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Nacht des Monats im Paketzentrum Härkingen
Paketzentrum Härkingen, fotografiert von Stephan Bader.

Nacht des Monats im Paketzentrum Härkingen

Paket an Paket auf dem Förderband.

Der logistische Mittelpunkt der Schweiz liegt irgendwo zwischen Olten und Oensingen. Hier, wo sich die wichtigsten Verkehrsachsen des Landes kreuzen, tummeln sich die Transportunternehmen und Distributionszentren. Egerkingen, Hägendorf, Rothrist: Orte wie Staumeldungen. Hier regiert der motorisierte Verkehr, als Fussgänger werde ich von den entgegenkommenden LKWs angehupt, als hätte ich mich verirrt.

An den Verladekränen des posteigenen Warenumschlagsterminals vorbei erreiche ich dennoch das Paketzentrum Härkingen. 1999 eröffnet, ist es das grösste von drei solchen Zentren im Land; davor wurden die Pakete noch an den Postbahnhöfen sortiert. Produktionsleiter Antonio Nocco empfängt mich und führt mich durch die Halle, immer wieder unterbrochen durch kurze Telefonate mit der Leitstelle, die Ankunft und Abfahrt der angemeldeten Transporte überwacht. Erster Eindruck: weniger laut und weniger hektisch als erwartet. Aber riesig: 24 600 Quadratmeter sind es genau, das entspricht dreieinhalb Fussballfeldern. Zehn Anlagentechniker kurven mit Trottinetten herum, um Blockierungen zu beheben, etwa wenn sich ein diagonal liegendes Paket verhakt.

Gearbeitet wird montags bis freitags. Insgesamt sind hier je nach Saison über 400 Personen aus über 100 Nationen beschäftigt, rund 130 sind es in dieser Nachtschicht: Techniker, Leitstellenlogistiker, die Fahrer der Elektrozugfahrzeuge, die einen Schwanz von sieben oder acht Rollboxen durch die schmalen Zwischengänge befördern, und vor allem die Packer: Sie laden die Pakete aus LKWs und Bahncontainern auf die Förderbänder und die an der richtigen Stelle ausgespuckten in neue Rollboxen zur Weiterverteilung. Beka Mosanje arbeitet seit 2013 an den Bändern, heute entlädt er Rollboxen. Er schätzt die Nachtarbeit – dann ist es kühler in der Halle – und das freie Wochenende: Mosanje pfeift Fussballspiele.

Von den 25 Entladetoren führt jedes Förderband auf einen der drei grossen Sortierkreisläufe unter dem Hallendach. Dort kommt jede Sendung in einen eigenen, kippbaren Behälter. Befindet sich das Paket bereits auf dem richtigen Sortierband, fährt es darauf so lange durch die Halle, bis es seine «Zielrutsche» erreicht und ausgeworfen wird – Scanner überwachen den Weg. Wenn nicht, fährt es zunächst einen Umweg. Am unteren Ende der Rutschen laden Mitarbeiter die Pakete auf jeweils drei bis fünf Rollwagen, je nach Postleitzahl. Sind diese voll, kommen sie zu den passenden Fahrzeugen für den Weitertransport, die an total 65 Laderampen bereitstehen. Sofern seine Zielrutsche nicht überfüllt ist – dann gibt’s eine Extrarunde –, verbringt ein Paket maximal acht Minuten auf dem Förderband.

Kann ein Adresscode von den elektronischen Scannern nicht erkannt werden, kommt das Paket in die manuelle Verarbeitung. Heute türmen sich die Aufträge vor den sieben Mitarbeitern: Bei einem Sportartikelhersteller hat es einen Fehler beim Druck der Adresscodes gegeben. Resultat: 300 Pakete, die von den Scannern nicht erkannt werden. Ebenfalls manuell verarbeitet wird das Sperrgut: Ich sehe Skier, Rasenmäher, E-Bikes, aber auch kleinere, unförmige oder weiche Verpackungen. Beschädigte Sendungen kommen in die «Paketklinik» und werden neu eingepackt.

Während immer weniger Briefe verschickt werden, steigt das Volumen bei den Paketen jährlich um 4 bis 6 Prozent; die Post will bald zusätzliche Verteilzentren eröffnen. Die grössere Flexibilität in Verbindung mit der «Heute bestellt, morgen geliefert»-Erwartung hat dazu geführt, dass immer mehr Postsendungen auf der Strasse transportiert werden. Betrug der Schienenanteil lange 60 Prozent und mehr, ist das Verhältnis heute ungefähr ausgeglichen.

Kurz nach Mitternacht wird es doch noch hektisch. Der Zug aus dem Westschweizer Verteilzentrum Daillens hat sich wegen einer Störung bei Bern verspätet; drei Grosscontainer müssen nun in rund 50 Minuten verarbeitet werden. Die Entlader arbeiten in Mehrfachbesetzung an den letzten offenen Ladetoren. Gegen 1.00 Uhr können die Maschinen schliesslich pünktlich zur Wartung abgestellt werden, die rund 330 000 Sendungen des Tages sind auf dem Weg in die regionale Feinverteilung. Sollte ein Paket am nächsten Tag nicht bei seinem Empfänger ankommen, hat es nicht an Härkingen gelegen.

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