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Nacht des Monats  mit Fabio Peng
Fabio Peng, fotografiert von Lukas Leuzinger.

Nacht des Monats
mit Fabio Peng

Lukas Leuzinger fährt mit Fabio Peng durch die winterliche Rheinschlucht.

Um seinen Arbeitsplatz beneiden Fabio Peng wohl viele. Er sitzt im Führerstand der Lokomotive seines Zugs der Rhätischen Bahn (RhB), der sich an diesem Winternachmittag durch die Rheinschlucht schlängelt. Entlang majestätischer Felsen und malerischer Wälder folgen wir dem Fluss. Die Aussicht versetzt mich immer wieder in Staunen. Kein Wunder, begeistert der 33-Jährige mit den Videos seiner Fahrten, die er auf sozialen Medien teilt, regelmässig Zehntausende.

Peng ist der wohl bekannteste Lokführer der Schweiz. Vor einigen Jahren montierte er erstmals sein Handy auf ein Stativ, nahm eine Fahrt durch die Frontscheibe auf und stellte ein Filmchen davon ins Netz. Es stiess auf einiges Interesse, und so lud er nach und nach mehr und professioneller gemachte Videos hoch. Zum Teil sind es Zusammenschnitte, zum Teil aber auch ganze Fahrten. «Es gibt tatsächlich Leute, die sich das 40 Minuten lang ansehen», sagt er leicht verwundert.

2021 postete Peng das Video einer Fahrt von Davos nach Filisur auf Twitter. «Ein bisschen Ablenkung von Corona», schrieb er dazu. Unter den lockdownmüden Internetnutzern verbreitete sich der Post wie ein Lauffeuer, internationale Medien nahmen ihn auf, der Fernsehsender RTL zeigte das Filmchen kurz vor den Nachrichten. Peng erhielt hunderte begeisterter Rückmeldungen.

Der Grossteil seiner Zuschauer ist männlich, und erstaunlich viele wohnen im Ausland, wie er sagt. Die Niederlande und Grossbritannien zählen mit zu den Ländern mit den meisten Zugriffen. «Viele verbinden mit den Videos wohl Ferienerinnerungen.» Viele sind auch von Zügen generell fasziniert: Auf unserer Fahrt erblicke ich an den Bahnhöfen immer wieder «Ferrophile», die unser Gefährt fotografieren.

Für Peng dagegen sind die Fahrten Berufsalltag. «Lokführer war für mich ein Bubentraum», bekennt er und ergänzt: «Lokführer oder Pilot.» Inzwischen ist er beides: In seiner Freizeit fliegt er als Privatpilot über die Berge, die er während der Arbeitszeit befährt. «Die Technik hat mich schon immer fasziniert», sagt er.

Angefangen hat Peng bei der RhB als Zugbegleiter, bevor er sich zum Lokführer ausbilden liess. «Am besten gefällt mir an meinem Beruf, dass ich immer unterwegs bin.» Seine Lieblingsstrecke führt von Chur durchs Albulatal nach St. Moritz, das Engadin hinab und durchs Prättigau zurück nach Chur.

Die Lokführer der RhB fahren sowohl Personen- als auch Güter- und Autozüge. An diesem Tag hat Peng bereits einen Personenzug von Landquart nach Disentis und zurück befördert. Nun fährt er einen Güterzug nach Ilanz und retour. Auf dem Hinweg befördert er Leergut und Schlacke der Kehrichtverbrennungsanlage in Untervaz, die in einer Deponie entsorgt wird. In Ilanz lädt er Flaschen der Valser-Mineralquelle, die in Untervaz umgeladen werden. Peng grüsst die Arbeiter am Bahnhof freundlich, er kennt die meisten persönlich.

So schön die Aussicht von seinem Arbeitsplatz ist: Die Arbeit als Lokführer ist auch mit viel Verantwortung verbunden und erfordert Konzentration. Peng fährt mit wachem Blick, er kennt jeden Streckenabschnitt mit der entsprechenden Höchstgeschwindigkeit auswendig. Dazu muss er stets die Signale draussen und die Instrumente im Innern im Auge haben. Es kann auch zu unvorhergesehenen Situationen kommen, etwa wenn Tiere die Gleise überqueren oder bei einem Unwetter ein Baum die Oberleitung herunterreisst. «Als Lokführer muss man immer bereit sein, auch wenn die Fahrt monoton ist. Seit gut fünf Jahren ist Peng auch in der Aus- und Weiterbildung von Lokführern tätig.

Die Technik nimmt in den Zügen eine zunehmend wichtigere Rolle ein. Trotz Automatisierung ist Peng aber überzeugt, dass es auch langfristig noch Lokführer braucht. Die RhB arbeitet an der Einführung eines Fahrassistenzsystems. Doch es brauche stets noch den Menschen, der die Technik überwache, sagt Peng. Und die Effizienzgewinne seien beschränkt, weil die Systeme eine hohe Sicherheitsmarge eingebaut hätten.

In Untervaz lädt Fabio Peng seine Fracht ab, danach fährt er den Zug zurück nach Landquart. Sein Arbeitstag ist beendet. Er hat nun Zeit für seine beiden Kinder. Und vielleicht dafür, ein Video zu schneiden, mit dem er die Netzgemeinde begeistert.

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