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Blattkritik über die  Juni-Ausgabe
Tamara Wernli, zvg.

Blattkritik über die
Juni-Ausgabe

Die Juni-Ausgabe des Schweizer Monats wird von Tamara Wernli beurteilt.

Als Video Creator und Kolumnistin, die sich aktuellen Gesellschaftsthemen aus einer liberalen Sicht widmet, ist der «Schweizer Monat» für mich eine immer gerne gelesene Lektüre. Die Ausgabe mit dem Israel-Schwerpunkt ist besonders spannend, weil ich in jüngeren Jahren in Israel weilte, mich dort verliebte und meinen späteren Internet-Dating-Roman «Blinddate mit Folgen» zur Hälfte in der «Blüte der Wüste» («Schweizer Monat») spielen liess.

Ich blättere den «Schweizer Monat» zuerst einmal oberflächlich ganz durch. Dann noch einmal von vorne und Seite für Seite. Wie immer gefällt mir die Aufmachung gut; viele grosse, farbige Bilder inmitten der langen Texte lockern auf und verleihen dem gesamten Auftritt eine stilvolle Leichtigkeit.

Erstaunlich wenig Werbung. Kleine Anzeigen fallen mir gar nicht auf, gut platziert. Eine Werbung lässt mich stolpern, da ich beim besten Willen nicht dahinterkomme, für was hier geworben wird.

Wie immer gelingt es mir – aus Zeitgründen – nicht, jede einzelne Seite zu lesen. Ich gehe also vor allem auf jene Artikel ein, die mich thematisch sofort ansprechen (sorry für die anderen, steckt keine böse Absicht dahinter!).

Ronnie Grobs leidenschaftliche Kritik an der FDP ist schon mal eine schöne Spitze zum Einstieg – gefällt mir gut, v.a. weil ich seine Bedenken teile und sie Details enthält, die viele nicht kennen dürften. Dass etwa die Jungfreisinnigen des Kantons Zürich ihre Versammlung zum Covid-Gesetz in Pfizer-Räumlichkeiten abhielten und dazu noch die Ja-Parole beschlossen; das Szenario könnte glatt aus einer «South Park»-Folge stammen.

Der Schwerpunkt «Generationen» bzw. der Generationenkonflikt ist topaktuell und darum sehr interessant und gut gewählt. «Habt euch wieder lieb» trifft es ganz gut, impliziert schon ein Problem, darum macht der Titel neugierig. In praktisch sämtlichen Zeitgeist- und gesellschaftlichen Fragen ist dieser Konflikt sichtbar – und viele Junge verstehen die Älteren nicht und umgekehrt. Mir persönlich fällt dabei heute v.a. die Intoleranz der Jugend auf, das wäre ein interessanter (brisanter) Anknüpfungspunkt gewesen (vielleicht wurde er in einer früheren Ausgabe aufgegriffen). Die Beiträge der vier Autoren unterschiedlichen Alters (23, 30, 77, 93) gefallen mir darum gut, sie gewähren einen spontanen Einblick in unterschiedliche Welten und Alltagssituationen. Aber warum keine Vertretung der riesigen Altersgruppe 35 bis 75?? Es scheint, hier wurde einfach «Jung und Alt» zusammengenommen, was ok, aber unvollständig ist.

Das Interview zur Grossbank habe ich ausgelassen, kann ich mangels Finanzkenntnissen nicht beurteilen. Ist auch nicht mein Interessengebiet.

Bei den «Vierbeinigen Philosophen» bin ich wieder dabei, zumal ich ja selbst einen besitze – und viele (lustige) Parallelen entdeckte. Ulf Heuners etwas andere Annäherung an den Hund, von aktuellen Hundeerziehungsmethoden bis hin zu Platon, halte ich für sehr gelungen; viele Informationen aus einer intellektuell-philosophischen Betrachtung. Das anschliessende Interview mit Mops-Besitzer Philipp Fankhauser (schade, das Foto muss doch nicht in s/w sein) und der Artikel zu den Blindenhunden ist eine tolle Ergänzung.

Die Häppchen sind kunterbunt, beim «The Diplomat» zweifle ich noch, ob ich es schauen soll.

Das Dossier zu Israel habe ich verschlungen. Als Einstieg hätte ich mir allerdings einen «leichteren» Beitrag gewünscht als gleich der dicke Brocken Israel und US-Imperialismus.

Die Fotos sind alle grossartig. Die Reportage mit Porträts von israelischen Unternehmern zu vermischen, macht die Lektüre lebhaft und gibt der Materie Wirtschaft eine persönliche Note. Die Bilder hätte ich mir nicht als Illustration gewünscht, sondern in echt.

Wie dem Leser die Geschichte von Israel, der beständige Kampf, die Ängste der Bewohner, aber auch der Alltag und die Gedanken unterschiedlicher Menschen im Generellen und zur aktuellen politischen Situation nähergebracht werden, ist hoch interessant. Viele Informationen, wie etwa dass Israel pro Kopf das Land mit den meisten Start-Ups ist oder dass man auf dem Gelände der Universität Tel Aviv viel mehr Kopftuchträgerinnen als im Rest der Stadt sieht, weil Islamforschung dort breit abgedeckt ist, sind schöne Beispiele dafür, wie fortschrittlich und weltoffen Israel eben ist.

Schwachpunkt: «Details der Justizreform spricht niemand an, darum geht es auch gar nicht.» Das scheinen sich auch die beiden Autoren gedacht zu haben. Sie benennen zwar Auswirkungen und Ängste der Menschen aufgrund der Reform und bringen entsprechend einige Punkte unter. Aber was diese Justizreform im Detail beinhaltet, welche konkreten Änderungen angestrebt werden, von wem und warum, und die Sicht der beiden Lager (Regierung und Protestanten) wird nicht näher erklärt. Nur, dass der Reformvorschlag «relativ harmlos» sei. Man kann aber nicht davon ausgehen, dass der Leser es weiss, ich weiss es nicht und habe die konkreten Informationen bei einer anderen Zeitung nachgelesen. Ich hätte mir dazu so etwas wie eine Informationsseite oder einen Infokasten gewünscht (Israel hat keine schriftliche Verfassung, kein Zweikammersystem, Pro und kontra Reform) – nicht als Teil der Reisereportage, sondern neutral und gesondert. Ich bin mir bewusst, dass das Magazin nicht endlos Seiten zur Verfügung hat, doch scheint mir das Thema Justizreform zu relevant und zu brisant, als dass man es in seiner ganzen Komplexität nicht zumindest auf einer Seite darstellen könnte. Man hätte dafür von mir aus bei den Hunden eine Seite einsparen können.

Mehr erfährt man wieder darüber im Interview mit Yehuda Bauer, das stark und von Anfang bis Ende lesenswert ist. Was für ein passionierter, mutiger Mensch! Wie wäre es gewesen, einen Interview-Partner pro Justizreform und einen gegen die Reform gegeneinander antreten zu lassen? Für ein Debattenmagazin fehlt mir ein bisschen die andere Seite.

Bei den Kolumnen ist Christine Brands Text über die «Freiheit mit 50» herausgestochen – das dürfte mit meinem Alter zu tun haben ;-). Aufgrund des harmlosen, trockenen Titels hätte ich sie aber fast übersprungen; den Titel habe ich als «Ager» (deutsch) gelesen und nicht gecheckt, dass es ums Altern geht, was mich mehr zum Lesen inspiriert hätte. Die Kolumnentitel insgesamt dürften für meinen Geschmack mehr Pfeffer haben; anhand des Titels lesen wir weiter – oder nicht.

Fazit: Die Mischung aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaftsthemen ist für die breite Leserschaft sicher gelungen – für mich persönlich kommen bei dieser Nummer allerdings relevante Gesellschaftsthemen im deutschsprachigen Raum etwas zu kurz. 1 bis 2 Seiten zusätzliche, aktuelle Top-Kontroversen der breiten Masse hätten das Ganze gut abgerundet, auch um den liberalen Charakter dieses Magazins in Gesellschaftsfragen zu unterstreichen – und das hätte auch Ronnies Stachel gegen die FDP ganz gut ergänzt. Nichtsdestotrotz ist die Nummer sehr informativ, unterhaltsam und für den liberalen Geist ein Lesegenuss.

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