zwischen Industrie und Kunst ist der Markt.

Christoph Blocher: Bei jedem Gut, das man kaufen muss, stellt sich die Frage nach dem Markt. Leider ist auch die Kunst heute zu sehr ein Markt. Die ersten Bilder von Adolf Dietrich waren sehr günstig, bevor es für ihn einen Markt gab. Heute kosten sie bis zu 200 000 und 300 000 Franken. Ich kaufe meine Bilder aber nicht wegen dem finanziellen Wert. Ich verkaufe sie auch nicht. Aber es gibt Leute, die mit Kunst spekulieren wie mit Aktien und ihre Bilder gar nie betrachten.

Reden wir noch über die beiden wichtigsten Künstler Ihrer Sammlung, Albert Anker und Ferdinand Hodler. Warum diese zwei?

Christoph Blocher: Hodler gehört zu den international sehr bekannten schweizerischen Künstlern, auch in den USA. Anker ist dagegen vor allem viel in der Schweiz, aber auch im übrigen Europa bekannt. Bei Hodler priorisiere ich die Landschaften, verfüge auch über einzelne Porträts. Die grossen symbolischen Werke wie «Die Nacht», «Der Tag», «Die Auferstehung», «Die Empfindung» sind meist in staatlichen Museen.

Ankers Bilder sind realistisch und dokumentarisch, Hodlers Werke oft stilisiert und symbolisch. Sind diese Ansätze nicht gegensätzlich?

Christoph Blocher: Dass Hodler in unserer Sammlung eine so grosse Rolle spielt, ist auch meiner Frau zu verdanken. Sie wünschte nicht nur Landschaften, sondern auch Hodlers gemalte Menschen. Bei Hodler sind naturgewachsene Berge die dargestellten Persönlichkeiten. Bei Anker sind es die naturgewachsenen Menschen. So gegensätzlich sind die zwei also gar nicht. Beim grossen Künstlerstreit über das Hodler-Gemälde «Rückzug von Marignano» im Landesmuseum war Hodlers grösster Verteidiger Albert Anker. Als Präsident der Kunstkommission sagte er: «Dieses Bild muss hier rein.» Bei Hodler sind die Menschen alle Helden, während Ankers Porträts den Alltag zeigen wollen. Kinder und alte Menschen in der Hauptsache. Ankers Botschaft hiess: «Siehe, die Welt ist nicht verdammt.»

Silvia Blocher: Jeder Maler hat seine eigene schöpferische Kraft. Sie sahen sich nicht als Konkurrenz, sondern interessierten sich auch für den Stil und die Technik des anderen.

Wie stehen Sie zum modernen Kunstbetrieb? Besuchen Sie die Art Basel?

Christoph Blocher: Nein, da war ich noch nie. Es gibt auch dort ab und zu etwas Interessantes, das man kaufen könnte. Aber zur ganz modernen Kunst habe ich keinen Zugang. Ich sage aber nicht, dass es keine Kunst ist. Ich habe einen Freund, der hat ein Bild, das nur weiss ist und einen schwarzen Tupfen in der Mitte hat. Er ist begeistert. Ich sage da: «Dieser Künstler macht doch das Kalb mit uns.» Ihm gefällt das Bild aber, und das respektiere ich. Mir gefällt ältere Kunst. Warum, das ist schwierig zu sagen. In meinem Elternhaus waren Drucke von Anker-Bildern aufgehängt, vielleicht gab mir das als Kind einen Zugang.

Silvia Blocher: Das erste Anker-Bild, das ich als Original gesehen habe, war für mich ein tiefes Erlebnis.

Christoph Blocher: Wir sind von unserer Sammlung begeistert. Das schliesst aber nicht aus, dass man auch von ganz anderen Dingen begeistert sein kann. Andere Kunst verachten wir jedenfalls nicht. Ich mag sehr gerne die Impressionisten oder die Expressionisten. Die Beschränkung in der Sammlung braucht sehr viel Selbstdisziplin.

Beim Neubau betonen Sie die Offenheit. In der Sammlung werden viele Bezüge zwischen Künstlern mit sehr unterschiedlichen ­Lebensentwürfen und internationalen Beziehungen sichtbar. Steht diese Offenheit nicht im Gegensatz zu Ihrer politischen Aktivität, wo es oft auch um Abgrenzung geht?

Christoph Blocher: Das ist kein Widerspruch. Ich trete ein für den Schutz der Schweiz als Staat und für den Schutz unserer besonderen Staatsform mit der direkten Demokratie. Aber ich bin trotzdem für offene Beziehungen zur Welt, allerdings auf Grundlage der eigenständigen Persönlichkeit. Es ist nicht gut, wenn man die Identität verliert. Es gibt wohl keinen anderen Schweizer Politiker, der so viele Beziehungen ins Ausland hat wie ich.

Silvia Blocher: Und so viel gereist ist. Man muss offen sein, darf sich aber selber nicht aufgeben.

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