
Das Bitcoin-Mekka im Tessin
Mit Lugano fördert neben dem Kanton Zug ein zweites Finanzzentrum der Schweiz die Bitcoin-Adaption. Die lokale Wirtschaft und die Hochschulen sind in das Innovations- vorhaben eingebunden.
Lugano ist vor allem für Tourismus und Finanzdienstleistungen bekannt. Weniger bekannt ist, dass in fast jedem Smartphone Funktionen enthalten sind, die auf in Lugano entwickelten Technologien basieren. Wenn wir «Hey Siri» oder «Okay Google» sagen – das Abrakadabra der Neuzeit –, können wir mit wertvollen digitalen Assistenten interagieren, die auf eben diesen Technologien aufbauen. Es handelt sich um das Phänomen der künstlichen Intelligenz (KI), die unser tägliches Leben bereits durchdrungen hat und über die in Lugano schon seit einiger Zeit gesprochen wird.
Künstliche Intelligenz ist vor mehr als 50 Jahren am Luganersee gelandet, auch dank der Weitsicht und der Unterstützung der Politiker von Lugano. Im Jahr 1970 gründete Unternehmer Angelo Dalle Molle (unter anderem der Erfinder des Cynars) die Fondazione Dalle Molle. Daraus gingen in Lugano zwei Hochschulinstitute hervor: zunächst das ISSCO (Dalle-Molle-Institut für semantische und kognitive Studien) und dann das IDSIA (Dalle-Molle-Institut für Studien zur künstlichen Intelligenz). Am IDSIA wurde in den Neunzigerjahren die für die KI wichtige Technik des Long Short-Term Memory (LSTM) konzipiert. Das Institut hat sich seither zu einer weltweit anerkannten Spitzeneinrichtung entwickelt.
Lugano setzt heute diese Tradition und Berufung fort und positioniert sich als Zentrum der digitalen Innovation und als Brücke zwischen dem Norden und dem Süden der Alpen. Innovationsgeist trifft hier auf den neuesten Stand der Technik.
«Künstliche Intelligenz ist vor mehr als 50 Jahren am Luganersee
gelandet, auch dank der Weitsicht und der Unterstützung
der Politiker von Lugano.»
Vom Stablecoin zur Bitcoin-Adaption
Stand früher die künstliche Intelligenz im Zentrum, so ist es heute die Blockchain-Technologie. Der Startschuss dafür erfolgte 2020. Damals wurde der LVGA-Zahlungstoken ausgegeben, ein an den Schweizer Franken gekoppelter Stablecoin, der in Lugano breit akzeptiert wird. Genutzt wird dieser heute als eine Regionalwährung. Der Token wurde im Rahmen der MyLugano-App konzipiert, eines Projekts, das ursprünglich zur Unterstützung der lokalen Wirtschaft während der Pandemiezeit ins Leben gerufen wurde und das sich seither weiterentwickelt hat. Die ersten Erfahrungen mit diesem Projekt veranlassten die Stadt 2021 dazu, Blockchain-Infrastrukturen zu fördern, um Akademikern, Institutionen und Unternehmen in der Region ihre Projekte mit dieser Technologie zu erleichtern. Dazu wurde die private Blockchain 3Achain lanciert.
Das Experimentieren mit der Blockchain-Technologie aus erster Hand, mit einem organischen Ansatz und Wachstum, führte im März 2022 zum Start von Luganos sogenanntem «Plan B». Dieser basiert auf fünf Säulen. Die erste ist die Ausbildung. Wir schaffen dadurch Möglichkeiten für junge Menschen und die Wirtschaft in diesem Sektor und treten in einen Kreislauf des Austausches von Know-how, der sich positiv auf das Wohlergehen und das Wachstum unserer Region, unserer Unternehmen und unserer Bevölkerung auswirken wird. Plan B umfasst zweitens die Förderung der Akzeptanz von Zahlungen mit Kryptowährungen in Lugano bei der Verwaltung und Gewerbetreibenden bis hin zur Zahlung bei McDonald’s, drittens einen Hub für Start-ups und viertens einen Fonds zur Unterstützung von Unternehmen, die in der Blockchain-Welt aktiv sind. Dazu kommt fünftens das Plan-B-Forum für Research, Entwicklung und Nachhaltigkeit, insbesondere im Mining. Es handelt sich um eine internationale Konferenz, die jedes Jahr politische Entscheidungsträger, Technologieexperten und Unternehmen zusammenbringt, um über die Adaption von Bitcoin durch den Nationalstaat, die Wirtschaft, die Finanzfreiheit und das Recht der freien Meinungsäusserung zu diskutieren. Die nächste Plan-B-Konferenz wird im Oktober stattfinden.
Heute wirkt Plan B in Lugano als ein Katalysator für Innovation und die digitale Transformation. Bei der Lancierung handelte es sich um eine wohlüberlegte Entscheidung, die für die öffentliche Hand keine finanziellen Risiken mit sich bringt. Denn Lugano ist keine Insel und soll auch keine sein. Seine Zugehörigkeit zum Tessin und zur Schweiz, die in den Bereichen Innovation und Finanzdienstleistungen unbestritten führend ist, stellt einen wertvollen Wettbewerbsfaktor dar.
In den letzten Jahren hat…

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Dieser Artikel ist in Ausgabe 1104 - März 2023 erschienen. Er ist nur registrierten, zahlenden Nutzern zugänglich. Vollen Zugang erhalten Sie über unsere attraktiven Online- und Printangebote.
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