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Nacht des Monats  mit Roman Candio
Roman Candio, fotografiert von Vojin Saša Vukadinović.

Nacht des Monats
mit Roman Candio

Vojin Saša Vukadinović frönt mit Roman Candio der Farbenfreude.

Mit einem Bild grösseren Formats unter dem Arm, das etwas mühsam zu halten ist, tritt Roman Candio durch die Tür des Kunstmuseums Solothurn. Dort wird gerade sein Lebenswerk mit einer Ausstellung gewürdigt, und dass er eine seiner Arbeiten selbst vorbeibringt, ist nicht so selbstverständlich, wie es klingt – schliesslich feierte der Maler diesen Januar seinen 88. Geburtstag. «Was ich machen kann, das mache ich», sagt er gelassen, während wir die prächtige Treppe des Gebäudes hinaufsteigen, um in den ersten Stock zu gelangen.

Candio wurde 1935 in Murgenthal im Kanton Aargau geboren, wuchs allerdings in Fulenbach auf und lebt seit 1961 in Solothurn, wo er sich zunächst am Lehrerseminar ausbilden liess und dabei Zimmernachbar von Peter Bichsel war, wie er beiläufig berichtet. Heute ist sein Werk in der gesamten Deutschschweiz präsent. Denn seine farbenfrohen Arbeiten waren in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur in Dutzenden Einzelausstellungen zu sehen, sondern zieren von Solothurn über Schaffhausen bis nach Scuol Schulhäuser, Gemeindeverwaltungen, Personalrestaurants, Alters- und Pflegeheime, Mehrzweckgebäude sowie Bildungszentren – und etliche sakrale Bauten, katholische wie reformierte. Insbesondere seine bunten Fenstergläser dürften zahlreichen Schweizern vertraut sein, wiewohl diese nicht sofort als Kunstwerke ins Auge springen, da sie an andächtigen Orten für Besinnlichkeit sorgen und folglich unaufdringlich gehalten sind, zumal es nicht seine Aufgabe sei, eine Vorstellung von Gott in ein Bild zu bannen. «Die Gottesbilder, die in den Köpfen herumschwirren, zeugen von wahnsinnigen Unterschieden zwischen den Menschen», erläutert Candio. Und als christlichen Künstler würde er sich ohnehin nicht bezeichnen.

Die beiden Räume im Kunstmuseum Solothurn, in denen die von Roswitha Schild kuratierte Schau zu sehen ist, dokumentieren das Œuvre des Malers von seinen abstrakten Anfängen – Kompositionen, die im Vergleich zu dem, was später kam, geradezu streng wirken – über die Zuwendung zur Pop-Art und zu naturhaften Bildmotiven, für die er «keine Erklärung» habe, bis zur Gegenwart. Im kleineren der beiden Räume läuft ein Film über seine Arbeiten an öffentlichen Gebäuden und in Privathäusern. Er kann zu jedem Werk, das über den Bildschirm flimmert, einiges erzählen. Nach seinen Kriterien für die Auswahl von Auftragsarbeiten gefragt, erklärt er: «Ich bin eigentlich Egoist. Es muss für mich stimmen.»

Das tönt weitaus abweisender, als Candio ist. Er wird im Museum sofort von einem Paar aus dem Thurgau erkannt, das seine dortigen Arbeiten kennt. Später bittet ihn eine Besuchergruppe um ein Foto. Er fühlt sich keineswegs unwohl dabei, angesprochen zu werden, gibt den Interessierten gern und ausführlich Auskunft über sein Schaffen.

Wir spazieren zu Candios Wohnung, die nicht weit vom Kunstmuseum gelegen ist. Sie dient zugleich als Atelier und macht den Eindruck aneinandergehängter Zugwaggons, weil man in ihr längs von einem Raum in den nächsten hineinschreitet, was sich angeblich auch bei ihm niederschlägt. «Bei mir ist ständig etwas in Bewegung», sagt er, «vielleicht wie bei einem Gletscher! Nur gibt es bei mir nicht so viele Schichten.» Dem darf widersprochen werden, zumal schon die Collagen des Künstlers aus den 1960er-Jahren das Gegenteil beweisen. Aufeinandergelegtes und Aufeinandergeklebtes machte ihm damals merklich Spass, und dabei handelt es sich, um im Bild zu bleiben, lediglich um eine Schicht in einem umfangreichen Gesamtwerk.

Auch seine Arbeitsräume wirken verspielt. Tausende Arbeiten dürften sich hier finden, und jede einzelne, die Candio aus dem Regal zieht, vermag er nicht nur zeitlich einzuordnen, sondern auch mit einer Anekdote zu versehen. Zu entdecken gibt es hier neben kleinformatigen Bildern auch buntbemalte Tücher oder kleine Modellbauten, an denen erprobt wird, was später beispielsweise die Betonwände von Schulgebäuden zieren soll. An Vielschichtigkeit mangelt es also keineswegs.

Wir treten zur Verabschiedung hinaus. Es ist schon dunkel, und Candio zeigt mir noch die Feigenbäume, die vor seinem Haus stehen und an denen er sich täglich erfreut. «Ciao!», sagt er, und sein zugehöriges Lächeln gibt exakt jenen sanften Eindruck wieder, der auch aus seinen Arbeiten spricht.

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