Geschlechtsumwandlung im Gefängnis?
Der Staat ist kein Freund der Minderheiten.
Vor wenigen Wochen wurde der ehemalige US-Soldat Bradley Manning von einem Militärgericht zu 35 Jahren Haft verurteilt – unter anderem wegen Spionage. Manning hatte vertrauliche Dokumente an die «Whistleblower»-Plattform Wikileaks weitergereicht und damit einige pikante Details der US-Diplomatie und -Kriegsführung publik gemacht. Wenige Tage nach der Urteilsverkündung gab Manning bekannt, künftig den Vornamen Chelsea tragen zu wollen. Ausserdem strebe sie eine Hormonersatzbehandlung an, um ihr Leben als Frau fortsetzen zu können.
In konservativen Kreisen folgte eine erregte Diskussion: Kann es Aufgabe des Staates sein, Gefängnisinsassen eine Geschlechtsanpassung zu ermöglichen? Sprecher der zuständigen Haftanstalt lehnten eine entsprechende Behandlung umgehend ab. Mannings Anwälte kündigten rechtliche Schritte gegen diesen Entscheid an.
Die Ökonomin und «Monat»-Autorin Deirdre McCloskey, welche einst selbst eine geschlechtsangleichende Behandlung durchlaufen hatte, kommentierte trocken: «Chelsea wird durch das Gefängnissystem nicht annähernd jene Behandlung erhalten, welche ich für mich selbst kaufen konnte – von einer Nasenkorrektur bis zu den ganzen Klempnerarbeiten. Wenn du mit deinem Leben etwas Ungewöhnliches machen willst, dann solltest du dich auf den Markt verlassen, nicht den Staat oder Mehrheitsentscheidungen.»
Eine flippige Bemerkung, sicher. Aber sie enthält eine fundamentale Weisheit, die Beachtung verdient – vor allem von all jenen, die immer wieder glauben, durch politische Eingriffe gesellschaftlichen Minderheiten «helfen» zu können. Denn Tatsache ist: der Staat ist kein Freund der Minderheiten. Demokratische Politik richtet sich danach, welche Massnahme einer Mehrheit schmackhaft gemacht werden kann, nicht einer Minderheit. Reguliert der Staat, so vereinheitlicht er. Er setzt Standards, er harmonisiert. Und er tut dies auf dem kleinsten demokratischen Nenner. Abweichungen, Besonderheiten – oder wie McCloskey sagt: «Ungewöhnliches» – sind also nicht das Metier der Politik. Im Gegenteil, staatlich regulierte Lebensbereiche erschweren das Abweichen. Sei es im Gefängnis, im Militär, in der Schule oder auf dem Sozialamt: vor dem Staat sind alle Bürger gleichermassen normiert, kategorisiert, schubladisiert. Anders der Markt. Hier begegnen sich unzählige Anbieter und Nachfrager mit einem Ziel: Gewinn einfahren. Wenn sich mit einem Bedürfnis Gewinn erzielen lässt – und sei es noch so «ungewöhnlich» –, so wird sich jemand finden, der ein Angebot unterbreitet. Darum ist der Markt bunt und vielfältig. Und ein Segen für Minderheiten, die eben nicht der Norm entsprechen.
Der Markt diskriminiert nicht, er bietet jedem etwas. Warum? Ganz einfach: Diskriminierung ist nicht effizient! Wenn ein Anbieter Vorbehalte gegen eine Minderheit oder ihre Wünsche hegt – etwa aufgrund religiöser Überzeugung –, dann findet sich sofort ein anderer, der auf diese Überzeugung pfeift und lieber Geld verdienen möchte. Und wenn sich eine ganze Gruppe von Anbietern zum Boykott einer Minderheit verschwört, dann wird der Anreiz umso grösser, aus der Phalanx auszubrechen und mit einem abweichenden Angebot satte Gewinne einzustreichen. Das gilt übrigens gleichermassen für Waren-, Wohnungs- oder Arbeitsmärkte.
Ein Beispiel: Immer wieder zeigen Studien, dass vermeintliche Lohnnachteile von Frauen bei genauem Hinsehen eine Illusion sind. Laut aktuellen Untersuchungen der Ökonomen Francine D. Blau und Lawrence M. Kahn sowie von Claudia D. Goldin und Lawrence F. Katz spiegeln Lohnunterschiede stets Unterschiede in der Qualifikation, Arbeitsleistung oder Branche wider. «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit»? Am Markt eine Selbstverständlichkeit, denn eine systematische Diskriminierung rechnet sich auf Dauer nicht. Ausschliessen, Benachteiligen, Unterdrücken – das kann langfristig nur der Staat. Mit Zwang und der ganzen Wucht einer Mehrheit. Wer Politik einsetzt, um Minderheiten zu helfen – sei es durch Quoten, Mindestlöhne oder Subventionen –, der macht den Bock zum Gärtner.
Minderheiten brauchen also vor allem eines: einen freien Markt. Chelsea Manning wird das an ihrem eigenen Körper erfahren müssen.