Lust auf Holzschnitte?
Emil Zbinden: «Landschaften und Menschenbilder». Zürich: Limmat, Neuauflage 2008
Emil Zbinden: «Selbstzeugnisse und Bilddokumente». Hrsg. von W. Wüthrich und K. Zbinden-Bärtschi. Zürich: Limmat, 2008
Emil Zbinden: «Für und wider die Zeit». Ausstellungskatalog. Hrsg. von A. M. Schafroth. Sulgen: Benteli, 2008
Freunde besonderer Bücher schätzen ihn als kongenialen Gotthelf-Illustrator, Kennern gilt er als der bedeutendste Holzstecher nach Felix Valloton: Emil Zbinden, der 1991 im Alter von 83 Jahren in Bern verstarb. Als «werktätiger Künstler» verstand er sich und verband konsequent sein soziales und politisches Engagement mit seiner künstlerischen Arbeit. Dies machte ihn vielen in der Schweiz suspekt, zumal ihn die DDR als proletarischen Arbeiterkünstler vereinnahmte. Kunstströmungen versagte er sich, Persönliches kam hinzu – in der Schweizer Kunstszene war er spätestens seit den 1970er Jahren nicht mehr präsent. Daran änderten auch Publikationen nichts, so etwa ein Band mit seinen Holzschnitten zu J. Gotthelf und C.A. Loosli, den der Limmat Verlag anlässlich seines 80. Geburtstages herausgab.
Sein 100. Geburtstag 2008 bot nun endlich den Anlass, Emil Zbinden wiederzuentdecken. So erschien nicht nur der erste Limmat-Band in einer Neuauflage, sondern auch ein zweiter, der in gewohnt sorgfältiger Manier einen Einblick in Zbindens Werkstatt gibt, seine Lebensumstände und Arbeitsbedingungen dokumentiert – eine Künstlermonographie vom Feinsten: reich an unbekanntem Material aus dem Nachlass, Facetten seiner Persönlichkeit und seiner künstlerischen Arbeit ausleuchtend.
Eine Retrospektive – gezeigt in Bern und Leipzig, wo er prägende Jahre verbrachte – bot eine Gesamtschau auf sein Werk, das ein prächtiger Ausstellungskatalog in den zeitgeschichtlichen und kunsthistorischen Kontext stellt. Jeder, ob ein Kenner oder nicht, wird gebannt sein: Emil Zbindens Menschen haben Gesichter, die unsentimental Geschichten erzählen vom Leben als Tagelöhner, Grossbauer, Magd, dörflicher Amtsträger, Verdingkind, Arbeitsloser, Fabrik- oder Bauarbeiter. Seine kleinformatigen Holzschnitte liefern ungeschönte Reportagen aus der dörflichen und städtischen Arbeitswelt; seine Landschaftsbilder sind keine Idyllen. Mit Respekt vor den kleinen Leuten hat er nach der Natur gezeichnet, gemalt, getuscht, aquarelliert und seine Holzschnitte geschaffen: ein vielfältiges, weitgehend unbekanntes Werk, das hoffentlich über diesen Anlass hinaus präsent bleiben wird. Was so oft auf die Nerven geht, ist in diesem Fall positiv zu sehen: dass unser Kulturbetrieb von Jahrestagen und anderen Anlässen bestimmt ist.
vorgestellt von Ute Kröger, Kilchberg