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Frauen verzweifelt gesucht
Das Festivalpublikum auf der Piazza Grande in Locarno. Bild: MSF Moon&Stars Festival.

Frauen verzweifelt gesucht

Gegen die Männerdominanz: Musikerin Sophie Hunger kämpft auf Twitter und ein feministisches Luzerner Kollektiv mit Flugblättern.

Wenn Sängerin Sophie Hunger per Twitter die Organisatoren des Locarneser Musikfestivals Moon&Stars kritisiert, weil die «Main Acts» allesamt Männern vorbehalten sind, findet das breiten medialen Niederschlag. Wenn hingegen in der gleichen Woche Vertreterinnen des feministischen Hochschulkollektivs Luzern vor der Universität Luzern im Regen stehend den Besucherinnen und Besuchern einer Veranstaltung mit dem Swiss-Life-CEO Patrick Frost einen Flyer überreichen, der beklagt, dass die entsprechende Vortragsreihe – die sogenannten Reichmuth & Co Lectures – zu männerlastig sei, kräht im Blätterwald kein Hahn danach.

Man mag von der weitverbreiteten Klage, die Welt werde von Männern dominiert, halten, was man will, aber im Direktvergleich schneidet das kritische Hochschulkollektiv besser ab als die Kritikerin Hunger. Erstens haben sich die Repräsentantinnen des Kollektivs persönlich vor Ort bemüht, und zweitens haben sie auf der Rückseite des Flyers über 20 Alternativvorschläge für Referentinnen aus verschiedenen Gebieten der Ökonomie zusammengetragen; sie sind also bestrebt, nicht nur kritisch, sondern auch konstruktiv zu sein. Zwar mögen Bezeichnungen wie «ökologische» oder «feministische» Ökonomie etwas irritieren, doch finden sich auf der Liste einige durchaus valable Kandidatinnen für künftige Reichmuth & Co Lectures.

Die 2013 lancierten Vorlesungen dienen dazu, dass sich Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft coram publico (und nicht etwa nur im erlauchten Kreis) zu aktuellen Themen wie Wachstum, Regulierung, Geldpolitik oder dem Umgang mit staatlichen Mitteln und Schulden äussern und der Debatte stellen. Das Kollektiv hat nachgezählt, dass bisher 16 Männer und nur eine Frau aufgetreten sind.

Dahinter in der heutigen Zeit absichtliche oder böswillige Diskriminierung zu vermuten, ist allerdings weltfremd. Veranstalter haben heute einen starken Anreiz, Frauen zu engagieren – sei dies, weil sie von der Sache der Diversität überzeugt sind oder ganz einfach die Aufmerksamkeitsökonomie beherrschen.

Dass trotz dieser Anreizstruktur heute oft immer noch mehr Männer als Frauen auf der Bühne oder am Rednerpult stehen, hat mehrere Gründe. Einer davon dürfte sein, dass Frauen, wie viele Veranstalter bestätigen, bei Anfragen viel öfter absagen als Männer. Und ein zweiter wichtiger Grund ist, dass die hohe Nachfrage nach geeigneten Kandidatinnen auf ein nach wie vor knappes Angebot trifft, während das Reservoir an tauglichen Kandidaten, insbesondere im Wirtschaftsbereich, ungleich grösser ist. Manchmal ist das Einmaleins der Ökonomie beim Versuch, die Realität zu ergründen, halt doch noch recht nützlich. (pk)

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