Das Geld ist bereits privatisiert!
Staatliches Geld verliert rasant an Wert.
Wer viel davon hat, hat die Wahl.
Er kann sich eine eigene Währung zusammen-stellen. Doch was tut der Mittelstand?
«Wirtschaften ist nichts anderes, als die fortgesetzte Wahl zu haben zwischen verschiedenen Möglichkeiten», schrieb der Ökonom Wilhelm Röpke in «Die Lehre von der Wirtschaft» (1937). Für das Geld, mit dem ich seit mehr als fünfzig Jahren arbeite, gilt das nicht. Es steht nicht im Wettbewerb. Wir sind dem Geld ausgeliefert, das die Notenbank unseres Landes schafft.
Meine Generation hat erfahren, dass das heutige Geldwesen mit dem staatlichen Papiergeld die drei grundsätzlichen Funktionen des Geldes nicht erfüllen kann, nämlich die Tauschfunktion, die Funktion als Wertmassstab und die Funktion als Wertaufbewahrungsmittel. Eine geldpolitische Alternative fehlt.
Als ich Anfang der 1960er Jahre als schlechtbezahlter Trainee der damaligen Schweizerischen Kreditanstalt SKA in New York den Abschluss als Finanzanalyst machte, war das Geld an das Gold gebunden, zum festen Preis von 35 Dollar pro Unze. Folgerichtig gipfelte die Werterhaltungstheorie im Begriff des intrinsic value, des inneren Wertes – die damalige Finanzwelt dachte noch in Substanzwerten.
Dank der Goldbindung diente das Geld als fixer Wertmassstab, so wie das in Paris deponierte Metermass für jeden Schreiner und Maler unverrückbar real ist. Die Tauschfunktion – auch international – erfüllte das Gold über das fixe Wechselkurssystem von Bretton Woods. Infolge der nach dem Koreakrieg steigenden Überbewertung des Dollars begannen die USA aber schon in den 1960er Jahren, die Welt mit Papierdollars zu überschwemmen. Damit stieg die Unsicherheit über den Werterhalt sämtlicher Währungen, diente doch der Dollar als Weltwährung als ihre Referenz. Das Geldsystem war von Anfang an auf Sand gebaut.
Im Jahre 1971 schaffte der amerikanische Präsident Richard Nixon den Goldstandard ab und damit auch die Verankerung des Papiergelds in einem realen Wert. Kurz darauf brach das Fixkurs-Wechselsystem zusammen, das 1944 in Bretton Woods festgelegt worden war. In Relation zum Schweizer Franken beispielsweise fiel der US Dollar innerhalb von sieben Jahren von 4.33 CHF (1971) auf 1.47 CHF (1978), und es gelang dem damaligen Nationalbankpräsidenten Fritz Leutwiler nicht, mittels Negativzinsen die Überbewertung des Schweizer Frankens zu bekämpfen. Erst als Leutwiler zu verstehen gab, auch er könne Frankennoten in unbegrenzter Menge drucken, sank der Wechselkurs unserer Währung von 1.47 (1978) auf 2.92 CHF (März 1985) je Dollar, aber auch die Inflation stieg von 0,2 Prozent (1978) auf 7,8 Prozent (1981). Mit anderen Worten: um nicht in Schönheit unterzugehen, entschied der damalige Nationalbankpräsident unter dem Druck der Exportwirtschaft, geldpolitisch ebenfalls krank zu werden. In einem globalisierten System, das auf Sand gebaut ist, kann kein Land als Leuchtturm bestehen – eine Erfahrung, die sich auch 2010 wiederholt hat.
In der Stagflation nach 1974 verloren die Sparguthaben bei Zinsen von maximal 4,5 Prozent, die man dazu noch versteuern musste, laufend an Kaufkraft. Der Zins für Neuhypotheken stieg auf über 8 Prozent. Für viele Bankkunden war diese unglaubliche Volatilität der Nominalzinsen bedrohlich. Deshalb setzte ich ab 1981 auf die Indexierung des Geldes, d.h. auf die Anbindung des Geldwertes an das Realwachstum,* und gewährte zwei privat finanzierte «Realzins-Hypotheken» – ein erster Versuch mit privatisiertem Geld.
Der Versuch gelang. Die beiden damaligen Realzins-Hypotheken-Nehmer sind heute noch glückliche Realwert-Besitzer. Zum damals inflationsschwangeren Nominalzins hätten sie sich auf die Dauer kein Eigenheim leisten können. Zum Realzins jedoch, der in der Schweiz durchschnittlich nur 1 bis 1,5 Prozent beträgt, konnten sie es.
1990 regte ich an, dass die Luzerner und die Berner Kantonalbank die ersten Indexanleihen in der Schweiz auflegten. Dieses Experiment erwies sich als segensreich für Geldgeber und Geldnehmer. Die beiden Kantonalbanken, die damals für Obligationen einen fixen Nominalzins von 8 Prozent hätten bezahlen müssen, kamen dank der Indexierung von 2,5 Prozent über dem Konsumindex in den Tiefinflationsjahren 1994 bis 1999 mit lediglich 5 Prozent davon. Die Sparer bekamen während der ganzen Laufzeit immer 2,25 Prozent Realzins. Dies war eine Innovation. Denn der breite Nominalsparer, also der typische Mittelstandsbürger mit üblichem Sparheft oder Obligationenanleihen, vermag bei üblichen Zinsen und nach Abzug von Inflation und Steuern kaum auch nur den Wert seiner Spargelder zu erhalten.
2001 begann die amerikanische Notenbank damit, nach dem Platzen der IT-Blase an den Börsen, die Finanzmärkte mit wiederholten Geldmengenschüben anzuheizen. Im gleichen Jahr publizierten mein Sohn Remy Reichmuth und ich ein Buch über den RealUnit, einen Anlagefonds, der auf der Wirtschaftsleistung der Schweiz basiert.** Es waren rein praktische Erfahrungen, die zum Konzept des RealUnit führten. Diese Einheit – vorerst als Fondsanlage konzipiert – beruht zu einem Drittel auf Realwerten und zu zwei Dritteln auf indexierten Nominalwerten. Damit bietet der RealUnit dem Sparer einerseits die Beteiligung am Wirtschaftswachstum und schützt ihn anderseits vor der Entwertung seiner Guthaben durch die Inflation – und zwar Inflation der Vermögenswerte und der Konsumpreise. Das Interesse am Vorschlag war anfangs gering. Doch die Finanzkrise weckte bei Laien und Experten Zweifel am Staatsmonopol im Geldwesen.
Dass die Notenbanken ungedeckte Schulden in ungeahntem Umfang übernahmen, um das Finanzsystem zu retten, schürte Unbehagen. Da bot sich endlich die Gelegenheit, mit dem RealUnit-Fonds die Alternative zum blossen Nominalsparen umzusetzen und damit einen Vorschlag zur Gesundung des gesamten Geldwesens zu liefern. Das Interesse stieg.
Das Verankern normaler Sparanlagen im Bruttosozialprodukt begrenzt die übermässige Papiergeldschöpfung im heutigen Bankensystem, dem sogenannten fractional-reserve banking (Teilreserve-Banking). Die Anlehnung an die volkswirtschaftliche Leistung wirkt wie ein full-reserve-Bankensystem – wie es Friedrich A. von Hayek in seinem Buch «Entnationalisierung des Geldes» bereits im Jahre 1977 propagierte.
Dank der konkreten Massnahme, den Geldwert an das Bruttoinlandprodukt zu binden, bekommen die Sparer und Anleger des Mittelstands – die Träger der Demokratie – ein Instrument in die Hand, das sie vom Geldmonopol des Staates befreit und also unabhängig macht. Damit ist Röpkes Anliegen erfüllt, dass jeder wirtschaften, also zwischen zwei Möglichkeiten wählen können soll.
Übrigens: die Funktion des Werterhaltens hängt bereits heute weniger vom Staat ab, als allgemein bekannt ist. Die Vermögenden, die sich individuell ein Portefeuille nach ihren Bedürfnissen gestalten lassen, haben sich seit je eigene Wertaufbewahrungswährungen geschaffen. Die konkrete Finanzwelt hält sich also faktisch bereits an die Empfehlung von Hayek, dass nur eine wettbewerbliche Geldordnung das kapitalistische System retten könne.
Die derzeitige Not der Notenbanken, trotz aller Geldmonopolmacht kaum gegen den Trend der Finanzwelt handeln zu können, ist eine Folge dieser bereits weit fortgeschrittenen Entwicklung im privaten Geldwesen. Weder das Volk noch die Geldtheoretiker haben diese Machtveränderung im Geldwesen bis heute realisiert. Das ist eine gute Nachricht: es sind immer mehr die Anleger, die über das Geld regieren, und immer weniger die Staaten.
* Karl Reichmuth: «Die Indexierung des Geldes? Geld im Dilemma zwischen Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel». Niederglatt: Fortuna Finanz, 1982.
** Karl Reichmuth & Remy Reichmuth: «Der RealUnit. Zur Quelle der Geldwertstabilität». Thun: Ott, 2001.