
Lesen Sie die Packungsbeilage: Frauenförderung kann rückwärtsgewandte Rollenbilder zementieren
Viele gut gemeinte Förderinitiativen zeichnen ein nachteiliges Frauenbild. Sogar in liberalen Kreisen fehlt die Vision der modernen, selbstbestimmten Frau.
Mit der längst überfälligen Individualbesteuerung soll die Heiratsstrafe abgeschafft und das Einkommen einer Person einzeln, also nicht das zusammengerechnete Einkommen von beiden Ehepartnern, besteuert werden. So nötig das Anliegen ist, so rückwärtsgewandt die Begründung des Initiativkomitees: «Durch die (oft unfreiwillige) Reduktion der Erwerbstätigkeit der Ehefrauen wird in vielen Fällen die Rolle des Vaters als Versorger zementiert», steht auf der Kampagnenwebseite, und weiter: «Viele gut ausgebildete Frauen bleiben nach der Geburt ihrer Kinder der Arbeit fern – auch aufgrund der Heiratsstrafe.» Das mag den gesellschaftlichen Realitäten entsprechen. Doch das Argument zementiert das Bild von notorisch benachteiligten Frauen, die es zu retten gilt.
Ein liberaler, visionärer Ansatz würde sich vielmehr auf Argumentationen richten, die beide Geschlechter oder Beteiligten einer Beziehung würdigen. Sie würden dahingehend lauten, dass in Familien nun endlich beide Ehepartner ohne steuerliche Einschränkungen arbeiten können oder die Kinderbetreuung für Familien dereguliert und niederschwelliger ausgestaltet werden müsste. Tausende junge Wählerinnen und potentielle Befürworterinnen der Initiative werden nun zu wissen glauben, dass sie im Arbeitsmarkt von Grund auf benachteiligt sind.
Schon vor rund zehn Jahren musste ich in einer FDP-Sektion erfahren, wie Frauenförderung teilweise wahrgenommen wird. Jemand erzählte mir von einer erfolgreichen politischen Idee. Demnach solle für Frauen, die ihr Leben lang im Betrieb des Mannes gearbeitet hätten, eine Art Fähigkeitszeugnis dafür ausgestellt werden, damit sie im Arbeitsmarkt nach der Scheidung wieder Anschluss fänden. Das Gespräch liess mich schockiert zurück. Irritiert war ich ferner von einem meiner ersten Wahlkampfanlässe einer FDP-Frauensektion: Diese fand in einem Kleidergeschäft statt und beschränkte sich auf die Frage, wie man sich als Frau in der Politik kleiden könne. Jungen Aspirantinnen wäre wohl viel eher damit gedient, den Zugang zu persönlichen, inhaltsrelevanten Wahlkampf- und Politikthemen zu erleichtern.
Spezialbetreuung für Frauen und Mädchen
Die Annahme, Frauen und Mädchen seien von Natur aus benachteiligt und hilfsbedürftig, findet sich auch in der Bezeichnung von diversen Studiengängen und Initiativen wieder. Anstatt beispielsweise von universitären Wiedereinstiegsprogrammen nach einer längeren Pause oder von MINT-Schnupperprogrammen an Schulen zu sprechen, findet man Studiengänge namens «Back-to-Business for Woman», MINT- und Coding-Programme explizit für Mädchen und weitere Bezeichnungen, die inhärent den Eindruck vermitteln, dass man als Frau oder Mädchen zwingend einer Spezialbetreuung bedarf, um in diese Sphären einzusteigen. Auch wenn solche Programme durchaus das Ziel verfolgen dürften, die entsprechenden Adressatinnen zu gewinnen, gilt es bei der Formulierung und Aufstellung der Programme nicht das Bild einer Benachteiligung weiter zu zementieren.
Mit dem Begriff «Female Leadership» beschreibt man einen Führungsstil, den offenbar nur Frauen ihr Eigen nennen dürfen. Dieser zeichne sich aus durch besondere emotionale Intelligenz, Transparenz, Inklusion und einen Fokus auf persönliches Wachstum der Mitarbeitenden. Was heute eigentlich eine «State of the Art»-Personalführung darstellt, sollte auch hier nicht mit rollenspezifischen Führungsqualitäten vermischt werden.
«Die Annahme, Frauen und Mädchen seien von Natur aus benachteiligt und hilfsbedürftig, findet sich auch in der Bezeichnung von diversen Studiengängen und Initiativen wieder.»
Beispiele für diese Zementierung von rückwärtsgewandten Rollenbildern findet man in der Politik und in der Berufswelt zahlreiche, auch in bürgerlichen, wirtschaftsnahen Kreisen. Vielen von uns ist die Kampagne «Frauen für die Bilateralen» von «stark + vernetzt» (Economiesuisse) aufgefallen. Nun gibt es viele gute Gründe für oder gegen ein neues Vertragspaket mit der EU. Dass jedoch gestandene weibliche Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft eine Kampagne ohne weitere inhaltliche Argumentation unterstützen, wirft Fragen auf: Hat man denn allein kraft seines Geschlechts als Frau eine besondere Betroffenheit? Mir scheint es nicht förderlich, die Eigenschaft «Frau» losgelöst von sachlichen Argumenten in einem Kampagnenvehikel zu verwenden.
Marilyn Monroe hat mit Fussball nichts zu tun
Während sich die Schweiz 2025 als Gastland auf die Fussball-EM der Frauen und dieses grosse Sportereignis freut, kursiert dazu im Vorfeld die Kampagne «Give a Girl the Right Shoes and She Can Conquer the World». Es handelt sich dabei um ein Zitat von Sexsymbol Marilyn Monroe, das von der offiziellen Host City Bern flächendeckend im öffentlichen Verkehr verbreitet wird. Was Monroe mit fussballerischen Qualitäten zu tun hat, erschliesst sich nicht. Dass der Event, die Professionalität und die sportliche Leistung der Spielerinnen dadurch ins Lächerliche gezogen werden, ist hingegen offensichtlich. Angemessen gewesen wäre eine Kampagne mit Fokus auf die fussballerische Leistung der Sportlerinnen; sie hätte die öffentliche Meinungsbildung zur Professionalität von Frauenfussball gestützt.
Die Frauenförderung in der breiten Gesellschaft muss überdacht werden. Es geht nicht darum, gesellschaftliche Realitäten zu leugnen, sondern zu realisieren, dass Förderbestrebungen oftmals rückwärtsgewandte Rollenbilder festigen können. In der Zwischenzeit bleibt nichts anderes übrig, als die inhärent beleidigenden Narrative, wonach Frauen besondere Hilfe und Unterstützung benötigten, weil sie von Natur aus benachteiligt seien, grosszügig zu ignorieren. Ob bei der Besetzung von Schlüsselpositionen darauf zu achten ist, auch Frauen zu rekrutieren? Ja, aber das müssen nicht alle rund um die Uhr wissen. Und schliesslich muss die Person ausgewählt werden, die für die Position am passendsten ist – unabhängig von ihrem Geschlecht.