Denn wir wissen nicht, was sie tun
Was ist Geld? Wenn die Nationalbank die Geldmenge um Hunderte von Milliarden ausweitet, erhebt sie eine unsichtbare Steuer. Diese trifft die einen mehr als die anderen. Aber weder die einen noch die anderen können an der Urne intervenieren. Einspruch!
Ich beginne mit einer simplen Erkenntnis: Der Mensch ist in dem Sinne ein materielles Wesen, dass er auf Dauer nicht allein von Illusionen leben kann.
Nur weil die Zentralbanken immer mehr Geld drucken, gibt es nicht mehr Arbeitsplätze auf der Welt.
Indem Staaten ihre Schulden mit neuen Schulden begleichen, verschwinden die Schulden nicht einfach.
Illusionen haben einen Preis für jene, die sie nicht als solche durchschauen. Die einen profitieren, die anderen bezahlen. Zum Illusionismus gehört, dass es stets Gewinner und Verlierer gibt.
Eine grosse Illusion unserer Zeit ist das Geld. Das «Trio infernale» (Gunnar Heinsohn) aus Zentralbanken, Geschäftsbanken und Regierungen spielt mit dem Eigentum der Bürger. Während sich die drei Parteien des neugedruckten Geldes als Erstverwender noch ohne Abwertung bedienen können, gehört die Mehrheit der Bürger zu den Geprellten und hat die mit dem neugedruckten Geld verbundene Abwertung einfach zu schlucken. Wenn die Kaufkraft des Geldes jährlich nur um 2 Prozent nachlässt, weil immer mehr durch Nichts gedecktes Geld in Umlauf kommt, ist in 20 Jahren der Wert des Geldes halbiert. EU-Kommissare verkünden seit einiger Zeit, man müsse sich sogar an 6 Prozent Abwertung jährlich gewöhnen. Wer mit der europäischen Illusionskultur vertraut ist, muss davon ausgehen, dass diese Prognose eher untertrieben ist.
Die Dynamik der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007 ff. wird je nach Situation und Gruppierung mit dem Fehlkonstrukt des Euro, der staatlichen Schuldenwirtschaft, der weltfremden Bonikultur der Banken oder der angeblichen Deregulierung der Finanzwelt erklärt. Ich glaube jedoch, dass das Problem viel tiefer liegt: im Geldsystem, das solche Schulden-, Währungs- und Illusionspolitik überhaupt erst möglich macht.
Dazu passt, dass simple geldtheoretische Zusammenhänge weitgehend vergessen gegangen scheinen. «Wer über das Geld bestimmt, hält den Wertmassstab der gesamten Wirtschaft in der Hand. Die Möglichkeiten der Bereicherung sind entsprechend gross», schreibt Rahim Taghizadegan, ein österreichischer Ökonom, in seinem Buch «Wirtschaft wirklich verstehen». Früher liessen Machthaber Münzen einschmelzen und mischten sie mit unedlem Metall, um so neue glänzende Münzen zu produzieren. Die römische Silbermünze Denarius hatte 211 v.Chr. einen Feinsilbergehalt von 97 Prozent. Der späte Denar brachte es noch auf 2 Prozent Feinsilber und verschwand dann infolge inflationärer Prozesse. Die Manipulationen setzen sich bis heute fort, wenn auch in subtilerer Form – der Effekt ist jedoch stets derselbe: Wertverlust. Früher waren es die Könige, die davon profitierten, heute sind es die Regierungen. Das Aufblähen der Geldmenge ist bequem. Solange das Volk den monetären Illusionismus nicht durchschaut, handelt es sich um eine unsichtbare Steuer, die sich fast beliebig erhöhen lässt.
Eine einfache Überlegung hilft, den Trick zu begreifen. Wenn über Nacht die ganze Menschheit doppelt so viel Geld hätte wie heute, dann gäbe es deswegen nicht mehr Wohlstand. Denn die Güter würden einfach doppelt so viel kosten. Und wenn der Staat plötzlich mit doppelt so viel Geld ausgestattet wäre, indem er die Notenpressen laufen lässt? Dann hat der Bürger zwar nominell nicht weniger Geld, reell aber schon, weil es plötzlich weniger wert ist. Was hier geschieht, ist nichts anderes als klug kaschierte Enteignung.
Über die grossen Fragen wird nicht abgestimmt
Papiergeld war bis zum Ersten Weltkrieg durch nicht beliebig vermehrbare Edelmetalle gedeckt. Danach wurde die Deckung verwässert – sonst hätten sich die Kriege des 20. Jahrhunderts nicht finanzieren lassen. 1971 wurde die Verpflichtung zur Goldeinlösung der Dollarnoten ganz fallengelassen (Bretton Woods). In der Schweiz wurde die in der alten Bundesverfassung vorgeschriebene 40prozentige Golddeckung des Schweizer Frankens mit der Totalrevision 1999 aufgehoben. Das Scheinargument für die Aufhebung war damals, das Geld sei ja durch Güter gedeckt, die man damit kaufen könne. Schöner als mit den Worten Rahim Taghizadegans kann man darauf nicht entgegnen: «Das entspricht der Argumentation eines Trickbetrügers, der Menschen wertlosen Ramsch andreht mit der Behauptung, er sei allein deshalb schon wertvoll, weil die doch jederzeit einen Dümmeren finden könnten, der ihnen die Sache um einen noch höheren Preis abkauft.»
In der direkten Demokratie der Schweiz führt die Politik des billigen Papiergeldes (fiat money) zu paradoxen Konstellationen. So lässt man das Volk zwar an der Urne – mit Warnung vor den hohen Kosten – über ein neues Verkehrsprojekt von einigen hundert Millionen Franken abstimmen. Zugleich weitet die Nationalbank die Geldmenge jedoch um Hunderte von Milliarden aus, ohne dass dies jemand merkt, geschweige denn darüber abstimmen darf. Dabei kommt die Geldmengenerweiterung durch die SNB einer neuen, versteckten Steuer gleich. Das Volk würde einer offen deklarierten Steuererhöhung in dieser Höhe niemals zustimmen. Doch weder Volk noch Parlament haben dazu etwas zu sagen. Über die grossen Fragen, so die Botschaft an die Bürger, bestimmen wir; ihr könnt dann über kleinere Projekte abstimmen!
Bürger tun gut daran, sich dieses Paradoxes zu vergewissern. Lenin sprach es offen aus: Der sicherste Weg, um eine Gesellschaft zu ruinieren, bestehe darin, ihre Währung zu zerstören. Wird reelle Enteignung zum Normalzustand, sind die Stunden einer gesellschaftlichen Ordnung gezählt. An die Stelle von Vertrauen tritt Misstrauen, Konsumieren wird belohnt, Sparen bestraft, die Gläubiger gehen in Bankrott, die Schuldner frohlocken.
Freude am fiat-money-System haben auch die privaten Banken, weswegen sie sich in dieser Frage vornehm zurückhalten. Das vom Staat geschützte Teilreservesystem erlaubt ihnen, fast beliebig viele Kredite – also Geld – zu schöpfen. Die Geschäftsbanken dienen als Geldmengenmultiplikator, wie ihre Funktion genannt wird. Leiht sich eine Geschäftsbank Geld von der Notenbank, kann sie dieses Geld an ihre Kunden in Form von Krediten ausleihen. Da die Geschäftsbank nur einen bestimmten Prozentsatz nicht vergeben darf, wird dadurch neues Geld generiert. Das Geld landet schliesslich wieder bei einer Geschäftsbank, die diesen Teil wiederum als Kredit vergeben kann. Somit wird zusätzliches Geld «erzeugt», das eigentlich gar nicht vorhanden ist. Das führt zu einer Verzerrung der Preise realer Güter und Leistungen – wobei auch hier: die einen profitieren, die anderen bezahlen; die einen bekommen das Geld früher ohne Entwertung, die anderen später mit Entwertung.
Die Geschäftsbank kann den Kredit der Zentralbank, für den sie kaum Zins bezahlt, aber auch anders verwenden. Sie kann damit gut verzinste Staatsanleihen kaufen und den Staaten dabei helfen, ihre Schulden mit neuen Schulden zu bedienen. Dies erlaubt ihr, die Zinsdifferenz zwischen dem Zins des Zentralbankkredits (gleich null) und dem Zins der Staatsanleihen für sich einzustecken. Das ist wie die Schaffung von Geld aus dem Nichts im Teilreservesystem ein für die Geschäftsbanken einträgliches und risikoloses Geschäft, das auf gesetzlicher Privilegierung der Finanzinstitute durch den Staat beruht. Der Staat tut dies freilich nicht aus Idealismus, sondern weil er seinerseits davon profitiert – denn wie sollte er ohne Geschäfts- und Zentralbanken, die seine Schuldpapiere zu überhöhten Preisen abkaufen, seine Schulden refinanzieren?
Die Rückkehr der Österreichischen Schule
Die wenigen, die diese Mechanismen seit langem kritisieren und die aktuelle Krise präzise vorhersagten, waren unabhängige und oftmals von der Österreichischen Schule geprägte Ökonomen. Friedrich August von Hayek warnte bereits in der Krise von 1932: «Die Depression mit einer erzwungenen Kreditausweitung zu bekämpfen ist ein Versuch, das Übel durch dieselben Mittel zu beseitigen, die es hervorgebracht haben; weil wir an einer Fehlleitung der Produktion leiden, wollen wir weitere Fehlleitungen schaffen – eine Prozedur, die nur zu einer noch schwereren Krise führen kann, sobald die Kreditausweitung an ein Ende gelangt.» Warum werden diese Ökonomen so wenig gehört? Weil sie weiterhin ein Mauerblümchendasein fristen. Sie werden von der Wissenschaft nicht anerkannt, weil sie nicht mit mathematischen Modellen hantieren, und sie werden von der Politik geschnitten, weil sie echte Freunde einer freien Marktwirtschaft und Feinde unbegrenzter staatlicher Macht sind.
Dasselbe Land, das den monetären Illusionismus konsequent förderte, indem es 1971 das ungedeckte Papiergeld zum Standard erhob, hat jedoch auch einen radikalen Antikörper hervorgebracht: Ron Paul. Er wird als aktueller US-Präsidentschaftsbewerber die Nomination zum offiziellen Kandidaten der Republikaner nicht schaffen. Doch seine Rolle ist ausserordentlich bedeutend. Er deckt seit Jahren glaubwürdig und kompetent die Manipulationen von Staaten, Zentral- und Geschäftsbanken auf. Obwohl er auf keinerlei Unterstützung von den mächtigen und finanzkräftigen Lobbys hoffen kann und obwohl ihn die Medien ignorieren, so gut es geht, unterstützt ihn eine stark wachsende Gruppe von Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Inspiriert von Ron Paul decken sich viele Menschen – ich inklusive – plötzlich mit längst vergessenen Büchern von Mises, Hayek, Rothbard oder im deutschsprachigen Raum auch mit Publikationen von Roland Baader ein. Das Links-Rechts-Schema, das in den USA das Volk noch stärker auseinanderdividiert als in der Schweiz, wird durchbrochen. Die Frage nach dem Geldsystem lässt sich nicht nach diesem Schema behandeln. Strenggläubige Evangelikale und Konservative unterstützen Ron Paul genauso wie Occupy-Aktivisten, Pazifisten und Atheisten. Sie alle eint die Idee eines friedlichen Zusammenlebens auf der Basis von Eigenverantwortung und Freiheit statt auf der Basis von Geldmanipulation, Monopolismus und staatlichem Zwang. Ausgerechnet bei den jungen Menschen erzielt der mit 76 Jahren älteste Bewerber Ron Paul die höchsten Zustimmungswerte von über 50 Prozent. Das erstaunt nicht, denn die Jungen von heute sind es, die die gravierenden Fehler der herrschenden Politiker eines Tages berappen müssen.
«Switzerland for Ron Paul»
Weltweit gibt es Ron-Paul-Gruppen wie «Switzerland for Ron Paul», die aktiv sind und die freiheitlichen Botschaften unter die Menschen bringen. Nicht schlecht staunten bezahlte, aus den USA eingeflogene Obama-Wahlhelfer, als an sogenannten Expat-Expos für englischsprachige Fachkräfte in der Schweiz plötzlich freiwillige Schweizer Ron-Paul-Unterstützer auftauchten und ebenfalls einen Stand aufstellten. Sie bekamen dafür kein Geld, sondern taten es aus Überzeugung.
Was viele geniale Theoretiker bisher nicht schafften, scheint Ron Paul zu gelingen: die Österreichische Schule, die Ideen der Freiheit, also eines echten, unparteiischen Liberalismus, einer breiten Schicht der Bevölkerung verständlich und glaubwürdig zu vermitteln. Paul zeigt auf, dass davon eben genau nicht die Mächtigsten und Finanzkräftigsten profitieren, die staatliche Regulierungen in ihrem Interesse wollen, sondern der einfache Mann und die einfache Frau wie du und ich. Der echte Liberalismus ist keine Bewegung für das Grosskapital, sondern für die einfachen Leute, für die Selbständigerwerbenden, für die Leistungsbereiten, für die Ehrlichen, für die Chrampfer.
Die Zahl der Leute, die sich mit der Österreichischen Schule befassen oder auch rein instinktiv genug haben von staatlicher Trickserei in Milliardenhöhe zu Lasten der Bürger, wächst. Das macht Hoffnung für die Zukunft. Diese Leute schreien nicht nach neuen Machthabern, nach mehr Sozialismus oder anderen Verlockungen. Sie verlangen schlicht und einfach mehr Freiheit. Natürlich werden Staaten und Bankenkartelle alles tun, um die neuen Ideen und Bewegungen im Keime zu ersticken. Doch wenn die Zeit für neue Ideen gekommen ist, kommt dagegen auch die Staatsgewalt nicht an.
So könnte die Freiheit schon bald ihren zweiten Frühling erleben. Die Österreichische Schule der Ökonomie ist ehrlich, weil sie den Menschen als das akzeptiert, was er ist und sein will – weil sie ihn anders als Sozialisten und Utopisten nicht verändern bzw. zu seinem Glück zwingen will. In einer Zeit, in der sich alle Parteien mit Forderungen nach mehr Ökologie, Sozialismus und anderen illusionistischen Verlockungen gegenseitig geradezu zu überbieten trachten, ist dies zweifellos eine gute Nachricht. Das macht sie so attraktiv für viele junge, leistungsbereite und kluge Köpfe, die die ständigen unbezahlbaren Versprechungen der Politik satthaben und sich stattdessen für eine friedlichere, gerechtere und auf Freiwilligkeit beruhende Welt engagieren.