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Transparenz ja – aber lieber bei den anderen!

Journalisten gehen mit anderen Mächtigen härter ins Gericht als mit sich selbst.
Und ja, den medialen Mainstream gibt es. Den Linksdrall ebenfalls. Eine Innensicht.

Transparenz schafft Vertrauen, heisst es. Wenn es ein Credo gibt, dem kein Journalist widersprechen würde, dann ist es die Forderung nach Öffentlichkeit: Behörden sollen ihre Akten offenlegen, Firmenchefs ihre Bezüge deklarieren und Parlamente ihr Abstimmungsverhalten elektronisch erfassen.

Weniger enthusiastisch ist die Branche, wenn es um Transparenz in eigener Sache geht. Verlässliche Zahlen stammen aus dem Jahre 2011. Damals veröffentlichte ein Diplomand der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften eine Bachelor-Arbeit zum Thema. Thomas Schlittler schrieb 54 Redaktionsleitungen der Deutschschweiz an und bat um die Erlaubnis, deren Belegschaft über ihre politische Orientierung zu befragen. Bei sechs Redaktionen scheiterte das Anliegen schon an den Chefs, die eine Teilnahme untersagten bzw. einfach nicht antworteten: Zum Beispiel bei «20 Minuten», der «Blick»-Gruppe und – besonders bemerkenswert – der 300köpfigen Informationsabteilung des damaligen Radios DRS. Schliesslich konnte Schlittler noch 1428 Fragebogen an 48 Redaktionen versenden.

Die Frage nach ihrer Haltung war dem grössten Teil meiner Berufskollegen offensichtlich zu intim. Trotz dem offensichtlichen Unwillen, sich in die Karten blicken zu lassen, konnte Schlittler am Schluss 343 Fragebögen auswerten. Das Ergebnis von links nach rechts: 30 Prozent für die SP, 14 für die Grünen, 18 für die Grünliberalen, 7 für die CVP, 14 für die FDP und 5 für die SVP. 13 Prozent der Befragten gaben keine Parteipräferenz an, obwohl diese Antwortmöglichkeit gar nicht vorgesehen war. Das ergibt ein deutliches Übergewicht von fast 44 Prozent für den linken politischen Pol, während der rechte Pol fünfmal schlechter repräsentiert ist als in der Bevölkerung. Die Mitte kommt auf 39 Prozent, wobei sich hier der Grossteil bei der GLP positioniert. Man muss kein besonders guter Kenner der Branche sein, um zu erkennen, dass die Resultate bei einer vollständigen Befragung noch viel deutlicher nach links tendiert hätten.

 

Geliebte Feindbilder

Das Interesse an politischer Transparenz ist bei linken Medienleuten verständlicherweise geringer, weil es unangenehme Diskussionen auslöst. Entsprechend dürftig war das Medienecho auf die Publikation der Arbeit. Nur gerade die «Berner Zeitung», der «Sonntag» und die «Weltwoche» publizierten die Resultate. Der Rest war Schweigen – und ein Kommentar im Berner «Bund», in dem der Chefredaktor die politische Ausrichtung von Journalisten für irrelevant erklärte, weil professionelle journalistische Arbeit sich nach hohen Standards jenseits der persönlichen Weltanschauung richte. Gerade der Erfolg der SVP sei der beste Beweis dafür, dass die Medien ohnehin geringen politischen Einfluss hätten.

Entweder will die Branche den Tatsachen nicht in die Augen sehen oder sie findet nichts dabei, dass sie einen grossen Teil ihres Publikums nicht ernst nimmt – Ueli Maurer hat also recht, wenn er im «Monat» sagt: «Die Journalisten schreiben an ihren Lesern vorbei.»1 Erstaunlich ist dies weniger im Falle der staatlichen Sender als im Falle der unabhängigen Abonnementszeitungen. Es wäre eines der wenigen Probleme, das die Redaktionen aus eigener Kraft lösen könnten. Aber lieber sieht man sich dort als Opfer von Online-Portalen und Gratiszeitungen, Spardruck und den angeblich geringen Ansprüchen des Publikums.

Die Wurzeln der Linkslastigkeit des Journalismus liegen in der jüngeren Mediengeschichte. Im westeuropäischen Raum und in den USA waren es ab den 1970er Jahren mit ihrem Watergate-Skandal hauptsächlich linke Journalisten, die in Opposition zum Staat die grossen politischen Themen setzten. Inzwischen sind die Zöglinge der einstigen Rebellen in Institutionen und Medien selbst an den Schaltstellen der Macht angekommen. Ihre Feindbilder sind dabei die alten geblieben. Die Seilschaften und die Art, wie der Einfluss verteidigt wird, haben sie freilich von den einstigen Gegnern übernommen.

Die Personalpolitik in den meisten Redaktionen funktioniert so, dass der Nachwuchs über persönliche Netzwerke rekrutiert wird. Eine Stelle wird frei. Das Ressort schlägt eine Kollegin vor, die ihm durch «gute Geschichten» aufgefallen ist. Unter «guten Geschichten» ist meist zu verstehen, dass man sich in der Einschätzung und der Gewichtung weitgehend einig ist. Gibt die Chefredaktion kein Gegensteuer, sind erschreckend homogene Teams das unumgängliche Ergebnis. Falls es überhaupt jemanden gibt, der sich in diesem Milieu für Atomkraft, für effektive Sparpolitik, für eine Begrenzung des Ausländeranteils oder für die Beschaffung eines neuen Kampfjets ausspricht, ist diese Person im besten Fall ein geduldeter Exot, meistens aber eine Persona non grata.

 

Qualität durch mehr Unabhängigkeit

Wie in anderen Berufen auch lebt ein grosser Teil der Medienleute in einem hochgradig selbstreferenziellen Umfeld, auch «Milieu» genannt. Nicht, wie manche konservative Politiker glauben, in linksextremen Wohngemeinschaften mit Verbindungen zur Terrorszene. Aber zu grossen Teilen in einem städtischen Milieu, in dem sich etwa auch das Personal von Universitäten, des öffentlichen Dienstes und der alternativen Szene bewegt.

Dagegen ist nichts einzuwenden. Das Problem liegt im Fehlen der anderen Sichtweise: jener von Gewerbetreibenden, Industrieangestellten, Bankmitarbeitern, Einfamilienhausbesitzern und Automobilisten, um nur einige Kategorien zu nennen, zu denen die meisten Medienschaffenden kaum mehr einen Bezug haben. Wenn Bundesrat Ueli Maurer den Medien «selbstverfügte Gleichschaltung» und «Einheitsbrei» vorhält, dann sagt er bloss laut, was in Wirtschaftskreisen, etlichen mittelständischen Agglomerationen und in ländlichen Gebieten längst der Wahrnehmung einer Mehrheit entspricht. Dabei ist es zweifellos nicht leichter geworden, dieses Manko zu beheben, seit der Grossteil der Neueinsteiger von den Universitäten kommt und bestenfalls einmal während des Sommersemesters in der realen Wirtschaft kurz sein Brot verdient hat.

Zwar sind auch die Medien – mit Ausnahme der SRG – private Unternehmen. Trotzdem verhalten sich Redaktionen wie öffentliche Verwaltungen. Der Grund dafür liegt in der Trennung von Redaktion und Anzeigenvermarktung. Sie ist auch absolut notwendig, weil sie zumindest bei den Bezahlmedien dafür sorgt, dass die Redaktion unabhängig von den kommerziellen Interessen der Werbekunden arbeitet. Die Kehrseite der Medaille ist freilich, dass den meisten politischen Journalisten der Sinn für wirtschaftliche Zusammenhänge völlig abgeht. Ihre einzige Chance, die Budgets zu halten, besteht wie bei jeder öffentlichen Verwaltung im Protestieren und Lamentieren.

Vielleicht ist dies einer der tieferliegenden Gründe dafür, dass unserer Zunft die Anliegen ausgabefreudiger Politiker in der Regel näher sind als jene der Steuerzahler, die den Spass berappen müssen. In der Praxis dürfte es aber vor allem die gelebte Nähe zu den Institutionen sein, die dafür sorgt, dass Journalisten der Bürokratie wohlgesinnt sind. Im Alltag sind die zahllosen Sprecher, Chefbeamten und Exekutivpolitiker unsere häufigsten Gesprächspartner. Das schafft Vertrautheit und eine gewisse Routine. In diesem Punkt bin ich einig mit Kurt Imhof, dass das Problem auch strukturelle Ursachen hat.2 Je knapper der Personalbestand in den Redaktionen, desto weniger Freiraum bleibt für die kritische Auseinandersetzung, desto unreflektierter wird auf vermeintlich populäre Themen gesetzt. Qualität hat ihren Preis. In meinem Verständnis wäre mehr Qualität aber mehr kritische Distanz zu den Institutionen und eine grössere Unabhängigkeit von deren Agenda.

Die politische Schlagseite unserer Branche hingegen hat meines Erachtens mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Branche wenig zu tun. Wenn schon, dann ist es eher umgekehrt.

 


1 René Scheu trifft Ueli Maurer: «Die Staatshasser sind zu Etatisten geworden». In: Schweizer Monat 1013, Februar 2014, S. 14–22.

2 Kurt Imhof: Anschwellender Einheitsbrei. In: Schweizer Monat 1013. Februar 2013. S. 24–25.

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