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Gedankensplitter

über einige merkwürdige Entwicklungen

1 Der Diskurs über die Steuergerechtigkeit I

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble begründet den Kauf einer CD mit Daten angeblicher Steuerbetrüger wie folgt: «Hätte ich jetzt anders entschieden, hätte ich auch unser rechtlich widerspruchsfreies Vorgehen vor zwei Jahren in Zweifel gezogen.» Was heisst «rechtlich widerspruchsfrei»? Dass, soweit bekannt, die deutsche Regierung für den Kauf der ebenfalls gestohlenen Liechtensteiner Daten noch nicht verklagt worden ist. Aber was sagt er da eigentlich genau? Dass aus Gründen der Konsequenz einem Fehler zwangsläufig weitere Fehler nachgeschoben werden müssen. Wer einmal auf die schiefe Bahn geraten ist, rutscht unausweichlich immer weiter nach unten. Damit dürfte er zweifellos recht haben – wenn einem Mut und Kraft fehlen. Und das gilt nicht nur für den Rechts-, sondern auch für den Schuldenstaat. Er macht solange weiter Schulden, bis ihm niemand mehr Geld leiht; dann druckt er selber weiter Geld, bis es niemand mehr annimmt. Und dann?

2 Der Diskurs über die Steuergerechtigkeit II

Schäuble sagt weiter: «Im Ernst, mir geht es darum, dass Menschen in Deutschland das Gefühl haben, dass es trotz allen gesellschaftlichen Spaltungen fair zugeht.» Es geht also nicht um Recht, sondern darum, den Menschen ein «Gefühl» von «Fairness» zu vermitteln. Wie recht er hat! Denn wenn den deutschen Steuerzahlern 50 Prozent und mehr ihres Einkommens weggenommen wird, ist es unfair, wenn einige, denen dies unfair vorkommt, sich dagegen sträuben. Fairness verlangt gleich schlechte Behandlung für alle – nur schon aus Gefühlsgründen!

3 Der deutsche Sozialstaat

Das deutsche Verfassungsgericht hat entschieden, dass die Sozialhilfepolitik (Hartz IV) gescheitert ist. Sie sei willkürlich, menschenunwürdig. Die staatlichen Transferzahlungen sind nicht mehr durchschaubar; jeder zahlt, und jeder profitiert auch – irgendwie. Hier liegt das Problem. Der Sozial- und Vorsorgestaat, einst konzipiert, um den Bedürftigen und Alten zu helfen, führt sich durch undurchsichtige und willkürliche Geldflüsse ad absurdum. Die Mainstreampolitik folgt daraus: Gerechtigkeit muss her! Also rauf mit den Sozialleistungen. Wenn alle höhere Transferzahlungen erhalten, ist das nur gerecht. Lohnt es sich da noch zu arbeiten?

4 Griechische Szenarien

Die Finanzprobleme Griechenlands offenbaren einen Geburtsfehler der Währungsunion, den seriöse Ökonomen seit Anbeginn angeprangert haben: eine transnationale Währung einerseits und unterschiedliche Formen nationaler Budgetpolitik anderseits. Die Deutschen, damals noch bekannt für ihre Disziplin und ihr stabilitätsbewusstes Wirtschaften, stimmten der Währungsunion zu, um die politische Union voranzutreiben. Und die ärmeren Länder wollten mit von der Partie sein, wegen der erwarteten Vorteile vom voraussichtlich starken Euro. Und jetzt hat man «plötzlich» ein Problem. Griechenland hat sich lange vom starken Euro tragen lassen und zu günstige Kredite aufgenommen, d.h. es hat sich faktisch im Windschatten Deutschlands und der stärkeren EU-Länder in unglaublichem Masse verschuldet. Was nun? Eigentlich gibt es nur drei Möglichkeiten, die vierte – ein radikales griechisches Sparprogramm – ist illusorisch. Variante eins: Griechenland aus der Währungsunion auszuschliessen (mit unabsehbaren Folgen, da die Griechen die Euros nicht freiwillig zurückgeben dürften); Variante zwei: Griechenland bankrott gehen zu lassen (mit unabsehbaren Folgen für den Wert des Euros); Variante drei: Griechenland unter die Arme zu greifen (mit unabsehbaren Folgen, da dies auch Begehrlichkeiten bei Spaniern, Portugiesen und anderen wecken dürfte – Fairness lässt grüssen). Für Spannung ist gesorgt.

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