Muss es denn eine selbständige Stiftung sein?
Möglichst viele Stiftungsfranken in die Förderung.
Was aber, wenn die Betriebskosten zu hoch sind und den Vermögensertrag auffressen? Die Dachstiftung als Alternative.
Nicht nur die Reichsten, sondern zunehmend auch Personen aus dem Mittelstand treten als Stifter auf. Vor allem Doppelverdiener sparen in ihrem Leben bisweilen ein beträchtliches Vermögen an, das sie nach der Pensionierung vielleicht gar nicht aufbrauchen. Auch Paaren mit Kindern kommt dann der Gedanke, einen Teil ihres Vermögens einem gemeinnützigen Zweck zuzuführen. Und viele von ihnen wollen die Wirkung ihres Engagements noch selber erleben. Sie errichten ihre Stiftung schon zu Lebzeiten und investieren nebst ihrem Geld viel Zeit und Arbeit; denn von jedem eingesetzten Franken soll möglichst viel den geförderten Projekten zugutekommen. Geprägt von ihrer beruflichen Biographie, verstehen sie sich auch in ihrer neuen philanthropischen Rolle als wirkungsorientiert und business-minded. In diesem Rahmen ist eine Million Franken ein stattliches Vermögen, aus dessen Ertrag man schon einige gemeinnützige Vorhaben fördern kann.
Die meisten Förderstiftungen sind auf unbestimmte Dauer angelegt. Dass sie ihre Stifter überdauern, ist nebst dem eigentlichen Förderzweck zumeist ein zentrales Anliegen. In der Regel ändert sich aber nach dem Abgang der Stiftergeneration die Kostenstruktur deutlich. Nachfolgende Stiftungsräte mögen zwar ehrenamtlich arbeiten, sie konzentrieren sich dabei aber auf das Wesentliche. Vermögensverwaltung, Buchhaltungs- und eigentliche Sekretariatsarbeiten werden eher zugekauft, wodurch jährliche Kosten im deutlich fünfstelligen Bereich entstehen. Bei einer Million Franken Stiftungsvermögen – was auf mehr als die Hälfte der Schweizer Stiftungen zutrifft – versickert daher ein grosser Teil der Erträge in den eigenen Betriebskosten. Im schlimmsten Fall erlischt die Fördertätigkeit, und die Unsterblichkeit wird zur Versteinerung.
Selbst wenn sich jemand mit der eigenen Stiftung philanthropisch quasi verewigen will: ein in diesem Sinne steinernes Denkmal entspricht wohl kaum dem Stifterwillen. Um aber eine eigenständige Förderstiftung langfristig mit vertretbarem Verwaltungskostenanteil zu betreiben, ist ein Vermögen von mindestens zehn Millionen Franken erforderlich.
Damit stellt sich die Frage, ob es denn eine eigene Stiftung sein muss. Nach dem aktuellen Schweizer Stiftungsrecht ist es möglich, eine Dachstiftung zu gründen und darin eine unbestimmte Anzahl Stiftungsfonds – quasi unselbständige Stiftungen – zu errichten. Diese teilen sich in die Fixkosten und können damit im Verhältnis zum Stiftungsvermögen die gleiche Förderwirkung wie sehr grosse Stiftungen erreichen. Dabei profitieren sie nicht nur vom pooling der eigentlichen Administration. Auch die Vermögensverwaltung kann gemeinsam erfolgen, was deutlich tiefere Spesen verursacht. Und nicht zuletzt ermöglicht die so erreichbare kritische Masse den Betrieb einer gemeinsamen Geschäftsstelle mit der notwendigen Professionalität bei der Selektion, Begleitung und Evaluation von Projekten und bei der Überwachung der Anlagestrategie.
Ein Stiftungsfonds innerhalb einer Dachstiftung hat neben diesen sogenannten Skaleneffekten weitere Vorteile: so erfolgt etwa die Errichtung wesentlich schneller und kostengünstiger als diejenige einer separaten Stiftung, da weder ein Notariat noch die Aufsichtsbehörden involviert werden müssen. Und die Organisation des Fonds kann – wenn dies die Statuten und Reglemente der Dachstiftung zulassen – mittels Richtlinien oder über einen Schenkungsvertrag individuell geregelt werden. Dabei kann der Fondsgeber einen Förderbeirat einsetzen, der die Vergabungen aus seinem Fonds vorbereitet und dem Stiftungsrat vorschlägt. Oder er kann die Förderentscheide auf der Grundlage des von ihm bestimmten Fondszwecks ganz dem Stiftungsrat der Dachstiftung überlassen.
Das Innenleben eines Stiftungsfonds ist also – wenn die Statuten der betreffenden Dachstiftung dies zulassen – individuell gestaltbar. Will jemand seine Fördertätigkeit als intensives Hobby betreiben, dann kann er den ganzen Förderablauf, von der Identifikation möglicher Destinatäre und Projekte über die Projektbegleitung und das controlling bis zur öffentlichen Berichterstattung über die Fördererfolge, entsprechend organisieren. Er kann sich passende Fachpersonen in einen Förderbeirat holen, die ihn – wie ein fondsspezifischer Stiftungsrat – in seinen Förderaktivitäten unterstützen und diese nach seinem Rücktritt in seinem Sinn weiterführen. De iure trifft der Förderbeirat zwar keine Vergabeentscheide, sondern beantragt diese beim Stiftungsrat der Dachstiftung. Dieser ist aber an den Zweckartikel des Fonds gebunden. Zudem kann im Schenkungsvertrag, der jeder Errichtung eines Stiftungsfonds zugrunde liegen sollte, vereinbart werden, dass der Stiftungsrat Anträge nur aus schwerwiegenden Gründen ablehnen kann. Ist der Stiftungsfonds auf unbestimmte Dauer angelegt, kann der Stifter auch Vorkehrungen für die Zeit treffen, da er seinem Hobby nicht mehr selber nachgehen will oder kann. In der Regel ist dann vertiefte Sachkenntnis und hohe Professionalität gefragt, jedoch im Umfang eines kleineren Teilzeitpensums – etwas, das die gemeinsame Geschäftsstelle der Dachstiftung gut bieten kann. Damit kann die langfristige Wirksamkeit in einem Stiftungsfonds besser gewährleistet werden als in einer zu kleinen eigenständigen Stiftung.
Freilich gibt es auch Stifter, die sich mit der Abwicklung ihrer Förderanliegen gar nicht selbst befassen wollen. Ihnen genügt es, den Verwendungszweck zu definieren. Und vielleicht wollen sie dann und wann auf einfachem Weg Vorschläge für konkrete Projektförderungen machen, deren Ausführung dann aber ganz dem Stiftungsrat und der Geschäftsstelle überlassen. Auch dieser Fall lässt sich in einer Dachstiftung problemlos regeln.
Ebenso lässt sich die Sichtbarkeit des Förderers nach individuellem Wunsch gestalten. Will jemand persönlich in Erscheinung treten, dann kann der Fonds seinen Namen tragen. Will jemand diskret im Hintergrund bleiben, dann kann man den Fonds nach seinem Förderzweck oder mit einem Phantasienamen benennen oder die Förderaktivitäten über einen allgemeinen Fonds der Dachstiftung abwickeln.
Ein Stiftungsfonds innerhalb einer Dachstiftung bietet somit fast alle Vorteile einer eigenen Stiftung, jedoch ohne deren typische Nachteile. Einen wichtigen Punkt haben die beiden allerdings gemeinsam: das einmal gestiftete Vermögen darf dem Stifter, der Stifterin nicht zurückgegeben werden. Der Anschluss an eine Dachstiftung ist daher in hohem Mass eine Vertrauenssache. Je nach persönlichen Vorlieben kann es deshalb angezeigt sein, sich einer Dachstiftung mit klar erkennbarer ideeller, politischer oder religiöser Ausrichtung anzuschliessen.
Auch gibt es immer mehr banknahe Stiftungen, deren Geschäftsstellen in der Regel von der betreffenden Bank gesponsert sind; ob dies den grundsätzlichen Interessenkonflikt zwischen gemeinnützigem Geldausgeben und gewinnorientierter Vermögensverwaltung aufwiegt, muss der Stifter im Einzelfall selber beurteilen. Viele dürften einen unabhängigen, neutralen Rahmen vorziehen, in dem sie ihren Förderzweck individuell definieren können.
In jedem Fall aber stellt sich die Frage, wie man die Vertrauenswürdigkeit einer Dachstiftung erkennen kann, bevor man ihr sein Vermögen anvertraut. Wertvolle Hinweise dazu bietet der Swiss Foundation Code.* Er postuliert drei Grundsätze für gute Stiftungsgovernance: wirksame Umsetzung des Stifterwillens, checks and balances in der Stiftungsorganisation sowie Transparenz über Grundlagen, Ziele, Strukturen und Tätigkeiten der Stiftung. Darauf bauen 26 konkrete Empfehlungen für die Gründung und Führung von Förderstiftungen auf. Diese können dem potentiellen Stifter gut als formale Beurteilungskriterien bei der Auswahl der passenden Dachstiftung dienen.
Dank seiner flexiblen, individuellen Gestaltbarkeit bietet ein Stiftungsfonds – wenn die Dachstiftung das zulässt – sogar die Möglichkeit einer Probephase: zu Beginn können die zu vergebenden Fördergelder in Tranchen nach Bedarf eingebracht werden; die Einzahlung des zu widmenden Vermögens kann dann erfolgen, wenn sich das Vertrauen in die Dachstiftung gefestigt hat. Damit öffnet sich auch eine Möglichkeit für bereits bestehende Kleinstiftungen, die von der obenbeschriebenen Versteinerung bedroht oder bereits befallen sind. Sie können schrittweise in eine Dachstiftung eingebracht werden und damit dem ursprünglichen Stifterwillen zu neuer Wirksamkeit verhelfen.
*vgl. dazu den Beitrag von Parisima Vez in dieser Ausgabe, S. 28 ff.