«Ich glaube nicht, dass man Privatstädte aufhalten kann»
Patri Friedman, zvg.

«Ich glaube nicht, dass man Privatstädte aufhalten kann»

Die Zeit für freiwillige Opt-in-Gesellschaften sei gekommen, glaubt der libertäre Vordenker Patri Friedman. Um radikale Verbesserungen zu erzielen, müsse man neue Strukturen schaffen, statt bestehende zu verbessern.

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Herr Friedman, Sie arbeiten seit mehr als 20 Jahren an Seasteading und freien Privatstädten, und noch immer hören wir von Prototypen und potentiellen Projekten. Warum dauert das so lange?

Mein Ziel ist, dass wir neue Länder gründen können, so wie wir heute Unternehmen gründen. Das ist in dieser Welt sehr, sehr schwer zu bewerkstelligen. Ich versuche schon seit langem, Privatstädte von der Theorie in die Praxis umzusetzen.

 

Wo liegen die grössten Herausforderungen?

Lange Zeit war das grösste Problem, dass die Staaten nicht bereit waren, mit uns zusammenzuarbeiten. Mein Ziel ist es, die Staatlichkeit zu entflechten, so dass man verschiedene Rechtssysteme an verschiedenen Orten ausprobieren kann. Dafür braucht man Unterstützung von Regierungen. Ebenso, um als Land anerkannt zu werden. Seasteading kann im Rahmen der bestehenden Gesetze durchgeführt werden. Jedoch ist es sehr teuer und schwierig, auf dem Meer zu arbeiten. Ein weiteres Problem ist, dass viele Leute, die an solchen Projekten interessiert sind, Träumer sind und nicht Macher, weil es eine grosse, verrückte Idee ist. Leute, die sehr praktisch veranlagt sind, neigen nicht zu grossen, neuen Ideen. Ich konnte viele Träumer für diese Sache begeistern. Was wir jetzt brauchen, sind Macher.

 

Haben Sie deshalb die Risikokapitalfirma Pronomos gegründet?

Ich habe Pronomos gegründet, weil ich sah, dass Projekte nicht mehr nur auf dem Papier entworfen, sondern tatsächlich in die Praxis umgesetzt wurden: Próspera erhielt grünes Licht von der honduranischen Regierung, andere Länder zeigten Interesse, die Möglichkeit, wirklich etwas auf die Beine zu stellen, war da. Aber wir sind immer noch sehr eingeschränkt durch den Mangel an erfahrenen Gründern, die bereits mit Start-ups erfolgreich waren. Das ist jetzt die grösste Einschränkung.

 

Was macht Pronomos in der Praxis?

Ich suche Investoren, um sie davon zu überzeugen, dass Privatstädte jetzt wirklich möglich sind, sammle Geld und finde dann Unternehmen, die an Privatstädten arbeiten. Wir evaluieren sie, wählen diejenigen aus, die unserer Meinung nach die besten Erfolgsaussichten haben, und investieren in sie. Weiter versuchen wir, den Unternehmen, in die wir investiert haben, zum Erfolg zu verhelfen. Deren Gründer kommen oft von ausserhalb der Start-up-Kultur. Es gibt viel über den Aufbau eines Unternehmens, das sie nicht wissen. Wir helfen ihnen, sich mit den Grundlagen vertraut zu machen.

 

Wie viele Investoren stehen hinter Pronomos?

Es sind um die 30 bis 40 Investoren.

 

Wie viel Geld haben Sie bis jetzt investiert?

Wir haben 13 Millionen Dollar in neun Projekte investiert und wollen unsere Investments weiter ausbauen.

 

Wäre es für Libertäre wie Sie nicht sinnvoller, bestehende Gesellschaften freier zu machen, anstatt neue zu gründen?

Nein. Statistisch gesehen sind Libertäre eine Minderheit, und in Demokratien verlieren Minderheiten. Die Forschung legt nahe, dass Libertarismus weitgehend ein Persönlichkeitstyp ist. Es gibt zwar einige Menschen, die mit Argumenten überzeugt werden können, aber sie machen nur etwa 10 Prozent der Bevölkerung aus. Wer versucht, die Mehrheit überzeugen zu wollen, ist zum Scheitern verurteilt. Ausserdem liegen viele Schwächen bestehender Regierungen auf der Systemebene. Public-Choice-Theoretiker und Ökonomen haben in 70 Jahren Forschung gezeigt, dass Wähler und Gesetzgeber mit den gegebenen Anreizen dazu neigen, Spezialinteressen zu begünstigen und nicht die der allgemeinen Bevölkerung. Infolgedessen bringen Demokratien meist keine guten Gesetze hervor.

 

Wie kommen Sie darauf, dass Privatstädte bessere Gesetze hervorbringen würden?

Nun, wenn man der Public-Choice-Theorie folgt, gibt es Grund zu der Annahme, dass andere Systeme tendenziell gute Gesetze hervorbringen würden. Als Softwareingenieur betrachte ich das so: Wenn man ein altes, klappriges Softwaresystem hat, das viele alte Pakete verwendet und in einer alten Programmiersprache geschrieben ist, kommt man mit kleinen Verbesserungen an einem riesigen Quellcode nicht sehr weit. Um radikale Verbesserungen zu erzielen,…