In dieser Ausgabe

Editorial

Editorial

Frauen bleiben zu Hause, Männer erobern die Welt. Auch wenn das heutzutage nicht mehr in dem Masse gilt wie noch vor 50 Jahren, so ist doch die Assoziation geblieben, die das Adjektiv «weiblich» gern mit «passiv» und «privat» gruppiert, das Adjektiv «männlich» hingegen eher im semantischen Zusammenhang mit «aktiv» und «öffentlich» sieht. Dass der Rückzug […]

Dossier «Spitzen, Frauen, Freiheit»

Aktuelle Debatten

Das Mehrheitsprinzip und die Freiheit

Unser Mitherausgeber Robert Nef hat die Friedrich August von Hayek-Medaille erhalten. Wir gratulieren! In seiner Preisrede wirft er die Frage auf, ob Mehrheiten in modernen Demokratien frei sein wollen. Aus strikt liberaler Sicht neigt er zu einem rationalen Nein, als Schweizer mit Wurzeln im direktdemokratischen Appenzellerland zu einem emotionalen Ja. Und kommt zum Schluss: Je beschränkter die Zuständigkeit der Politik ist, desto eher sind Demokratie und Freiheit kompatibel.

Kultur

Die unsterbliche Quizfrage

Als ich jung war, und studierte, war in den Wandelhallen des Geistes folgendes Raunen zu vernehmen: «Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst.» Das war der Bloch-Ton, der den Goethe-Ton ablöste, der bisher von einem berühmten Namen verwaltet worden war, vom Ordinarius für Germanistik, Emil Staiger. Mit Ernst Bloch und diesem […]

Von der Kunst, den «Grünen Heinrich» zu lesen. Folge 5

Frauenbilder 1853 schrieb Gottfried Keller an einen Freund: «Ich habe gesehen und gestaunt, wie schlecht und unfähig die Produkte anderer Leute gelesen werden.» Trotz dieser pessimistischen Einschätzung Kellers wurden beide Fassungen des «Grünen Heinrichs» offenbar gut und fähig genug gelesen, um inzwischen zur Weltliteratur zu zählen. Von der Kunst, Gottfried Keller zu lesen, handelt auch eine diesjährige Vorlesung am Deutschen Seminar der Universität Zürich. Die Zürcher Germanistin Sabine Schneider erläutert im folgenden, wie Heinrich dem Bilderkult erliegt und seine beiden Geliebten – Judith und Anna – auf eine modern zu nennende Weise medialisiert: als überlebensgrosse Mamorstatute die eine, als flaches Tafelbild die andere. Erreichen kann er beide nicht. Am Ende erliegt er der Magie seiner imaginierten Frauenbilder.

In die Schelmerei mit vollem Mieder

Margrit Schriber: «Die falsche Herrin». Zürich: Nagel & Kimche, 2008. Haut wie Milch hat sie und ein volles Mieder. Beim Reden singt sie. Ihre Erscheinung lässt die Männer nicht kalt. Aber sie ist auch widerborstig, unbelehrbar, ohne Scham noch Reue. Diese Frau fällt aus der Norm. Die Muotatalerin Anna Maria Inderbitzin, die durch den Irrwitz […]

Ins Début mit 11 Geschichten

Anja Jardine: «Als der Mond vom Himmel fiel». Zürich: Kein & Aber, 2008. Unter den Débuts des Frühjahrs 2008 sticht der Erzählband «Als der Mond vom Himmel fiel» von Anja Jardine hervor. Präzise, atmosphärisch dicht erzählt die Autorin in 11 Geschichten von Menschen, die auf ihr Glück warten. «Possibly maybe probably love» ist im Vorspann […]

Im Garten mit Niki

Niki de Saint Phalle, «Der Tarotgarten». Wabern/Bern: Benteli, 2008. Das Tarot mit seinen Karten – insbesondere die 22 grossen Arkana – geht vermutlich auf die Bildsymbole altägyptischer Priester zurück. Im 15. Jahrhundert sind in Italien die ersten Kartenspiele dieser Art nachweisbar; sie waren auch von Kirche und Päpsten geachtet. Die grossen Arkana, die vermutlich archetypische […]

Im Bilderbuch als Arbeitsloser

Lydia Zeller (Text) und Monika Maslowska (Illustration): «Suche Arbeit für Papa». Zürich: Bajazzo, 2008. Kinderbuchwelten sind magische Welten. Kreativität, Phantasie und Liebe zu Sprache und Bild sind dort zu Hause. Und so macht Kinderliteratur auch neugierig: auf die Welt der Bücher, auf die Welt in einem selbst und, nicht zuletzt, auf die Welt draussen. Doch […]

Im Hexenkessel der Glarner Patrizier

Michael Hauser: «Der Justizmord an Anna Göldi». Zürich: Limmat, 2007. Unsere Zeit liebt Rekorde. Auch traurige. Deshalb ist Anna Göldi, die letzte Hexe Europas, das namentlich wohl bekannteste Opfer der grimmen Verfolgung, die zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert im Alten Reich und in der Schweiz allgemeinen Schrecken auslöste. Es gehört zu den Vorzügen des […]

In die Moderne mit Denkern

Ursula Amrein: «Phantasma Moderne. Die literarische Schweiz 1880 bis 1950». Zürich: Chronos , 2007. Die Geschichte der Intellektuellen und ihrer Einflussnahme auf Politik, Gesellschaft und Kultur im 20. Jahrhundert muss noch geschrieben werden. Dass in ihr eine verheerende, eine deprimierende Bilanz zu ziehen wäre: wer wollte dies ernsthaft bezweifeln? Ursula Amrein schlägt in ihrer Sammlung […]

Vielfarbig in fremde Welten

Katharina Geiser: «Rosa ist rosa». Zürich: Ammann Verlag, 2008. Trügerisch einfach wirkt der Titel von Katharina Geisers Erzählband: «Rosa ist Rosa». Dabei offenbart er auf gut 200 Seiten ein gewaltiges Farb- und Tonspektrum. Siebzehn Erzählungen führen uns aus der Schweizer Bergwelt nach Spanien und Sibirien, nach Dresden und Paris. Wir reisen von einer zeitlos anmutenden […]

Ins Glück trotz dickem Hintern

Katharina Wille-Gut: «Der Name der Hose». Oberhofen: Zytglogge, 2008. Niemand, der Brian De Palmas Filmadaption von Stephen Kings Horrorklassiker «Carrie» gesehen hat, wird je vergessen, was ein geschmackloser Scherz auf einer Schulfeier in der Seele eines weiblichen Teenagers anrichten kann. Über die 14jährige Eveline ergiesst sich zwar kein Eimer mit roter Flüssigkeit, doch die lautstarke, […]

In Schwamendingen mit einer Schweizerin

Susann Sitzler: «Vorstadt Avantgarde. Details aus Zürich-Schwamendingen». Zürich: Limmat, 2007. Alltag ist höchst subjektiv, heisst es an einer Stelle von «Vorstadt Avantgarde». Höchst subjektiv wird auch diese Besprechung. Die Schweizer Journalistin Susann Sitzler, die eigentlich in Berlin lebt, verbrachte im Frühjahr 2006 drei Monate in Schwamendingen. Aus diesem Aufenthalt sollte ein Buch werden, das dem […]

In Unterwäsche aus Winterthur

Peter Niederhäuser: «Unterwäsche aus Winterthur. Die Industrie- und Familiengeschichte Sawaco Achtnich.» Zürich: Chronos, 2008. Während der Gründerzeit wurde aus dem ländlichen Städtchen Winterthur, das wenige Kilometer nördlich von Zürich an den Flüssen Töss und Eulach liegt, eine Industriestadt. Firmen wurden gegründet und Fabriken gebaut, und auch Handwerksbetriebe siedelten sich an. Nach seiner Heirat im Sommer […]

In den Kissen des deutsch-arabischen Diwans

Ilma Rakusa & Mohammed Bennis (Hrsg.): «Die Minze erblüht in der Minze. Arabische Dichtung der Gegenwart». München: Hanser, 2007. Wer aus Leichtsinn historische Augenblicke verpasst, den bestraft das Leben. Als an einem Vorfrühlingstag des Jahres 2000 das Telefon klingelte und mich eine Frauenstimme in gebrochenem Englisch dazu einlud, als Lyrikkritiker an einer deutsch-arabischen Dichterbegegnung im […]

Und immer wieder: Heidi

Hannes Binder / Peter Stamm: «Heidi. Nach einer Geschichte von Johanna Spyri.». München: Nagel & Kimche im Carl Hanser Verlag, 2008. Heidi ist eine vielbeschäftigte Powerfrau. Tagsüber steht sie sich in Schweizer Vorgärten die Beine in den Bauch, abends werden die verkrampften Waden wahlweise auf der Musicalbühne oder in japanischen Mangaclubs gelockert. Daneben nimmt sie […]