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«Der Angriff gegen mich wurde von der radikalen Linken gefeiert»

Der Undercover-Journalist Andy Ngo wurde durch seine Berichterstattung über politische Proteste zu einem Feind der Antifa und wurde mehrfach verprügelt. Er warnt die Schweizer, nicht naiv zu sein.

«Der Angriff gegen mich wurde von der radikalen Linken gefeiert»
Demonstranten lieferten sich an einer Anti-Trump-Demonstration im November 2016 in Portland, Oregon, ein Gefecht mit der Polizei. Bild: Alex Milan Tracy/SIPA Images USA.

Read the English version here.

Andy, du bist in Portland, Oregon, aufgewachsen; viele kennen die Stadt aus der Fernsehserie «Portlandia». Die Stadt war früher in der ganzen Welt als das Herz liberaler Politik bekannt, wo linke Hipster leben. Wie hat sich Portland in den letzten 20 Jahren entwickelt?

«Portlandia» hat dazu beigetragen, die durchaus schönen Dinge an Portland in den Mainstream zu bringen. Den Leuten gefiel, dass es schrullig und seltsam war und einen Sinn für linke Politik hatte, der zwar übertrieben, aber in gewisser Weise auch liebenswert war. Die Dinge nahmen 2016 eine kritische Wendung, als Donald Trump der Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei wurde und im ganzen Land Wahlkampfveranstaltungen abhielt. Die Presse und seine Kritiker scharten sich um den Vorwurf und das Narrativ, dass er ein faschistischer Kandidat sei und dass seine Plattform und seine politischen Kundgebungen auf Rassismus und weisser Vorherrschaft beruhten. In diesem Zusammenhang wurde diese Behauptung in den gesamten Vereinigten Staaten verbreitet. In Portland wurde sie jedoch weiter verbreitet als anderswo, weil die Stadt eine homogene linke gesellschaftliche Monokultur aufweist.

 

Wie hat sich diese Monokultur manifestiert?

Nachdem sich abgezeichnet hatte, dass Trump die Wahlen 2016 gewinnen würde, gingen Portlander zu Tausenden in der Innenstadt auf die Strasse, und in Portland gab es einige der grössten Demonstrationen in den Vereinigten Staaten wegen des Wahlergebnisses. Obwohl linke politische Gewalt bereits zuvor aufgetreten war, war dies das erste Mal, dass ich selbst und die Mehrheit der Portlander umfangreiche politische Gewalt der Antifa sahen.

 

Du hast dich entschlossen, mit deiner Kamera auf die Strasse zu gehen und die Proteste zu filmen, um herauszufinden, was vor sich geht. Warum?

Ich war Redaktor bei der Studentenzeitung der Portland State University. Mein Chefredakteur wies mich an, ein paar Videos oder Fotos von den Protesten zu machen. Also ging ich mit meinem iPhone los, um die Ereignisse festzuhalten. Es war äusserst schockierend, das Ausmass an Gewalt und Zerstörung zu sehen, das in der Innenstadt herrschte: Brände, zerbrochene Fensterscheiben, zertrümmerte Autos – die Polizei war völlig überfordert. Portland wurde zu einem Brennpunkt in den Vereinigten Staaten für Strassenkämpfe und Schlägereien zwischen Linken und Rechten.

 

Die Rechte hat also auch gewalttätig gehandelt?

Obwohl es in Portland keine organisierte rechte Bewegung gibt, beschlossen einige Anhänger von Präsident Trump aus den Nachbarstädten, von ihrem Recht auf freie Meinungsäusserung Gebrauch zu machen und ihn zu unterstützen. Sie gingen ganz bewusst an Orte, an denen sie nicht willkommen waren – und das war u.a. Portland. Jedes Mal, wenn sie kamen, erschienen Tausende von Gegendemonstranten, und die Antifa tauchte auf, um ausdrücklich gewalttätig zu sein. Die Polizei hatte Mühe, diese Art von Gewalt einzudämmen, insbesondere in den Sommern von 2017 bis 2019. Die Staatsanwälte in Portland nahmen in erster Linie rechte Personen ins Visier, die sich an kriminellen Gewalttaten beteiligten. Ihre Ausrede für dieses selektive Vorgehen war, dass sie diejenigen, die ihre Gesichter verdeckt hatten, nämlich die Antifa, nicht identifizieren konnten. Im Laufe der Zeit gab es kaum noch Widerstand gegen die gewalttätigen linksextremen Demonstranten.

 

Wie sollte die Regierung mit der Antifa umgehen?

Bürger, Journalisten und Politiker können politische Gewalt nicht tolerieren. Die Anwendung von aussergerichtlicher Gewalt, aus welchem Grund auch immer, ist nicht zu tolerieren. Ich habe gesehen, wie diese Gewalt in den USA als Waffe eingesetzt wird, und zwar aus Gründen, die als besonders edel dargestellt werden. Deshalb ist die extreme Linke so manipulativ, trügerisch und effektiv. Ihre Gewalt geschah im Namen des Kampfs für die Leben von Schwarzen – und gegen Rassismus, weisse Vorherrschaft, Waffen und Faschismus. Leider fanden das viele Menschen und Politiker akzeptabel; sie stimmten mit der vorgeschobenen Sache so sehr überein, dass sie diese gewalttätigen Aktionen akzeptierten.

 

Was muss man über die Antifa wissen?

Die Antifa selbst arbeitet von Land zu Land recht unterschiedlich. Die politische Kultur der Gesellschaft, in der sie sich organisiert, sowie die jeweilige Gesetzgebung wirken sich auf ihre Ziele und Taktiken aus. Die amerikanische Antifa lässt sich von der gewalttätigsten Antifa der Welt inspirieren, die – historisch und aktuell – aus Deutschland kommt. Ihre Taktik besteht in der öffentlichen Zerstörung von Eigentum. In den USA konnten sie je nach Stadt, in der sie sich aufhielten – in Portland und Seattle und in geringerem Masse in New York City und Oakland sehr effektiv und ungehindert –, Gewalt ausüben. Das sind linke Städte, in denen die Demokraten die Mehrheit haben und diese Art von Gewalt tolerieren. Die Antifa hat ihre Masche auch in gemässigteren Städten mit einigem Erfolg ausprobiert.

 

Auch in der Schweiz?

Ich weiss, dass in der Schweiz die Antifa in Bern organisiert ist, aber sie waren bisher nicht so gewalttätig wie in Deutschland. Das hat viel mit der Schweizer Kultur zu tun, wo die Dinge geordnet sind und gut laufen. In der Schweiz hätten sie grosse Probleme, sich zu organisieren, weil die Öffentlichkeit und selbst Schweizer Linke keine massenhafte Zerstörung von Eigentum dulden würden. In der Schweiz gibt es auch eine aus­gewogenere Presse mit einem guten Gleichgewicht zwischen Mitte-rechts- und Mitte-links-Medien.

 

Wann hast du zuletzt mit jemandem von der Antifa gesprochen?

Ich habe mit Leuten gesprochen, die mit dieser Ideologie sympathisieren, aber nicht mit aktiven Mitgliedern. Jeder, der voll und ganz in dieser Ideologie verankert ist und darin eine aktive organisatorische Funktion innehat, wird nicht mit mir sprechen, da er mich als Feind betrachtet. Mit dem «Feind» zu sprechen ist eine der Möglichkeiten, aus dieser Gemeinschaft exkommuniziert zu werden. Sie rufen regelmässig dazu auf, «Verräter» aus Rache tätlich anzugreifen. Sie sind in religiöser Hinsicht fundamentalistisch und betrachten die Welt auf eine binäre Weise: «Du bist auf unserer Seite, oder du bist es nicht; du bist ein Faschist, oder du bist antifaschistisch.»

 

Die US-Mainstream-Medien haben über die Unruhen in Portland und anderen Städten berichtet. Haben diese Medien ihre Aufgabe erfüllt?

Jahrelang berichteten die etablierten Medien über politische Gewalt von links als «grösstenteils friedliche Proteste», «einige kleinere Gewalttaten» oder «einige Sachbeschädigungen» – selbst dann, wenn sie extrem gewalttätig waren. Die Medien interessierten sich nicht dafür, weshalb Menschen auf der Strasse waren und Eigentum zerstörten. Sie stellten diese Mobs als Flashmobs von Leuten dar, die einfach rauskamen und spontan gewalttätig wurden. Aber sie waren organisiert, trugen Waffen, Werkzeuge und Uniformen.

 

Welche Lösungen gibt es für das Antifa-Problem?

Es geht darum, Veränderungen in der Kultur herbeizuführen. Natürlich gibt es in den Vereinigten Staaten Gesetze gegen Mord, Körperverletzung, Brandstiftung und so weiter. Aber die Gesetze werden zu einem entbehrlichen Detail, wenn die Gesellschaft diese Gesetze nicht mehr als legitim ansieht. Für viele Mainstream-Linke sind Dinge wie Kleinkriminalität, Ladendiebstähle oder das Zelten in der Öffentlichkeit keine Straftaten mehr. Sie halten solche Dinge für unwichtig und sehen diejenigen, die ein solches Verhalten an den Tag legen, als Opfer, die Mitleid verdienen.

 

Lassen die Medien und das Establishment der Antifa freie Hand, aber versuchen sie auch, rechte Gruppen zu zensieren oder zu unterdrücken, die bei Strassenprotesten manchmal gewalttätig werden?

In den Vereinigten Staaten können inländische Organisationen nicht aufgrund ihrer Ideologie verboten werden. Daher kann man dort islamistische, Neonazi- und Antifa-Gruppen haben. Der erste Verfassungszusatz schützt ihr Recht, sich zu organisieren und frei zu sprechen. Für viele amerikanische Linkspolitiker ist dies jedoch ziemlich frustrierend. Also delegieren sie die Zensur rechter Meinungen an die Zivilgesellschaft, zum Beispiel an die sozialen Medien. Die «Twitter Files» enthüllten ein hohes Mass an Koordination zwischen Funktionären der Demokratischen Partei und dem alten Twitter-Regime. Was die Medien anbelangt, so würde die Öffentlichkeit, wenn sie angemessen darüber informiert würde, wie extrem und gewalttätig einige dieser linken Gruppen sind, deren Rekrutierungskraft und Ideen viel kritischer sehen. Im Gegensatz dazu ist die Zivilgesellschaft sehr gut darin, rechtsgerichtete Organisationen zu zerstören.

 

Du wurdest von der Antifa schwer verprügelt. Kannst du uns davon erzählen?

2019 wurde ich schwer verprügelt, und zwar in der Innenstadt von Portland bei einer Antifa-Demonstration, über die ich berichtete. Ich wurde wiederholt von einem Antifa-Mob auf den Kopf geschlagen und geprügelt, ganz in der Nähe der Polizeiwache. Danach stahlen sie meine Kameraausrüstung, weil sie nicht wollten, dass ich die Videos, die ich an diesem Tag von ihren Aktionen gemacht hatte, veröffentlichte. Ich war allein und musste die Polizei anrufen, in einen Krankenwagen steigen und ins Krankenhaus fahren.

Andy Ngo nach einem Angriff der Rose City Antifa im Juni 2019 in Portland, Oregon, USA. Bild: Moriah Ratner/Getty Images.

Hast du schwere körperliche oder psychische Schäden erlitten?

Bei mir wurde eine Hirnblutung diagnostiziert. Diese Art von Verletzung hat eine hohe Sterblichkeitsrate, also wurde ich im Krankenhaus behalten und hatte grosses Glück, dass ich überlebte. Aber ich hatte kognitive und körperliche Probleme, die viele Monate Therapie in einem medizinischen Umfeld erforderten. Der Angriff gegen mich wurde in den sozialen Medien von der radikalen Linken gefeiert. Sie waren sehr offen und feierten die Gewalt. Sie behaupteten, ich hätte meine Verletzungen vorgetäuscht.

Eine versprayte Mauer in Portland, fotografiert von Andy Ngo.

Ich nehme an, das war nicht das letzte Mal, dass du angegriffen wurdest?

Die Antifa schaut sich die Körperformen der Leute an, ihre Grösse, die Haltung, die Schuhe und sogar die Art ihres Handys – sie stellen all diese Informationen online. In Portland wurde ich mit einer Gruppe konfrontiert, die verlangte, dass ich meine Maske abnehme, was ich nicht tat. Einer von ihnen zog sie ab. Ich rannte los und lief durch die Strassen von Downtown. Sie verprügelten mich schwer, liessen mich um mein Leben betteln und hielten mich im Würgegriff. Ich war völlig blutüberströmt von diesem ersten Überfall und rannte dann in ein nahegelegenes Hotel. Das Personal wollte nicht die Polizei rufen, also musste ich selbst die Polizei rufen. Das war die zweite schwere Schlägerei, die ich erlitt und die mich veranlasste, nach Grossbritannien auszuwandern. In einem derartigen politischen Klima kann ich in einer amerikanischen Stadt nicht sicher leben.

«In einem derartigen politischen Klima kann ich in einer amerikanischen Stadt nicht sicher leben.»

 

Was ist deine Botschaft an die Schweiz?

Das Schweizer Volk sollte nicht selbstzufrieden werden und denken, dass das, was es jetzt hat, ewig halten wird. Schaut einfach in eure Nachbarländer. In Frankreich und Deutschland gibt es wirklich radikale politische Bewegungen, die in der Öffentlichkeit viel Gewalt ausüben. Sie sind durch eine politische Ideologie motiviert, die Grenzen überschreiten kann. Deshalb bin ich ein wenig besorgt über die Antifa-Organisation in Bern. Ja, sie verhalten sich im Moment legal: Leute halten Transparente, grölen politische Slogans und so weiter. Aber so haben die Linksradikalen in Amerika angefangen. Abgesehen davon habe ich Vertrauen in die politischen Institutionen der Schweiz. Das politische System der Schweiz ist ziemlich einzigartig, weil es die politischen Rivalen zur Zusammenarbeit zwingt, was der Stabilität zugutekommt.

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