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«Durch das Regenwetter wurde ich genötigt, den ganzen  Nachmittag im Wirtshaus zu verbringen»
Andreas Berz, Bernard Degen (Hrsg.): Von meiner Gesellenwanderung (1900–1902). Aufzeichnungen des bedeutenden Politikers als junger Mann. Zürich: Chronos, 2025. Bild: www.chronos-verlag.ch.

«Durch das Regenwetter wurde ich genötigt, den ganzen
Nachmittag im Wirtshaus zu verbringen»

Als junger Druckergeselle ging der spätere SP-Politiker Robert Grimm auf die «Walz». Seine Erlebnisse sind nun als Buch erschienen.

Es gab eine Zeit, da linke Politiker nicht vom Hörsaal direkt ins Parlament (oder in die geheizten Büros einer Gewerkschaft) wechselten, sondern die Lage der Arbeiterklasse aus eigener praktischer Erfahrung kannten. So auch Robert Grimm (1881-1958), der die Schweizer Arbeiterbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts massgeblich prägte, insbesondere auch durch seine Rolle im Landesstreik 1918.

Aufgewachsen in einer Weberfamilie in Wald im Zürcher Oberland, machte Grimm eine Lehre als Buchdrucker. Danach ging er, wie es damals noch üblich war, auf die «Walz», also auf Wanderschaft, in seinem Fall durch Süddeutschland und Österreich-Ungarn. Den letzten Teil dieser Lehr- und Wanderjahre, die ihn von Graz zurück in die Schweiz führte, hielt er in einem Bericht fest, der nun in Buchform erschienen ist.

Das Werk zeigt zum einen die praktischen Schwierigkeiten, die damals mit einer solchen Reise verbunden waren. So kämpfte Grimm immer wieder mit Geldproblemen. Zu seinem Aufenthalt in Celje im heutigen Slowenien notierte er: «Durch das andauernde Regenwetter wurde ich genötigt, den ganzen Nachmittag im Wirtshaus zu verbringen, was jedoch für meinen Geldbeutel nicht gerade von Vorteil war.» Er berichtete von Schikanen durch Behördenvertreter, aber auch von der Grosszügigkeit der Einheimischen und von Freundschaften mit anderen Wandergesellen.

Das Buch gibt einen Einblick in das Europa vor dem Ersten Weltkrieg. Insbesondere erhält der Leser einen Einblick in die damals noch relativ junge Arbeiterbewegung und erfährt, wie diese den jungen Grimm prägte.

Interessant auch, was Grimm als Lehren schildert, die ihm sein Vater auf den Weg gegeben habe:

«1. Selber gewollt, nie klagen.

2. So schaffen, wie wenn die Druckerei Dir gehörte.

3. Beim Aufstehen stets an die Pflichten des kommenden Tages denken.»

Wenn sich doch die heutigen selbsternannten Vertreter der Arbeiterklassen auf solche Tugenden besinnen würden… (Lukas Leuzinger)

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