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Bei Regierungsratswahlen läuft etwas falsch: Persönlichkeiten, nicht Parteien sollten im Zentrum stehen

Wie wirkt man der Polarisierung entgegen? Mit kompromissbereiten Persönlichkeiten. Doch ein Blick in die Kantone zeigt: Auch bei Regierungsratswahlen spielen die Parteien oft eine dominante Rolle. Eine einfache Reform könnte das ändern.

Bei Regierungsratswahlen läuft etwas falsch: Persönlichkeiten, nicht Parteien sollten im Zentrum stehen
Bild: Kecko, Wikimedia Commons / CC BY 2.0

Die politischen Umbrüche im Ausland machen immer wieder deutlich: In der Schweiz geht es meist ruhiger zu und her. Diese Stabilität verdanken wir unter anderem unseren politischen Institutionen. Neben der direkten Demokratie und dem Föderalismus spielt auch das Wahlsystem eine wichtige, oft unterschätzte Rolle.

Über die eigene Basis hinaus mobilisieren

Ein Trumpf dabei sind die Majorzwahlen nach «Schweizer Art». Dabei handelt es sich um Mehrheitswahlen: Gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält – unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Anders als international üblich werden dabei jedoch meist mehrere Sitze gleichzeitig vergeben – etwa fünf bis sieben in den Kantonsregierungen oder zwei im Ständerat.

Wählerinnen und Wähler müssen sich daher nicht wie in den USA oder Grossbritannien für eine Seite entscheiden, sondern können ihre Stimmen auf Kandidatinnen und Kandidaten verschiedener Parteien verteilen. So hat Erfolg, wer ein breites Wählerspektrum ansprechen kann. Das gelingt am besten mit moderaten Positionen – und schafft damit die Grundlage für konstruktive Zusammenarbeit und ausgewogene Politik.

So weit die Theorie. In der Praxis zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Auch bei vielen kantonalen Regierungsratswahlen spielt die Parteizugehörigkeit eine dominante Rolle.

Vorgedruckte Parteilisten

In diversen Kantonen – besonders in der Romandie – liegen neben dem leeren Wahlzettel auch vorgedruckte Parteilisten auf. Viele Wählerinnen und Wähler legen eine solche unveränderte, vorgedruckte Liste ein. Das erstaunt nicht: Es ist der bequeme Weg, und oft arbeiten die Parteien in der Kampagne gezielt darauf hin. Auf diese Weise erzielen manche Kandidierende mehr Stimmen über die unveränderten Listen als über individuell zusammengestellte Wahlzettel – das zeigte sich etwa bei den letzten Gesamterneuerungswahlen des Staatsrats im Kanton Freiburg 2021.

 

Damit wird allerdings der eigentliche Sinn der Majorzwahlen ausgehöhlt: Liegt der Fokus auf der Partei beziehungsweise der Liste und nicht auf der Person, sinkt die Motivation für Politikerinnen und Politiker, eine breite Mehrheit anzusprechen. Denn man muss sich dann weniger als Persönlichkeit beweisen, sondern kann sich stärker auf das «richtige» Parteibündnis verlassen.

«Liegt der Fokus auf der Partei beziehungsweise der Liste und nicht auf der Person, sinkt die Motivation für Politikerinnen und Politiker, eine breite Mehrheit anzusprechen»

Personen ins Zentrum stellen

Einzelne Kantone haben ihre Majorzwahlen in den letzten Jahren reformiert. In Freiburg etwa gibt es ab den nächsten Wahlen nur noch einen Wahlzettel zum Ankreuzen. Die Kandidierenden sind darauf jedoch weiterhin nach Parteien aufgeführt, und auch die «Parteiallianzen» bleiben vermerkt. Das erklärte Ziel der Reform war denn auch nicht, den Fokus auf Persönlichkeiten zu verschieben, sondern die Zahl ungültiger Stimmen bei Regierungswahlen zu verringern. Diese war oft hoch, weil Wählerinnen und Wähler mehrere Wahlzettel einwarfen.

Im Kanton Schwyz hingegen ging es tatsächlich um die Stärkung der Personenwahl. 2023 stimmte die Bevölkerung dort mit rund 70 Prozent einer Reform zu: Neu erhalten die Wählerinnen und Wähler einen Wahlzettel zum Ankreuzen. Dieser enthält zuerst die bisherigen, danach die neuen Kandidierenden, jeweils in geloster Reihenfolge. Die Parteizugehörigkeit soll dadurch nicht mehr das dominante Kriterium sein.

Doch auch dieses System liesse sich noch verbessern. Ideal wäre ein leerer Wahlzettel, auf dem die Namen handschriftlich eingetragen werden. Ausserdem sollte auch die Reihenfolge auf dem Beiblatt neutral sein – etwa alphabetisch oder per Los –, statt die Bisherigen zu bevorzugen. So würden sich die Wählerinnen und Wähler bewusster mit den einzelnen Persönlichkeiten auseinandersetzen – und die Voraussetzungen für eine konsensorientierte, weniger polarisierende Politik würden verbessert.

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