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Das Leben eines Bären
Alexander Solloch: Harry Rowohlt. Ein freies Leben. Kein & Aber, 2025.

Das Leben eines Bären

Zum achtzigsten Geburtstag von Harry Rowohlt erscheint eine neue Biografie des Individualisten und Sprachkünstlers.

Als Peter Haag 1997 den Zürcher Verlag Kein & Aber gründete, war das von Harry Rowohlt übersetzte und gelesene Hörbuch «Pu der Bär» eine seiner ersten Publikationen – es ist bis heute das erfolgreichste Hörbuch des Verlags. Da in den Folgejahren Rowohlts Bücher, Übersetzungen und Lesungen fester Bestandteil des Kein & Aber-Programms blieben, überrascht es nicht, dass nun, zu Harry Rowohlts achtzigstem Geburtstag, Alexander Sollochs neue Biografie ebenda erschienen ist.

Der Untertitel des Buches «Ein freies Leben» ist treffend gewählt. Geboren in den letzten Kriegswochen als jüngster Sohn des Verlagsgründers Ernst Rowohlt, erbte Harry nicht nur die Hälfte des väterlichen Verlags, sondern wuchs auch mit der Erwartung auf, er würde beizeiten die Verlagsführung von seinem fast vier Jahrzehnte älteren Halbbruder Heinrich Maria Ledig-Rowohlt übernehmen. Es wurde ein langer, schwerer Entscheidungsprozess, den schliesslich Harrys Freiheitsdrang für sich entschied. Er wurde nie Verleger, doch der Literatur blieb er treu.

Harrys Erzählkunst, festgehalten zum Beispiel in seiner autobiografischen Erzählung «In Schlucken-zwei-Spechte», der Pointen wichtiger waren als Faktentreue, war Freunden gleichsam bekannt wie von ihnen geschätzt. Der Verlegersohn wurde in Literaturkreisen zunächst bekannt als belesenes, sprachgewandtes Original mit langem Bart, wuschigem Haar und warmer Baritonstimme, der wunderbare Übersetzungen von Büchern produzierte, die als nicht oder schwer übersetzbar galten. Der breiteren Öffentlichkeit wurde er später als «Zeit»-Kolumnist, Marathon-Vorleser und als «Penner Harry» in der ARD-Soap «Lindenstrasse» bekannt. Er war ein Sprachakrobat, Alt-68er, ein Gerne-Raucher-und-Trinker und immer kompromisslos er selbst.

Sollochs Buch ist sowohl das Produkt einer langen Faszination mit Rowohlt wie auch von zahllosen neuen Quellen, Interviews und der generellen Akribie seines Autors. Sollochs Stil spielt hier und da mit rowohltesken Formulierungen, bleibt aber, ganz anders als Harry selbst, in seiner Struktur etwas akademisch brav. Dennoch gewährt es tiefe Einblicke in ein freies, reiches Leben, das neben Harry Rowohlts Büchern und Lesungen als sein wichtigstes Vermächtnis gelten muss. Seinem nahen Krebstod 2015 sah der Sprach- und Lebenskünstler gleichmütig entgegen: «Wenn’s kommt, dann kommt’s. (…) Es war eine tolle Zeit.»

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