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Rind im Zentrum

Arthur Zeller, der Geige spielende Sohn eines wohlhabenden Landwirts, hatte sich autodidaktisch zum Fotografen ausgebildet. Gleichzeitig war er Züchter und Kenner des Simmentaler Fleckviehs. Eine einmalige Situation, die es Zeller erlaubte, die wichtigsten Merkmale dieser damals reüssierenden Rinderrasse unter ästhetischen und ökonomischen Aspekten gleichermassen ins rechte Licht zu rücken; seine Aufnahmen trugen dazu bei, dass […]

Arthur Zeller, der Geige spielende Sohn eines wohlhabenden Landwirts, hatte sich autodidaktisch zum Fotografen ausgebildet. Gleichzeitig war er Züchter und Kenner des Simmentaler Fleckviehs. Eine einmalige Situation, die es Zeller erlaubte, die wichtigsten Merkmale dieser damals reüssierenden Rinderrasse unter ästhetischen und ökonomischen Aspekten gleichermassen ins rechte Licht zu rücken; seine Aufnahmen trugen dazu bei, dass diese Nutztiere international bekannt wurden und es zu Massenexporten nach Ungarn, Russland, Südwestafrika und Südamerika kam. Nach und nach erweiterte Zeller seine fotografische Tätigkeit auf Personen und Ereignisse der Simmentaler Heimat, wurde als vertrauenswürdiger Einheimischer und preiswerter Fotograf zu Aufnahmen gebeten.

Die Fotografien und das Leben Zellers werden in dem Bildband als historische Quelle der agrarischen Schweiz präsentiert. Das schadet der unmittelbaren Wucht der tief beeindruckenden Aufnahmen nicht, verschenkt jedoch mögliche ästhetische Würdigungen des Werkes. Arthur Zellers Arbeiten könnten einem Vergleich mit dem grossen August Sander, dem Fotografen der ungekünstelten bäuerlichen Realität im 20. Jahrhundert, durchaus standhalten; auch Paulus Potter, der grosse Niederländer aus dem 17. Jahrhundert, der als erster Maler Rinder nicht mehr als Staffage malte, sondern Raum und Landschaft von den Tieren her entwickelte, erscheint als gewinnbringender Bezugspunkt. Besonders faszinierend an Arthur Zellers Lichtbildern ist, dass sie die Spielregeln der Viehmalerei und der frühen Fotografie mitzureflektieren scheinen. Menschen und Tiere werden vor der natürlichen Alpenlandschaft arrangiert und scheinen diese zu konstituieren. Manchmal sitzen die Personen aber auch vor einem gemalten Hintergrund, wie er in den Foto-ateliers üblich war. Die Bilder sind jedoch so aufgenommen, dass um diesen Hintergrund herum noch eine Art Rahmen aus der realen Umgebung zu sehen ist: bäuerliche Gebäude, Berge. Die Aufnahmen geben der Seitenansicht einer Kuh ebensoviel Wert und individuelle Ausstrahlung wie Brautpaaren, Jungbauern oder einem toten Kind im Sarg. Durch dieses Buch über Arthur Zellers Werk wurde ein Schatz entdeckt und gehoben. Seine weitere Würdigung steht noch aus.

vorgestellt von Sabine Kulenkampff, Erlangen

Markus Schürpf: «Arthur Zeller (1881–1931), Vieh- und Wanderfotograf im Simmental. Fotografien 1900–1930». Zürich: Limmat, 2008.

Der Fotoband begleitete eine im Agensteinhaus Erlenbach gezeigte Ausstellung.

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