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Der Täter wird gar nichts aufklären
Michael Bubendorf, zvg.

Der Täter wird gar nichts aufklären

Die Behörden sind zu einer selbstkritischen Rückschau auf die Coronazeit nicht bereit. Was bleibt, ist die persönliche, innere Aufarbeitung.

«Die Aufarbeitung ist notwendig, um dazuzulernen, aber auch um die Bevölkerung zu versöhnen.» Nicht nur Karl Lauterbach – von ihm stammt das Zitat – fordert eine Aufarbeitung der Coronazeit. Die identische Forderung wird auch aus Kreisen gestellt, die zur Verhältnismässigkeit der Coronamassnahmen eine ganz andere Haltung vertreten. So verlangten die «Freunde der Verfassung» 2023 mit der «Aufarbeitungsinitiative» eine behördliche Untersuchungskommission. Sie hätte prüfen sollen, ob PCR-Tests zuverlässig waren, ob asymptomatische Personen tatsächlich Viren übertragen konnten und ob die Bevölkerung ausreichend über die Impfung aufgeklärt wurde. Die Aufarbeitungsinitiative mussten die einst so sammelstarken Verfassungsfreunde als Petition der Regierung übergeben. Das Scheitern einer erzwungenen Staatsaufklärung der Coronazeit ist – das Wortspiel sei verziehen – symptomatisch.

Denn erstens ist eine behördliche Aufarbeitung der Coronakrise ungefähr so sinnvoll wie die Aufklärung eines Sexualdelikts durch den Vergewaltiger. Zweitens ist eine medizinische Aufarbeitung obsolet. Wir verfügen heute über belastbare Vergleichsdaten aus Schweden, wo keine Lockdowns verfügt wurden, Schulen für Kinder immer offen geblieben sind und keine landesweite Maskenpflicht eingeführt wurde. Schweden hatte mit 4,4 Prozent die niedrigste Übersterblichkeit der ganzen EU, während diese in der Schweiz etwa 9,4 Prozent betrug. Vergleiche mit freiheitlichen amerikanischen Bundesstaaten oder mit de facto anarchistischen Ländern Afrikas weisen in dieselbe Richtung. Angesichts des historischen Beweises, dass weniger Menschen starben, wenn weniger Zwangsmassnahmen verfügt wurden, bedarf auch der Umkehrschluss keiner theoretischen Überprüfungen mehr: Je mehr Zwang, desto mehr Tote. Der libertäre Grundsatz des Selbsteigentums hat sich auch in Pandemiezeiten als bester Kompass erwiesen.

«Eine behördliche Aufarbeitung der Coronakrise ist ungefähr so sinnvoll wie die Aufklärung eines Sexualdelikts durch den Vergewaltiger.»

«Die gesellschaftspolitische Aufarbeitung fehlt», beklagt Karl Lauterbach. Ihm ist ein zweites Mal beizupflichten. Viele von denen, die staatliche Zwangsmassnahmen als unrechtmässig wahrgenommen haben, sehen sich von der Gesellschaft entfremdet: Die Verbindung zu Menschen, die den Zwang unterstützten, und zu den Institutionen, die sie befehligten, hat Schaden genommen oder wurde zerstört. Der Wunsch nach einer Aufarbeitung bringt die Hoffnung auf Aussöhnung zum Ausdruck; es gibt eine Sehnsucht danach, zwar zu spät – aber immerhin doch noch! – wieder zusammenzufinden. Doch diese Hoffnung ist vergebens, auch weil eine der beiden Seiten kein Interesse hat, kritisch zurückzublicken.

In dieser Situation bleibt einzig eine innere Aufarbeitung – und die ist naturgemäss höchst individuell, weshalb ich nur für mich sprechen kann. Rückblickend denke ich, dass ich die emotionale Achterbahn nicht hätte mitfahren sollen. Dass ich meine Familie nicht monothematisch hätte belasten dürfen – sodass meine Kinder viel zu wenig Raum erhielten in einer für sie wichtigen Zeit. Ausserdem werde ich nie mehr zulassen, dass mir Angst die Lebensfreude raubt.

Nur eine winzige Minderheit interessiert sich für wahrhafte Freiheit in dieser unfreien Welt. Während der Kollektivismus weiter an Stärke gewinnt und die Errungenschaften unserer Zivilisation zunehmend erodiert, werde ich im Aussen weiterhin mit grundlosem Optimismus für die Freiheit streiten, die in den inneren Welten zum Glück jederzeit zugänglich ist. In diesem Sinne und aus aktuellem Anlass ein letztes Mal, Herr Lauterbach: «Der Sommer wird gut werden.»

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Anders Tegnell, zvg.
«Es ist erstaunlich, wie leicht es war, die Massnahmen
einzuführen – und wie
unglaublich schwierig, sie
wieder aufzuheben»

Die Eigenverantwortung spielte bei der Bewältigung der Pandemie eine entscheidende Rolle, sagt Schwedens früherer Chefepidemiologe Anders Tegnell. Der schwedische Ansatz erwies sich nicht nur als wirksam, sondern stärkte auch das Vertrauen der Bevölkerung.

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