
Der Regulierungswut kommt man besser nicht zu nahe
Die EU gefährdet unsere innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen mit immer mehr Regeln. Das wirkt sich bereits heute negativ auf Schweizer Unternehmen mit engen EU-Verbindungen aus.
US-Präsident Donald Trump hat in den letzten Wochen mit seiner volatilen Handelspolitik alle überrascht. Statt für Ruhe und Ordnung zu sorgen, trägt er mit seinen Entscheiden massgeblich dazu bei, dass die USA nicht mehr als zuverlässiger Handelspartner anerkannt werden. Zugleich ist die wirtschaftliche Lage in der Europäischen Union wenig schwungvoll. Der Konjunkturmotor stottert, und es mangelt an ökonomischem Auftrieb. Statt auf Investitionen oder Innovationsförderung zu setzen, reagiert die EU mit noch mehr Regeln. Selbst der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, kritisierte letzten Herbst in seinem Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der EU die hohe Regelungsdichte und mahnte grundlegende Strukturreformen an, um den wirtschaftlichen Rückstand aufzuholen.
Freier Handel und tiefe Barrieren
Diese wachsende Regulierungsdichte trifft nicht nur Unternehmen innerhalb der EU, sondern beeinträchtigt auch Schweizer Firmen mit engen wirtschaftlichen Verbindungen zum europäischen Binnenmarkt. Besonders betroffen sind exportorientierte KMU sowie Zulieferer, die mit EU-Konzernen zusammenarbeiten. Ein Beispiel ist das EU-Lieferkettengesetz. Es verpflichtet Unternehmen dazu, entlang ihrer gesamten Lieferkette menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten wahrzunehmen – vom Rohstoffabbau über die Verarbeitung bis zum Vertrieb. Auch wenn das Gesetz primär auf Unternehmen mit Sitz in der EU abzielt, wirkt es faktisch auch extraterritorial: Schweizer Firmen, die Bestandteil europäischer Lieferketten sind, müssen entsprechende Standards ebenfalls erfüllen, um als Geschäftspartner anerkannt zu bleiben. Besonders KMU geraten dabei unter Druck, da sie oft weder die personellen Ressourcen noch das Fachwissen für ein umfassendes Risikomanagement entlang der gesamten Lieferkette haben. Die Anforderungen reichen von Risikoanalysen und Präventionsmassnahmen bis hin zu Beschwerdemechanismen und Dokumentationspflichten.
Ein weiteres Beispiel ist die neue EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten, die ab Ende 2025 gelten soll. Sie verpflichtet Unternehmen, für bestimmte Rohstoffe wie Kakao, Kaffee, Soja, Palmöl oder Holzprodukte nachzuweisen, dass diese nicht aus kürzlich entwaldeten Flächen stammen. Neben Herkunftsnachweisen sind auch satellitengestützte Geodaten und Fotos zu erbringen, die in ein EU-zentrales IT-System hochgeladen werden müssen. Diese Anforderungen betreffen auch Schweizer Importeure, etwa im Lebensmittelhandel oder in der Verpackungsindustrie.
Hinzu kommt (neben anderem) die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), die grössere Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Leistungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) offenzulegen. Immer mehr europäische Geschäftspartner verlangen von ihren Schweizer Zulieferern detaillierte ESG-Daten, um selbst regelkonform berichten zu können. Damit entsteht eine indirekte Berichtspflicht auch für kleinere Betriebe, die ursprünglich nicht im Geltungsbereich der CSRD lagen. Diese Regulierungsdichte stellt nicht nur eine operative Belastung dar, sondern sie gefährdet langfristig auch die Rahmenbedingungen, die den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz ausmachen.
Fakt ist, dass die Schweiz zurzeit das innovativste Land der Welt ist. Im jüngsten Global Innovation Index der World Intellectual Property Organization belegt sie das 14. Jahr in Folge den ersten Platz weltweit. Insbesondere die KMU leisten einen entscheidenden Beitrag zu dieser Innovationskraft. Die kontinuierliche Spitzenposition ist das Ergebnis einer langfristigen, engen Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft, die sich in der dualen Berufsbildung, in Investitionen in Spitzenforschung und in innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen zeigt.
Eine weitere Annäherung an die Institutionen der EU und insbesondere eine EU-Mitgliedschaft stünden dieser Zusammenarbeit und somit der Schweizer Innovation im Weg. Unser Land tut gut daran, eine eigenständige Handelspolitik zu verfolgen, ohne sich zu eng in supranationalen Abkommen zu verflechten. Die Geschichte zeigt, welches der Königsweg ist: aussenpolitische Beziehungen, die auf Freihandel und tiefen Handelsbarrieren beruhen.
«Die Geschichte zeigt, welches der Königsweg ist: aussenpolitische
Beziehungen, die auf Freihandel und tiefen Handelsbarrieren beruhen.»
Risikofaktor blinde Rechtsübernahme
Seit über zwei Jahrzehnten pflegt die Schweiz eine enge wirtschaftliche Partnerschaft mit der EU. Doch Brüssel drängt auf neue Verträge und übt dabei zunehmend Druck aus: mit gezielten Nadelstichen wie dem Ausschluss der Schweiz aus dem Forschungsprogramm «Horizon Europe», mit dem Kaltstellen der Börsenäquivalenz oder mit der Nichtumsetzung des Mutual Recognition Agreement (MRA). Damit will die EU eine stärkere institutionelle Anbindung der Schweiz erzwingen. Zuerst wird massiver Druck aufgebaut, dann fordert man neue Zugeständnisse. Darauf darf sich die Schweiz nicht einlassen.
Konkret verlangt die EU von der Schweiz, dass sie in den betreffenden Abkommen und allen zukünftigen Verträgen neu EU-Recht dynamisch übernimmt und sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unterwirft. Damit würde eine faktisch automatisierte Anpassung an neue EU-Gesetze erfolgen – ohne Mitbestimmung durch die Schweiz. Selbst das Schweizer Referendumsrecht gegen neue EU-Gesetze würde dabei an Wirkung verlieren, da bei einem Schweizer Nein Sanktionen der EU drohen würden. Die Schweizer Bevölkerung müsste neues EU-Recht unter dem Damoklesschwert von im Vertrag vorgesehenen Ausgleichsmassnahmen abnicken. Ein solcher Eingriff in die Souveränität ist nicht hinnehmbar. Eine zu enge Bindung an die EU gefährdet den Standort Schweiz und die eigenständige Aussenwirtschaftspolitik.
Wollen wir wirklich die Innovationskraft und wirtschaftliche Stärke der Schweiz für eine engere Anbindung an die EU aufs Spiel setzen? Ich finde: nein. Und ich bin nicht der einzige Unternehmer, der das so sieht. Mit unserer Kompass-Initiative verfolgen rund 4000 Unternehmerinnen und Unternehmer ein klares Ziel: Die Schweiz sollte handelspolitisch unabhängig bleiben. Zudem sollen grundlegende Verträge, die eine dynamische Rechtsübernahme fordern, nur mit maximaler demokratischer Legitimation beschlossen werden. Für deren Zustimmung braucht es darum neben einem Volksmehr zwingend auch ein Ständemehr, also ein obligatorisches Referendum. Alles andere widerspricht dem Schweizer Verständnis der direkten Demokratie und untergräbt unsere Grundwerte.