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YOLO – die Bürger lernen von den Politikern

YOLO – die Bürger lernen von den Politikern
Bild: Freepik.

Das deutliche Ja zur Initiative für eine 13. AHV-Rente ist ein Votum des Zeitgeists. Eines Zeitgeists, der zwar gerne von Verzicht und Nachhaltigkeit spricht – nur nicht, wenn es um einen selbst geht. Eines Zeitgeists, der die eigenen Ansprüche über alles stellt und keinen Gedanken an die langfristigen Kosten verschwendet. Oder wie es in der Jugendsprache heisst: YOLO – You only live once.

Eine klare Mehrheit von 60 Prozent der unter 35-Jährigen hat gemäss Tamedia-Nachbefragung die 13. AHV-Rente verworfen. Sie wurde allerdings von einer noch klareren Mehrheit von fast 80 Prozent der über 65-Jährigen überstimmt, die Ja sagten zum Rentenbonus. Der vielgerühmte Generationenvertrag verkommt zum Knebelvertrag. Obwohl die über 65-Jährigen bereits heute die reichste Altersgruppe sind und über 90 Prozent der Bevölkerung mehr aus der AHV bezieht, als sie einzahlt.

Und wer will es den Senioren verübeln, dass sie sich einen Zustupf gönnen? Haben uns die Politiker in den letzten Jahren nicht gelehrt, dass eigentlich für alles Geld da ist, dass Schulden praktisch gratis sind?

Die Finanzkrise bekämpften die Notenbanken, indem sie massiv Geld druckten. In der Coronakrise öffneten sie dann kurzzeitig alle Schleusen. Die UBS wurde 2008 vom Staat mit 66 Milliarden Franken gestützt. Bei der Übernahme der Credit Suisse 2023 erhielt sie Garantien von weit über 200 Milliarden Franken. In so einer Situation wirkt der Appell einiger wohlsituierter alt Bundesräte, die in einem Brief «mit ernster Besorgnis» vor dem AHV-Ausbau warnten, reichlich unglaubwürdig.

Auch sonst sitzt der Franken in Bundesbern recht locker. Schon ohne 13. AHV-Rente lebt der Staat über seine Verhältnisse. Keine Ausgabe scheint zu gross, als dass sich im Bundeshaushalt dafür kein Geld finden würde. Eine kleine Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Das jährliche Armeebudget soll um 4,5 Milliarden Franken aufgestockt werden. Das hat das Parlament in der Wintersession entschieden.
  • 5,3 Milliarden Franken gibt’s für den Ausbau der Autobahnen.
  • Die Ausgaben im Asylbereich sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen – von 1,6 Milliarden Franken 2021 auf 3,4 Milliarden Franken im vergangenen Jahr. Beim Budget für das laufende Jahr konnte der Bund die Schuldenbremse nur einhalten, weil man 1,2 Milliarden Franken für die Ukraine-Flüchtlinge als «ausserordentliche Ausgaben» verbuchte. Ein plumper Trick, können doch solche Kosten zwei Jahre nach Kriegsbeginn kaum mehr als «unvorhergesehen» betrachtet werden.
  • Zusätzlich zu den Ausgaben für die Geflüchteten unterstützt der Bund die Ukraine mit humanitärer Hilfe sowie Wiederaufbauhilfe. Für Letztere flossen bisher rund 300 Millionen Franken. Ab kommendem Jahr sollen nach dem Willen des Bundesrats weitere 6 Milliarden Franken über zehn Jahre in die Ukraine fliessen. Das Parlament berät diese Woche darüber.
  • Der Bundesbeitrag an die AHV steigt bis 2035 gemäss den Prognosen des Bundes um etwa 5 Milliarden Franken, wobei die 13. Rente hier noch nicht einmal mitgerechnet ist. Diese kostet bereits bei ihrer Einführung 2026 über 4 Milliarden Franken pro Jahr – mit steigender Tendenz. Wie sie finanziert wird, ist offen.

Bereits heute besteht in der AHV eine Finanzierungslücke – die Differenz zwischen Einnahmen und Rentenversprechen – von über 600 Milliarden Franken, also fast 90 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der Schweiz. Decken werden sie die kommenden Generationen müssen.

Die YOLO-Mentalität in der Politik spiegelt eine Haltung, die in der Gesellschaft zunehmend verbreitet ist. Wir leben länger und beziehen mehr Rente, sind aber unter keinen Umständen bereit, dafür länger zu arbeiten. So bequem diese Haltung ist, prallt sie irgendwann doch auf die Realität.

Aber das braucht uns heute noch nicht zu kümmern. «Dörfs no es bitzeli meh si?», fragt der Staat. «Gerne», antworten die Bürger. «Schicken Sie die Rechnung dann einfach unseren Kindern.»

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