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Selbstauferlegte Zensur

Warum der «Blick» in Sachen Hirschmann schweigt

Bemerkenswertes spielt sich auf dem Boulevard ab: Der Zürcher Jetsetter Carl Hirschmann wird vom Bundesgericht wegen sexueller Nötigung und mehrfacher sexuellen Handlungen mit Kindern schuldig gesprochen – und der «Blick» verliert kein Wort darüber.

Grund dafür ist ein aussergerichtlicher Vergleich. In diesem verpflichtet sich Ringier, von Berichterstattungen über Carl Hirschmann abzusehen – mit einer Ausnahme: Wenn sich Ereignisse von öffentlicher Bedeutung in Verbindung mit seiner Person ereignen, darf Ringier sachlich darüber berichten.

Der Vergleich ist das Resultat einer juristischen Auseinandersetzung nach einer falschen und somit persönlichkeitsverletzenden Berichterstattung durch den «Blick». Zu Recht hat sich Hirschmann gegen die Vorverurteilungen durch die Medien zur Wehr gesetzt. Der Vergleich ist eine im Rahmen der Vertragsfreiheit zulässige Selbstbeschränkung und das Ergebnis einer schlauen Verhandlung.

Fraglich ist dagegen, wenn sich das Medienhaus aus Angst vor weiteren Rechtsstreitigkeiten selber eine Zensur auferlegt. Ringier hat es unterlassen, über ein Ereignis grosser Tragweite zu informieren. Hier geht es nicht um Klatsch zu sexuellen Handlungen zwischen einem Teenager und Hirschmann. Hier geht es um einen höchstrichterlichen Entscheid, der den Umfang des Strafverfolgungsinteresses der Allgemeinheit bei sexuellem Kindsmissbrauch grundsätzlich klärt.

Statt zu schweigen hätte man das Urteil auch jenseits des Mainstreams kritisch hinterfragen können: Immerhin stand das Opfer kurz vor seiner sexuellen Mündigkeit und war wohl diesbezüglich urteilsfähig – darauf lässt jedenfalls das Desinteresse des Opfers an der Strafverfolgung schliessen.

Dem Informations- und Kontrollauftrag als Teil eines funktionierenden Rechtsstaates – die niemals zur Disposition stehen sollten – kommt Ringier mit Schweigen jedenfalls nicht nach. 

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