Die Wahl der ­Geschlechtsidentität untergräbt den Feminismus

Das Verständnis von Geschlecht und Geschlechterrollen hat sich in den letzten Jahrzehnten mehrmals verändert. Wenn nun in der Gesetzgebung der Bezug zur Biologie ganz gekappt wird, bringt das Frauen erhebliche Nachteile.

Die Wahl der ­Geschlechtsidentität untergräbt den Feminismus
Rosa Freedman & Rosemary Auchmuty, zvg.

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Die jüngsten Debatten über die Inklusion von Transmenschen in Grossbritannien und in den USA haben das Recht vor neue Herausforderungen gestellt, die unweigerlich auch für viele andere westliche Länder von Bedeutung sein werden. Die vorgeschlagene Ausweitung der Kategorie «Frau» auf Personen, die sich selbst als Frauen bezeichnen, ohne körperliche Angleichungen vorgenommen zu haben, wird mit verschiedenen Argumenten begründet. Auf der einen Seite umfassen sie Sympathie für Menschen, die sich im falschen Körper gefangen fühlen. Auf der anderen Seite herrscht die Überzeugung, dass Personen bei der Geburt geschlechtlich falsch identifiziert wurden und in Wirklichkeit einem anderen Geschlecht angehören als dem, das ihnen ursprünglich «zugewiesen» wurde, wie es heute im Jargon heisst.

Eine gedankliche Lücke klafft zwischen diesen beiden Ansichten. Die eine akzeptiert, dass Geschlecht biologisch bestimmt sei, während es für das Gesetz gleichwohl angemessen sein kann, eine Person als Angehörige des anderen Geschlechts zu behandeln, sollte sie dies benötigen, um sich als Individuum zu entfalten. Die andere Auffassung wiederum bestreitet, dass Geschlecht biologisch festgelegt sei. Sie meint, dass Geschlecht durch die Art und Weise bestimmt werde, wie man sich fühle – durch das Gehirn und nicht durch den Körper.

Die erste Auffassung liegt den Gesetzen zugrunde, die es Menschen ermöglichen sollen, ihr rechtliches Geschlecht zu ändern. Das 2004 erlassene britische Gesetz zur Anerkennung des Geschlechts (Gender Recognition Act, GRA) erlaubt es beispielsweise, jemanden als eine Person des anderen Geschlechts zu behandeln, wenn diese eine Bescheinigung zur geschlechtlichen Anerkennung (Gender Recognition Certificate, GRC) erhalten hat. Deren Besitz ermöglicht es der Person, ihre Geschlechtsangabe in allen offiziellen Dokumenten – Geburtsurkunde, Führerschein, Reisepass – zu ändern. Um eine Geschlechtsanerkennungsbescheinigung zu erhalten, muss eine Person eine ärztlich diagnostizierte Geschlechtsdysphorie haben, volljährig sein, zwei Jahre lang als das andere Geschlecht gelebt haben und zudem beabsichtigen, dauerhaft in diesem zu bleiben. Eine chirurgische Veränderung des Körpers ist nicht erforderlich. Der GRA schafft eine rechtliche Fiktion, nach der die Person von nun an für viele Zwecke als Angehörige des anderen Geschlechts behandelt wird. Rechtliche Fiktionen gibt es in Bereichen, in denen etwas, von dem man weiss, dass es in Wirklichkeit nicht wahr ist, für die Zwecke des Gesetzes als Wahrheit behandelt wird: zum Beispiel ein Unternehmen als juristische Person.

Für bestimmte Zwecke behalten Personen jedoch die Merkmale ihres Geburtsgeschlechts bei, die sie von Personen unterscheiden, die mit dem erworbenen Geschlecht geboren wurden. Ein offensichtlicher Unterschied ist medizinischer Natur: Die Bedürfnisse einer Transgenderfrau fallen nicht den gynäkologischen oder geburtshilflichen Versorgungsleistungen eines Krankenhauses zu, die eines Transmannes hingegen schon. Das Gesetz erkennt auch einige Situationen an, in denen die Person mit einem GRC nicht dem neuen Geschlecht zugeordnet werden kann.

Geschlecht und Recht

Diejenigen, die argumentieren, dass Transfrauen nicht nur wie Frauen behandelt werden sollten, sondern Frauen seien, wollen «Geschlecht» («sex») und «Geschlechtsumwandlung» («sex change») als eigenständige Konzepte abschaffen und sie durch ein einziges Merkmal ersetzen: «Geschlechtsidentität». Sie haben sich auch dafür eingesetzt, dass die Anforderung einer medizinischen Diagnose von Geschlechtsdysphorie für eine Behandlung abgeschafft wird und dass die Menschen sich geschlechtlich einfach selbst identifizieren können. Diese Vorschläge wurden 2020 von der britischen Regierung abgelehnt. Innerhalb der Gruppe, die sich für solche rechtlichen Änderungen einsetzt, gibt es wiederum verschiedene Denkweisen. Die eine besagt, dass Geschlecht eine Frage der Wahl sei oder sein sollte. Chromosomen und Genitalien seien irrelevant; man sei das Geschlecht, das man zu sein vorgebe. Die andere stimmt zu, dass Chromosomen und Genitalien für die Bestimmung des Geschlechts nicht ausschlaggebend seien, ist aber der Meinung, dass das Geschlecht dennoch angeboren sei: Es sei keine Wahl, sondern werde bei der Geburt festgelegt – allerdings nicht durch die Biologie.…

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