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Deutsche Tugendsünden
Bild: Cover von «Land der Tugend»

Deutsche Tugendsünden

Die junge Chinesin Yan Bian blickt auf Deutschland – und wundert sich gehörig.

Als die junge Chinesin Yan Bian im beschaulichen Bonn ankommt, um dort als Au-Pair zu arbeiten, wundert sie sich: Wie nur können es die Deutschen wagen, ihre Kinder in einen Fahrrad-Anhänger zu setzen und diesen auf die Hauptstrasse zu führen? Sie schreibt: «Ich schämte mich, Teil dieses kindeswohlgefährdenden Verkehrshindernisses zu sein, aber andererseits war ich froh, dass offenbar auch andere Deutsche befremdet darüber waren, dass man als wohlhabende Familie ohne Not auf diese Verkehrsmittel zurückgriff, obwohl alle Naherholungsgebiete auch mit dem Auto super zu erreichen waren.»

Wie es sich mit einer Sache verhält, erfährt man oft erst, wenn man sie anderen Augen und Ohren aussetzt. Den frischen Blick, den es dafür braucht, hat Yan Bian, und sie bringt auch den Mut auf, ihre Beobachtungen zu äussern. Etwas, was sie in Deutschland gelernt haben muss – denn hier sei es, anders als in China, «geradezu eine Pflicht, eine eigene Meinung zu haben». Je weiter weg sie sich vom bürgerlichen Bonn entfernt, desto mehr irritiert ist sie: Die Menschen in einem Freizeitpark etwa nimmt sie als rau, ungehobelt und verwahrlost wahr. Fast alle Besucher seien tätowiert und übergewichtig: «Selbst von Bauern oder Müllmännern, die ich in Deutschland gesehen hatte, war ich ein solches Aussehen nicht gewohnt». Den báizuǒ – «weisse Linke», die sie «Woke-Gelehrte» nennt, «die immer neue Tugenden in allen möglichen Fachbereichen entdecken» – hat sie den Titel des Buches, «Land der Tugend», gewidmet.

Einen Schwachpunkt hat das höchst unterhaltsame Buch allerdings auch: Es ist nicht nur furchtbar billig gebunden («Printed in Poland»), sondern hat auch ein besonders hässliches Cover. Diese Frau hat einen anständigen Verlag verdient! (rg)

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