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Lebenseigentümer

Der amerikanische Forscher und Unternehmer Craig Venter will die Erfindung der ersten synthetisch hergestellten Lebensform patentieren lassen. Wird der Antrag gutgeheissen, wäre das alte Problem gelöst, wem das Leben gehört.

Was ist Leben? Eine einfache Frage, so scheint es; doch

gibt es auf einfache Fragen selten einfache Antworten. Die

Wissenschaft jedenfalls ist bisher eine zufriedenstellende

Antwort schuldig geblieben. Gewiss, das Wissen der Molekularbiologie

ist seit der Entdeckung des DNA-Aufbaus

und der Funktionen von Genen weit gediehen. Mit dem

Wissen ist freilich auch das Nichtwissen gewachsen. Die

Hoff nungen, das Buch des Lebens lasse sich in nützlicher

Frist nicht nur entziff ern, sondern auch verstehen, sind in

der Wissenschaftsgemeinde längst realistischer Bescheidenheit

gewichen.

Das war vor einigen Jahren noch anders. Craig Venter,

Inhaber der Celera Genomics Corporation, inszenierte vor

der Jahrtausendwende einen Wettkampf zwischen sich und

der öff entlichen Forschung um die Enträtselung des menschlichen

Lebens. Kaum war das Humangenom im Jahre 2001

publiziert, stellte sich jedoch heraus, dass die Funktionalität

von Genen vielschichtiger ist als angenommen. Was folgte,

war Verwirrung. Lange Zeit kursierte in wissenschaftlichen

Kreisen die Rede von Junk-DNA, mithin von unnützer genetischer

Information, aus der ein Grossteil unseres Erbguts

bestehen soll. Neuerdings wollen Molekularbiologen aber

herausgefunden haben, dass auch die angebliche Junk-DNA

lebenswichtige Funktionen erfülle. Wir sind wohl nun defi

nitiv in jener Ära der postgenomics angekommen, die uns

Wissenschaftshistoriker wie der in Berlin lehrende Hans-

Jörg Rheinberger bereits vor Jahren prophezeit haben.

Das natürliche Leben, das sich über Millionen von Jahren

entwickelt hat, ist zu komplex, als dass der Mensch es

mit seinem – ebenfalls in der Evolution entstandenen – Gehirn

durchschauen könnte. Also macht er sich daran, sauberes

Leben im Labor zu konstruieren. Genau dies tut derzeit

Craig Venter, der – wie jüngst bekannt wurde – einen

weltweiten Patentantrag für das erste künstlich hergestellte

Bakterium einreichte.

Venter ist kein Phantast, sondern Unternehmer. Bereits im

Jahre 2003 hatte sich seine Ankündigung, dass ein ihm unterstelltes

Team von Wissenschaftern einen Virus aus einzelnen

Genstücken fabriziert hätte, später bewahrheitet. Während

Viren auf einen Wirt angewiesen sind, um sich fortzupfl anzen,

ist das Bakterium ein sich selbst erhaltendes und reproduzierendes

Lebewesen. Von der Öff entlichkeit weitgehend

unbemerkt, ist der amerikanische Forscher also im Begriff e,

die erste autonome Lebensform im Labor zu synthetisieren.

Ihr leicht ironischer Name: Mycoplasma laboratorium.

Das Genom wird behandelt wie ein Baukasten. Die circa

500 Gene des kleinsten in der Natur vorkommenden

Bakteriums Mycoplasma genitalium werden zerlegt und neu

zusammengesetzt. Mit einer kleinen, aber entscheidenden

Veränderung: das neue Genom des Bakteriums enthält über

100 Gene weniger als das Original. Alle Gene, denen keine

eindeutige Funktion zugeordnet werden kann, werden entfernt.

Mycoplasma laboratorium ist also ein Bakterium mit

einem Minimalgenom, das sich – so die Hoff nung – beliebig

ausbauen und manipulieren lässt. Es ist zwar nur unter

Laborbedingungen überlebensfähig, kann jedoch als eine

Art Biomaschine in Medizin und Industrie eingesetzt werden,

um chemische Reaktionen zu beeinfl ussen.

Venter will mit Hilfe seines Bakteriums Wasserstoff und

Äthanol in gleichsam unbeschränkter Menge herstellen. Auf

fast schon liebevolle Art und Weise nennt er sein Minimalbakterium

deshalb den «ersten Billion-Dollar-Organismus».

Es versteht sich von selbst, dass der Geschäftsmann, der

viel Geld in Forschung und Entwicklung gesteckt hat, sein

Produkt patentieren lassen will. Wenn er den Patentschutz

nicht nur für alle Gene von Mycoplasma laboratorium, sondern

auch für alle – noch nicht existierenden – Organismen

beansprucht, die auf der Basis dieses Minimalgenoms hergestellt

werden könnten, dann pokert er zweifellos hoch. Sein

Antrag hat denn auch den Widerstand vieler Forscher heraufbeschworen,

die ihm vorwerfen, ein Monopol auf neue

Lebensformen anzustreben. Venter reagiert in einem «Newsweek

»-Interview mit der Gelassenheit dessen, dem der Neid

der Kollegen die höchste Auszeichnung ist: «Ich hoffe wirklich,

dass es viele andere Firmen geben wird. Wir brauchen baldige

Lösungen, und es besteht keine Garantie, dass mein Team damit

klarkommt. Aber wir sind wettbewerbsfähige Tiere, und wir

würden zweifellos gerne vor den anderen am Ziel ankommen.»

Venter ist sozusagen der lebende Beweis für seine These;

die Herstellung des ersten sich selbst reproduzierenden Organismus

verdankt sich seinem kompetitiven Geist. Selbst

die Forscher, die von öff entlichen Geldern abhängig sind

und im Namen des öff entlichen Interesses argumentieren,

können nicht umhin anzuerkennen, dass es sich hier nicht

mehr um die Entdeckung, sondern um die Erfi ndung einer

neuen Lebensform handelt. Wenn die Frage nach dem, was

Leben sei, auch weiterhin einer wissenschaftlichen Antwort

harrt, so zeichnet sich doch zu einer anderen Frage eine

Antwort ab: in Zukunft gehört Leben dem, der es erfi ndet.

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