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Mike Müller und Andreas Thiel, fotografiert von Selina Seiler.

«Die Diskussion hätte offener sein sollen»

Nicht nur bei Corona vertreten Mike Müller und Andreas Thiel sehr unterschiedliche Positionen. Einig sind sie sich darin, dass Humor die Toleranz fördere.

 

Mike Müller, du hast zunächst gezögert mit der Zusage für dieses Gespräch. Warum hast du dich schliesslich doch dazu bereit erklärt?

Müller: Mein Einwand war, dass ihr beim «Schweizer Monat» zum Teil mit Verschwörungstheoretikern kutschiert. Das sind Antidemokraten, mit solchen Leuten rede ich nicht über Toleranz.

 

Mit Andreas Thiel schon?

Müller: Eher.

 

Andreas, gibt es Leute, mit denen du kein Gespräch führen würdest?

Thiel: Nein.

 

Warum?

Thiel: Warum sollte ich nicht?

 

Weil mit gewissen Leuten kein fruchtbares Gespräch möglich ist?

Thiel: Es gibt Leute, mit denen ich schlechte Erfahrungen gemacht habe. Da ich eine angeborene Prosopagnosie habe, d.h. selbst engste Familienmitglieder nicht spontan wiedererkenne, passiert es aber oft, dass ich mit jemandem rede und erst während des Gesprächs merke, wer das ist. Und dann ist es schon zu spät. Insofern bin ich unfreiwillig sogar toleranter, als ich es sowieso schon bin.

 

Toleranz kommt vom lateinischen «tolerare», was so viel bedeutet wie «ertragen» oder «erdulden». Was fällt euch schwer zu erdulden?

Müller: Begriffsgeschichtlich wurde Toleranz oft im Zusammenhang mit Religion verwendet. Es gibt Religionen, die nichts neben sich dulden. Das erdulde ich relativ schlecht. Wir haben in der Schweiz gelernt, mit der christlichen Religion einigermassen gut zu leben, weil man sie auch massiv eingeschränkt hat. Man denke daran, dass in den 1950er-Jahren die Pfarrer im Wallis noch bestimmten, wer wen heiratet. Das ist heute nicht mehr möglich, weil wir das nicht mehr erdulden. Mühe habe ich heute mit apodiktischen Islamisten oder apodiktischen fundamentalistischen Christen. In der Schweiz spielen die heute aber keine grosse Rolle.

Thiel: «Tolerare» bedeutet sowohl dulden als auch erdulden. Als freier Mensch kann ich Dinge, die ich nicht akzeptiere, trotzdem dulden. Wenn ich hingegen keine Wahl habe, muss ich sie erdulden.

 

Gibt es für dich etwas, was man nicht dulden kann oder darf?

Thiel: Willkürliche Eingriffe in Leben, Familie und Eigentum darf eine freie Gesellschaft nicht dulden.

Müller: Wir dulden das schon, aber wir übergeben das Gewaltmonopol dem Staat.

Thiel: Stimmt. Das führt wiederum dazu, dass man willkürliche Eingriffe vonseiten des Staats erdulden muss.

 

Wann habt ihr das letzte Mal Intoleranz erfahren?

Müller: Wenn man sich als Komiker äussert, bekommt man es mit Intoleranz zu tun, das ist völlig klar. Die «Cancel Culture» wurde nun auch von den dummen Linken entdeckt; bei den dummen Rechten gibt es sie ja schon recht lange. Vorstellungen zu verhindern versuchen ist eine Form von Intoleranz.

Mike Müller, fotografiert von Selina Seiler.

Hast du das schon erlebt?

Müller: Das ist mein täglich’ Brot. Das grosse Glück ist, dass Cancel Culture ein Mittel der Dummen ist. Und die Dummen sind nicht wahnsinnig erfolgreich. Die Gesellschaft muss darauf achten, dass die Dummen nicht erfolgreich werden; das ist eigentlich ein guter Leitfaden.

«Die Gesellschaft muss darauf achten, dass die Dummen nicht erfolgreich werden.»

 

Bei dir, Andreas, waren die Anhänger der Cancel Culture erfolgreicher.

Thiel: Ich werde regelmässig boykottiert. Bei unseren Filmproduktionen zum Beispiel sind wir mit einem grossflächigen Boykott der Schweizer Filmszene konfrontiert. Mir wird ganz offen gesagt: «Mit jemandem wie dir arbeiten wir nicht zusammen.» Wir besetzen die entsprechenden Posten dann mit Ausländern.

Müller: Das ist doch kein Boykott. Ich arbeite mit vielen Leuten nicht zusammen, aber ich würde nie sagen, das sei ein Boykott.

Thiel: Doch, es ist ein klarer Boykott. Die Leute, die eine Zusammenarbeit ablehnen, sagen mir, man habe sich in der Szene darauf abgesprochen.

 

Sind Schweizer Kulturschaffende intolerant?

Thiel: Intoleranz ist in jeder Gesellschaft gleich weit verbreitet, egal ob man Rumänien, Nordkorea, die Schweiz, die UBS oder den WWF betrachtet. Der Anteil an intoleranten Menschen ist überall gleich, genauso wie der Anteil an unehrlichen oder humorlosen Menschen.

Andreas Thiel, fotografiert von Selina Seiler.

Da würde ich widersprechen. Das würde ja heissen, dass es keine Aufklärung oder gesellschaftlichen Fortschritt geben kann, der zu mehr Toleranz führt.

Thiel: Im Grossen und Ganzen ist das so. Den Homo sapiens gibt es seit etwa 100 000 Jahren. Mir scheint, dass er sich bis jetzt noch nicht sehr weit entwickelt hat.

Müller: Du kannst nicht alle Länder oder Gruppen über einen Kamm scheren. Was ist zum Beispiel mit den Unterschieden bei Bildungsstand oder Geschichte? Du machst gerne etymologische Erklärungen, aber Geschichte interessiert dich nicht. Dabei gibt es doch riesige Unterschiede zwischen den Gesellschaften. Japan, das sehr lange isoliert war, war zum Beispiel sexuell sehr tolerant, viel toleranter als christliche Gesellschaften, ganz zu schweigen von islamischen – wobei es auch dort riesige Unterschiede gibt. Siehst du keine Unterschiede zwischen Ländern?

Thiel: Zwischen Systemen vielleicht, aber nicht zwischen den Menschen. Der Anteil an anständigen und unanständigen Menschen ist in allen Gesellschaften ähnlich hoch. In einem totalitären System sind die Auswirkungen von unanständigen Menschen aber verheerender. Erstens, weil die unanständigsten an der Macht sind. Zweitens, weil die mittelmässig unanständigen viel Schaden anrichten, indem sie zu Denunzianten werden, um sich selber besserzustellen.

«Der Anteil an anständigen und unanständigen Menschen ist in allen

Gesellschaften ähnlich hoch. In einem totalitären System sind die

Auswirkungen von unanständigen Menschen aber verheerender.»

 

Was oder wer intolerant ist, hängt immer auch davon ab, wen man fragt. Du hast 2014 mit einem «Weltwoche»-Artikel über den Koran für viel Aufregung gesorgt. Manche warfen dir Intoleranz vor.

Thiel: Die Lehre des Korans akzeptiere ich nicht; sie ist gewaltverherrlichend. Aber ich toleriere jeden Muslim, der das anders sieht. Meine Toleranz hört bei der Anwendung von Gewalt auf. Die meisten meiner muslimischen Freunde akzeptieren zwar meine Meinung über den Koran nicht, tolerieren aber, dass ich diese habe. Andere werden übergriffig, bespucken oder bedrohen mich. Und dann gibt es jene, die mich boykottieren. Das habe ich bei sehr vielen Theatern erlebt.

«Die Lehre des Korans akzeptiere ich nicht; sie ist gewaltverherrlichend. Aber ich toleriere jeden Muslim, der das anders sieht.»

 

Mike, ihr habt Andreas damals in eurer Sendung «Giacobbo/Müller» eine Plattform für eine satirische Entschuldigung geboten.

Müller: Wir waren der Ansicht, dass jede Verhärtung schlecht sei. Man muss mit dem Thema offen umgehen. Du warst damals auch nicht sehr tolerant gegenüber anderen Meinungen zu dem «Weltwoche»-Artikel, Ändu. Es gab Islamwissenschafter, die den Text verrissen haben – da hast du eher aggressiv reagiert.

Thiel: Ich habe nie aggressiv reagiert, und kein Islamwissenschafter hat den Inhalt meines Essays je widerlegt.

Müller: Weisst du, Ändu, viele Theater lehnen dich nicht wegen deiner Koran-Aussagen ab.

Thiel: Warum dann? Wegen meines Aussehens? (lacht)

Müller: Nein, weil du gegen Subventionen bist. Wenn du gegen Subventionen bist und in subventionierten Theatern auftreten möchtest, ist das eine schwierige Situation.

Thiel: Ich war schon immer gegen Subventionen. Das war zwanzig Jahre lang kein Problem.

Müller: Warum hast du nicht längst dein eigenes Business aufgezogen? Warum machst du nicht eigene Veranstaltungen, wie es andere tun? Dann wärst du unabhängig. Ich finde, du stellst dich ein bisschen als Opfer dar.

Thiel: Ich bin Künstler und nicht Veranstalter. Ich grenze die Veranstalter nicht aus, die können machen, was sie wollen. Ich arbeite mit jedem zusammen und frage nicht, ob sie subventioniert sind oder nicht. Das wäre totalitär.

Müller: Nein, totalitär ist etwas ganz anderes. Über deinen Totalitarismusbegriff möchte ich wirklich nicht diskutieren. Mich hast du ja auch einmal als totalitär bezeichnet.

Thiel: Wirklich?

Müller: Ja, du hast in einem Video deine Satirikerkollegen als totalitär bezeichnet.

Thiel: Und du hast dich angesprochen gefühlt.

Müller: Das Problem bei dir ist, dass du ständig Begriffe benutzt und dich nicht für die Geschichte interessierst. Frag mal einen Historiker – vielleicht nicht deine Kollegen bei der «Weltwoche», das sind nicht gerade die besten (lacht). Zurück zum Thema: Wenn du ein Theater mietest, dort auftrittst oder eine Veranstaltung durchführst, hat das nichts mit anderen zu tun. Du musst kein Theater gründen und subventionierte Künstler engagieren. Abgesehen davon sind die allermeisten Komiker nicht subventioniert.

Thiel: Ich kenne keinen …

Müller: Doch, mich zum Beispiel!

Thiel: Bist du sicher? Hast du in deinen Programmen keine Zuschüsse, zum Beispiel von irgendwelchen Kulturfonds?

Müller: Die wären drauf auf meinen Plakaten.

Thiel: Grossartig! Ich bin begeistert.

Müller: Das ist die Normalität.

Thiel: Ich bin gegen Kultursubventionen, deshalb beziehe ich selbst keine. Aber ich zwinge niemandem meine Haltung auf. Wenn ich mit Leuten zusammenarbeite, ist es mir egal, welche Haltung oder welche Religion sie haben. Allerdings scheinen viele nicht mehr fähig, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die eine andere Meinung haben. Das ist totalitär.

Müller: Dein Totalitarismusbegriff ist – tut mir leid – für Kindergärtner. Du musst wirklich einmal ein Buch lesen. Die osteuropäischen Diktaturen oder die Nazidiktatur waren totalitär, China mag totalitär sein.

 

Mike, du hast in einem Interview gesagt, dass der Ton in den sozialen Medien «schamloser und rechthaberischer geworden» sei. Woran liegt das?

Müller: Social Media und Onlinemedien haben die Empörungswirtschaft wahnsinnig angeheizt. Wir haben in der Schweiz eine gewisse Boulevardisierung erlebt. Komischerweise jedoch nicht seitens der Ringier-Medien, sondern seitens rechter und rechtsextremer Medien, welche die Empörung bewirtschaften. Gleichzeitig werden die Social Media von irgendwelchen Algorithmen gesteuert, die wir nicht beeinflussen können. Es haben sich Blasen gebildet. Während der Pandemie sind die Leute vermutlich ein bisschen einsam geworden und haben etwas übertrieben.

 

Aber du bist selber Teil der sozialen Medien und vielleicht der Empörungswirtschaft. 2021 hast du in einem Tweet geschrieben: «Ist der Freiheitsverlust, den wir dank den Skeptiker-Idioten hinnehmen müssen, eigentlich durch die Verfassung abgesichert? Frage für ein ungeimpftes Arschloch.» Du trägst deinen Teil zur Verrohung bei …

Müller: Den Tweet habe ich während einer Demonstration in Bern geschrieben, als Besucher meiner Vorstellung beschimpft und beleidigt wurden. Ich habe Gewalt- und Todesdrohungen erhalten. Ich fand, dass jene, die für Grundrechte demonstrieren, diese Grundrechte jedoch systematisch verletzen, doof sind. Und das habe ich sehr deutlich gesagt. Natürlich sind die Social Media dazu da, zu verkürzen, zu sticheln und Blödsinn anzuzetteln. Aber ich habe noch niemandem mit Gewalt oder dem Tod gedroht.

 

Okay, aber fördern solche Tweets einen konstruktiven Diskurs?

Müller: Wahnsinnig konstruktiv sind sie wohl nicht. Aber schau dir mal die Leute an diesen Demonstrationen an. Ändu, du bist ja zum Teil mit denen mitgelaufen.

Thiel: Das sind ganz normale Leute, ein Querschnitt der Gesellschaft.

Müller: Ausser dass Polizeischutz notwendig wurde wegen ihnen. Das regt mich schon ein bisschen auf, ganz ehrlich. Du bist zu einer Demo nach Winterthur gekommen. Die Polizei kam zum Casinotheater und wollte wissen, wie wir die Hütte sichern. Du tust immer so, als wären das alles friedliche, nette Menschen. Ich erlebte sie als gewaltbereites Pack.

Thiel: Es waren die Gegendemonstrationen der Antifa, welche ein erhöhtes Polizeiaufgebot nötig machten.

Müller: Das ist eine Verharmlosung, aber das musst du wissen …

 

Ihr habt bei Corona sehr unterschiedliche Meinungen vertreten. Warum hat das Thema so polarisiert?

Müller: Die Pandemie war sehr einschneidend. Die Massnahmen waren hart, es wurden auch Grundrechte von den Menschen eingeschränkt. Dass das die Leute beschäftigt, verwundert mich nicht. Ich glaube, es gab schon immer sehr viele Leute, die ein Problem mit dem Staat haben. Und die sich nicht gefallen lassen, was der Staat von ihnen verlangt.

 

Zum Beispiel Andreas?

Thiel: Genau. Wenn der Staat zum Beispiel meine Kinder zu Hause einsperren will, dann toleriere ich das nicht. Als die Schule schloss, bekamen wir von der Schulbehörde Zeichenblätter nach Hause geschickt. Darauf waren Regenbogen zum Ausmalen. Darunter stand: «Wir bleiben zu Hause.» Kinder durften nicht mehr mit anderen Kindern spielen, nicht einmal im Wald. Die Spielplätze waren mit Gitter und Trassierband abgesperrt. Das ist ein Bild von Totalitarismus.

Müller: Du hast keine Ahnung von Totalitarismus.

 

Gibt es etwas, bei dem ihr im Nachhinein sagt: Da bin ich vielleicht zu weit gegangen?

Thiel: Nein. Wir mussten recht viel erdulden. Als ungeimpfte Familie war es uns verboten, Zoo, Museen oder Restaurants zu betreten. Die gesellschaftliche Ausgrenzung war besonders für die Kinder hart.

Müller: Ich weiss nicht, was ich in dieser Zeit falsch gemacht hätte. Ich habe mich so gut wie möglich an die Massnahmen gehalten und versucht, mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln ein öffentliches Leben oder einen Austausch mit anderen aufrechtzuerhalten. Übrigens stand ich recht vielen Massnahmen kritisch gegenüber, obwohl man mir das Gegenteil unterstellt.

 

Was ist mit der Intoleranz, die Ungeimpfte teilweise erfuhren?

Müller: Ich war nie intolerant gegenüber Ungeimpften. Ich hatte immer mit Ungeimpften zu tun, sowohl privat als auch beruflich. Viele hegen einen grundsätzlichen Groll gegen den Staat. Es ist eine gewisse querulatorische Grundhaltung sichtbar geworden, obwohl in der Schweiz die Massnahmen viel schwächer waren als anderswo. Was ich schade finde, ist, dass das Ganze so politisch besetzt wurde. Die Diskussion hätte offener sein sollen. Sie sollte auch jetzt offener sein. Ich nehme mir natürlich das Recht heraus, dumme Sprüche zu machen. Wenn ich das nicht mehr machen darf, dann leben wir in einem totalitären System.

Thiel: Ah, das findest du also totalitär. Da bin ich total einig mit dir. Natürlich darfst du Sprüche machen, so viel du möchtest. Bloss ist es undifferenziert, wenn du pauschal die heterogene Menge der Massnahmenkritiker verunglimpfst.

Müller: Es gab aber Esoteriker darunter, genauso wie Neonazis oder homophobe SVPler, ja oder nein?

Thiel: Der Anteil an homophoben Neonazis oder SVPlern ist, glaube ich, bei Geimpften und Ungeimpften gleich gross.

Müller: Eine der Demonstrationen, an denen du aufgetreten bist, wurde von einem homophoben SVPler organisiert.

Thiel: «Homophober SVPler» – das sagt weniger aus über diesen Menschen als über dich.

Müller: Spinnst du eigentlich?

Thiel: Es sagt viel aus über deine Vorurteile und Feindbilder.

«Ich war nie intolerant gegenüber Ungeimpften.»

 

Dir ist also egal, wer eine Demo organisiert?

Thiel: Die Meinung anderer Menschen ist mir egal, solange sie keine Gewalt anwenden.

Müller: Krass.

Thiel: Du bist vielleicht ein Opfer der Mengenlehre in der Schule. Du pickst Attribute heraus, die dir nicht passen, und reduzierst Menschen auf diese Attribute: SVP, Esoteriker, homophob. Wobei du jeden als homophob bezeichnest, der Homosexualität nicht offen verherrlicht. Menschen auf ein Attribut zu reduzieren, ist gemäss der Antirassismusstrafnorm Rassismus.

Müller: Ach, Jesus Christ … (seufzt)

«Du bist vielleicht ein Opfer der Mengenlehre in der Schule. Du pickst

Attribute heraus, die dir nicht passen, und reduzierst Menschen auf diese Attribute: SVP, Esoteriker, homophob.»

 

Wenn du dich über Totalitäre oder Subventionierte beschwerst, dann pickst du auch ein Attribut heraus und reduzierst Personen auf dieses Attribut, Andreas.

Thiel: Totalitarismus ist tatsächlich etwas, was ich bekämpfe. Totalitarismus ist kein Attribut, sondern eine alles erfassende Ideologie, die Menschen auf ein Attribut reduziert.

Müller: Verwende doch besser deutsche Wörter. Ich glaube, Fremdwörter sind nicht so deine Sache.

 

Fördert Humor Toleranz?

Müller: Ja.

Thiel: Definitiv. Wobei: Wir sind Humoristen. Dass jemand ein Humorist ist, heisst noch lange nicht, dass er Humor hat.

Müller: Es heisst auch nicht, dass er tolerant ist (lacht). Unbestritten ist, dass die Abwesenheit von Humor ein Merkmal von Diktaturen ist. In China kannst du keine Witze über Uiguren machen. Humor ist Ausdruck einer offenen Gesellschaft.

Thiel: Ja. Humorlosigkeit geht Hand in Hand mit Intoleranz.

Müller: Das ist auch ein Problem, das in der Pandemie zum Ausdruck gekommen ist: Man hat keinen Humor mehr ausgehalten. Politiker auf der rechten wie auf der linken Seite sagten zu Komikern: Sei auf der Bühne lustig, aber halt daneben die Schnauze! Das konnte ich gar nicht leiden – da gebe ich saufrech zurück.

Thiel: Humor bedeutet emotionale Distanz: Man nimmt Sachen, die einen potentiell frustrieren, wütend oder depressiv machen, einfach hin und macht Sprüche darüber. Derzeit haben wir es mit einem grossen Anteil von humorlosen Menschen in der Gesellschaft zu tun. Unsere Aufgabe als Humoristen ist, die Humorlosen zum Lachen zu bringen, ich würde sogar sagen: zum Lachen zu zwingen.

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