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Männer sammeln, Frauen jagen
Wikingerin Freydis Eriksdotter in der Serie Vikings: Vallhalla. Bild: Netflix.

Männer sammeln, Frauen jagen

Der Mythos, dass Männer in der Steinzeit Jäger und Frauen Sammlerinnen gewesen seien, wird durch immer mehr Funde bezweifelt. Die gesellschaftlichen Folgen dieser Lüge zeichnen sich derweil immer klarer ab.

Kürzlich wurde der patriarchale Mythos begraben. US-­Anthropologen fanden heraus, dass 9000 Jahre alte Knochen in Jägergräbern nicht von männlichen, sondern von weiblichen Körpern stammten. Tatsächlich fanden sie ebenso viele tote Jägerinnen wie tote Jäger aus der Jungsteinzeit. Die Entdeckung hob die Hypothese auf, dass «der Mann» auch «der Jäger» gewesen sei. Die geschlechtliche Aufteilung der Arbeit unter Jägern und Sammlern war tatsächlich kaum oder gar nicht vorhanden. Auch schauten dazumal nicht alle biologischen Mütter selbst zu ihren Kindern. Andere Funde zeigen, dass die männlich dominierte Wissenschaft lange Zeit alle Beweise für kriegerische Frauen nach Kräften unterdrückt hat – so wurde zum Beispiel die Existenz der Wikinger-Kriegerinnen schlicht geleugnet.

Als die jahrtausendealte Lüge entlarvt wurde, rechnete ich mit einem Aufschrei. Doch nichts geschah. Das hat mich ebenso erschüttert wie die Tatsache, dass mir von klein auf ein historisches Frauenbild vermittelt wurde, das so nie existierte. Ein Frauenbild notabene, das Einschränkungen nach sich zog und Freiheiten raubte. Man stelle sich vor, was gewesen wäre, wenn wir die Wahrheit gekannt hätten. Was gewesen wäre, wenn man uns Mädchen nicht von klein auf eingetrichtert hätte, dass Frauen von je her dazu bestimmt seien, Beeren zu sammeln und Kinder zu hüten.

Unsere Gesellschaft wäre eine andere. Die Frauen meiner und früherer Generationen hätten mehr Respekt, Selbstbestimmung und Freiheit erfahren. Hätten wir gewusst, dass unsere Ururururahninnen krasse Jägerinnen und Kriegerinnen waren, wäre uns einiges erspart geblieben. Im Kampf um eine gute Bildung hätten wir das Argument flugs zerpflückt, dass wir eh Kinder kriegen und zu Hause bleiben würden. Wir hätten die Pfeilspitze geschliffen, als man uns im Job nicht gehört, uns kleingemacht, uns nicht befördert hat. Wir hätten den Pfeil abgeschossen, als wir 1000 Franken weniger verdienten als die gleichaltrigen Kollegen – im Monat. Und keine Frau wäre je schräg angeschaut worden, wenn sie gesagt hätte, sie wolle lieber Jägerin statt Mutter werden.

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