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Wege zum unbekannten Ziel
Stephan Mathys: Aber wohin. Zürich: Edition 8, 2023.

Wege zum unbekannten Ziel

Stephan Mathys: Aber wohin. Zürich: Edition 8, 2023.

In seinem Debütroman «Unfroh» (2020) hatte der Berner Autor Stephan Mathys vom Schicksal des Ich-Protagonisten Nik Schaller erzählt, der auf der Suche nach dem Lebens- und Liebesglück der selbstsicher auftretenden Schaufensterdekorateurin Sandra Steiger begegnet und mit ihr eine Familie gründet. In seinem neuen Roman «Aber wohin» erzählt er nun die Lebens- und Liebesgeschichte aus der Ich-Perspektive von Sandra. Rückblickend zeichnet die Protagonistin ihre Kindheit und Jugend in einem wohlbehüteten Elternhaus auf, schildert ein Leben, in dem sie sich zunehmend unfrei fühlt und aus dem sie auszubrechen versucht.

So erzählt sie vom wiederholten Scheitern verschiedener Liebesbeziehungen, von ihrer Ausbildung als Schaufensterdekorateurin, von ihren künstlerischen und literarischen Interessen. Ihre aus «Unfroh» bekannte Begegnung und Ehe mit Nik Schaller findet aus der Sicht Sandras eine ergänzte und die Vermutungen Niks konkretisierende, inter­essante und spannende Erzählversion. Dazu zählen besonders ihre Reflexionen nach den ersten Zusammentreffen, detaillierte Beschreibungen ihres familiären Alltags nach der Geburt der beiden Kinder, ihre Bekenntnisse der wachsenden, «lähmenden» Monotonie und der sich mehrenden Konflikte im Zusammenleben, die schliesslich zum Bruch der Ehe führen. Nach der Trennung von Nik sieht sich Sandra mit der gewaltigen Problematik konfrontiert, ihr Leben neu zu ordnen und zu gestalten. Das Gefühl einer existenziellen Entwurzelung treibt sie zu einer rastlosen Lebenssuche, ohne allerdings ein konkretes, glückliches Ziel zu erreichen. Sie fällt in eine «mittelschwere Depression», aus der sie sich aber durch ihre zeichnerische und malerische Arbeit retten kann – eine Arbeit, die am Ende des ­Romans in einer Ausstellung, in der Sandra dem glücksverlustigen Nik wiederbegegnet, Anerkennung findet.

Stephan Mathys gelingt es, durch die erzählerisch präzisen und bewegenden Aufzeichnungen seiner Protagonistin eine Nähe zur Lebenssuchenden herzustellen und Empathie für sie zu entwickeln: Mit «Aber wohin» zeigt er sich erneut als ein genau beobachtender und einfühlsamer Erzähler komplexer Lebensgeschichten, dem fraglos ein breiteres Lesepublikum zu wünschen ist.

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