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Hinglish, Spanglish, Globish – Rubbish?

Marco Baschera (Hrsg.): «Mehrsprachiges Denken. Penser en langues. Thinking in language.» Köln, Wien, Weimar: Böhlau, 2009.

Vor einigen Jahren fand auf Ischia ein internationaler Hegelkongress statt. Eine Spielregel lautete: Jeder spricht, ausser in den Beiträgen, in der Sprache, die er am zweitbesten beherrscht. So stellte jemand nach einer Intervention in englischer Sprache auf Deutsch eine Frage, worauf der Vortragende auf Französisch antwortete und eine Entgegnung auf Italienisch provozierte. – Ganz anders der gemeine Menschenverstand. Ginge es nach ihm, so spräche die Welt zukünftig am besten in einer Sprache. Wie schön, wie einfach das doch wäre, praktisch und ökonomisch zugleich! Nichts als Vorteile, so heisst es, und die Welt der globalisierten Wirtschaftsbeziehungen, der Menschen- und Warenströme und der technisch-wissenschaftlichen Rationalität scheint dieser Vision zuzuarbeiten. Vielerorts und in mancherlei Hinsicht kommt man tatsächlich auch durch mit Globish. Es ist, als ob die Beschwörung einer solchen lingua franca als säkularisiertes Pfingstwunder Babel endgültig vergessen machen sollte.

Welches die sprachphilosophischen Implikationen und die vielfältigen Konsequenzen einer solchen Sicht sind, zeigt der von Marco Baschera herausgegebene neue Figurationen-Band zum Thema «Mehrsprachiges Denken» auf eindrückliche Art und Weise auf. Die durchwegs sehr lesenswerten Beiträge, von denen einzelne auf die Zürcher Tagung mit dem programmatischen Titel «Wider die Einfalt» zurückgehen, versammeln sich – bei aller Verschiedenheit – in dem Anliegen, die Aporien einer solchen Sicht aufzuzeigen und deren Preis in Erinnerung zu rufen. Dabei gilt es nicht nur die Skylla der eingangs skizzierten Monokultur zu meiden, wie sie sowohl die kommunikative Alltagspraxis wie auch weite Teile der analytischen Philosophie beherrscht. Ebenso gefährlich ist die Charybdis eines «ontologischen Naturalismus». Es gibt keine Sprache – nicht Griechisch und nicht Deutsch, wie etwa Heidegger meinte –, die den Zugang zur Welt auf privilegierte Art und Weise erschliessen würde. Auszugehen ist von der einfachen Einsicht: wenn das Denken immer schon sprachlich strukturiert ist, also nicht vorsprachlich gefasste mentale Einsichten in wahlweise zur Disposition stehende Sprachen übersetzt werden, dann ist das vermeintliche «kommunikative Paradies die kognitive Hölle» (Trabant), das heisst, der Verlust an sprachlicher Vielfalt führt zwangsläufig zu einer Einschränkung unseres Weltverständnisses und damit des Verständnisses unserer selbst.

Die Ahnherren einer solchen Sensibilität für die Erfahrung irreduzibler Mehrsprachigkeit sind, wie Barbara Cassin in ihrem Beitrag aufzeigt, Herder, Humboldt und Novalis. Von ihr herausgegeben, ist seit einigen Jahren auch greifbar das sogenannte «Vocabulaire européen des philosophies» (2004). Dieser «Dictionaire des intraduisibles» führt nur Begriffe auf, die der Übersetzung besonderen Widerstand leisten. Nicht dass sie unübersetzbar wären – die widersinnige Rede von der Unübersetzbarkeit setzt ja gerade voraus, was sie dementiert; aber es sind Begriffe, die durch ihren Widerstand das Problem des Übersetzens immer wieder ins Bewusstsein bringen. Ein solcher Begriff ist etwa das deutschte Wort Geist. Es meint – um eine ebenso spannende wie komplexe Geschichte auf einen Aspekt zu reduzieren – so Unterschiedliches wie englisch spirit, mind und ghost. Was bedeutet es für das Verständnis von Hegels Phänomenologie des Geistes, wenn schon die Übersetzung des Titels in unüberwindbare Schwierigkeiten führt? Was bedeutet es, in verschiedenen Sprachen darüber zu reden? Der Kongress auf Ischia hat darauf eine praktische Antwort gefunden: die gelebte Polyphonie der Mehrsprachigkeit.

Dass sich unter den Autoren des äusserst sorgfältig und ansprechend edierten Bandes neben Philosophen, Sprachwissenschaftern und Linguisten auch Schriftsteller (Valère Novarina, Franz Czernin) und Künstler (Hans Danuser, Patrice Hamel) befinden, macht deutlich, wie sehr die Thematik der Mehrsprachigkeit über die Sprachlichkeit hinausreicht in grundsätzliche Fragen der ästhetischen Praxis und künstlerischen Inszenierung.

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