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Was heisst denn hier Freiheit?

Eine Antwort aus dem Stegreif von Klaus Wellershoff Und ein Anstoss von ihm selbst:
«Freiheit ist, nicht über Freiheit reden zu müssen.»

Was heisst denn hier Freiheit?

«Ich höre lieber zu, als selber zu reden. Und wenn ich schon reden muss, dann ist es mir lieber, wenn ich über mein Fach reden darf, oder – noch besser – Fragen gestellt bekomme. Mit der Art von Zitaten, wie die «Schweizer Monatshefte» sie auf dieser Seite normalerweise als Anstoss zu einem Gespräch über Freiheit verwenden, kann ich wenig anfangen. Ich empfinde diese Zitate zur Freiheit zu sehr als Binsenweisheiten, als dass ich mich zu vertieftem Nachdenken provoziert fühlte.

Man muss die Freiheit verteidigen, das ist mir schmerzlich bewusst. Aber kann man das in einem Gespräch mit den «Schweizer Monatsheften»?… Wissen Sie was: Freiheit ist auch, nicht über Freiheit reden zu müssen. Aber ich seh’ schon, dann müsste der Rest der Seite leer bleiben. Hätte ja auch seinen Reiz…

Meine jüngste Freiheitserfahrung? Ich habe mich von meinem bisherigen Arbeitgeber, der UBS, getrennt. Ich war dort 14 Jahre lang beschäftigt, 12 Jahre davon als Chefökonom. Für mich waren das spannende Jahre, eine sehr interessante Aufgabe, viel Verantwortung und viel Prestige. Allein schon die Aufgabe, die Bank täglich nach aussen zu vertreten, hat bedeutet, dass ich mich mit dem Unternehmen sehr identifizieren musste. Eine Identifikation, die mir zunehmend schwerer gefallen ist. Eine Identifikation, die meine Unabhängigkeit stets mehr bedroht hat.

Unabhängigkeit aber war immer ein zentraler Wert für mich – in der Forschung frei zu sein; das zu untersuchen, was wichtig erscheint; und im Ergebnis unabhängig bleiben zu können. Die UBS war in dieser Hinsicht ein toller Arbeitgeber. Dennoch ist es eine Freiheitserfahrung, von dort weggegangen zu sein. Denn man kann nur frei sein, wenn man in der Lage ist, das, was man hat, aufzugeben. Emotional war das sehr schwierig, auch wegen der grossen Verbindung zu meinem Team, zu vielen guten Kollegen und zu unseren Kunden.

Meine grösste Freiheitserfahrung? Schwer zu sagen, vielleicht die Erkenntnis, dass ich nicht alles wissen muss. Und damit eng zusammenhängend, dass ich nicht alles besser wissen muss. Ich habe ständig Schwierigkeiten mit den normativ agierenden Kollegen, ich meine den Ökonomen, die uns fortwährend erklären, wie dies und das sein müsste. Der in Moralin getränkte Zeigefinger ist halt nicht mein Ding. Mich interessiert das Leben mehr als das Dogma. Einer der Leitsprüche unserer Beratungsfirma ist «Es ist wichtig, das Interessante vom Nützlichen zu unterscheiden». Wir sind Pragmatiker: truth is what works.

Sicher, das Nützliche kann auch interessant sein, aber das Interessante ist oft nicht nützlich. Es sind die praktischen Probleme, die uns beschäftigen. Es macht Spass, die Finanzmarkttheorien durchzurechnen, sich mit all den Paradoxien herumzuschlagen. Da ist viel Interessantes dabei. Aber es hilft nicht weiter. Die Menge des Wissens ist nicht entscheidend. In der Regel helfen einfache, kausale Zusammenhänge, hilft der Blick auf das, was schon lange Zeit funktioniert hat und was vermutlich auch weiter funktionieren wird, wenn die Rahmenbedingungen sich nicht dramatisch ändern. Wir beraten, indem wir den Grundsatz der «Feuerzangenbowle» anwenden: «Jetzt stellen wir uns mal janz dumm». Denn die meisten Fehler machen die Leute, die ein zu hohes Selbstvertrauen haben, die zuviel zu wissen glauben. Und doch ist grad diese übersteigerte Selbsteinschätzung eine conditio sine qua non, um Unternehmer oder Manager zu sein. Ich darf das sagen, ich bin jetzt ja selbst Unternehmer. Zu wissen, was man sicher nicht weiss, wird ein Wettbewerbsvorteil. Eben: ich bin überzeugt, sich die Freiheit zu nehmen, nicht schlauer zu tun als man ist, das macht auf Dauer den Unterschied.»

aufgezeichnet von Suzann-Viola Renninger

Klaus Wellershoff, geboren 1964, war bis 2009 Chefökonom der UBS. Er ist Gründer der Beratungsfirma Wellershoff & Partners.

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