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Stille, Weite, Licht

Skandinavische Malerei in der Fondation de l’Hermitage, Lausanne

Stille, Weite, Licht

893 malte Peder Severin Krøyer Spaziergängerinnen am abendlichen Strand des kleinen Fischerdorfes Skagen, im Norden Dänemarks. Die Darstellung der beiden weiss gekleideten Frauen, von der Mitternachtssonne beleuchtet, ist einer der Höhepunkte des reichhaltigen Bilderreigens von Stille, Weite und Licht, die der Ausstellung «Impressions du Nord – La peinture scandinave 1800–1915» ihren speziellen Charakter verleihen. Die intimen Räumlichkeiten der Fondation de l’Hermitage sind eine ideale Umgebung für die erste Ausstellung in der Schweiz, die ausschliesslich der Malerei Skandinaviens, einschliesslich Finnlands, gewidmet ist.

Auch die nordische Malerei löste sich im 19. Jahrhundert von den starren akademischen Konventionen und Themen, die durch das Mäzenatentum des dänischen und schwedischen Hofes bestimmt waren. Die Natur, die Landschaft und das Landleben, die, beeinflusst von den sich in Frankreich herauskristallisierenden Strömungen, zur Inspirationsquelle der Malerei in ganz Europa wurden, fanden im Norden eine eigene malerische Umsetzung. Die Entwicklungen verliefen in den vier Ländern des Nordens individuell und eigenwillig. Um die sich über ein Jahrhundert erstreckende Stilumwälzung in der Ausstellung übersichtlich zu präsentieren, wurden die rund hundert Gemälde in Entwicklungsepochen aufgeteilt. In Dänemark setzte sich in der Zeit zwischen 1830 und 1850, dem goldenen Zeitalter der dänischen Malerei, der naturalistische Malstil durch. Romantisch verklärt werden Dörfer und Landschaften sowie häusliche Szenen in einer unangefochtenen «göttlichen Ordnung» dargestellt. Veränderungen bahnen sich ab 1850 an, die Themen bleiben die gleichen, sie werden jedoch neu interpretiert. Der Däne Christen Dalsgaard, der in der Ausstellung mit sieben Werken vertreten ist, entwickelt eine eigene Optik: der Blick durchs Fenster, das Mädchen, das mit dem Zeigefinger auf ein beschlagenes Fenster schreibt, oder eine offene Tür bieten im Sinne von «malerischen Nahaufnahmen» eine neue Perspektive und es entwickelt sich eine neue Intimität. Ab 1870 bricht der Impressionismus durch. In Dänemark entstehen Künstlergemeinschaften nach französischem Vorbild, wie das Dorf Skagen auf der Halbinsel Jütland. In Schweden, wo durch die von den Bernadottes begründeten engen Verbindungen der französische Einfluss schon sehr früh wirkte, ist es Karl Nordström, der an der Westküste einen Künstlerkreis zusammenführt.

Die Stärke der nordischen Malerei liegt in einer Verknüpfung von Tiefsinn und Einfachheit. Die Naturverbundenheit und das psychologische Einfühlungsvermögen vermitteln eine eigene Emotionalität, die in den geheimnisvollen Nachtlandschaften und den stimmungsgeladenen Bildern eines Edvard Munch ihren künstlerischen Ausdruck findet. Die Malerei des Nordens ist, ähnlich der Schweizer Malerei der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ausserhalb Skandinaviens bis auf einige wenige Namen, wie Anders Zorn, Vilhelm Hammershøi oder Edvard Munch allgemein nur wenig bekannt. Die Ausstellung schliesst diese Lücke und illustriert, wie nahe ein Liner, ein Segantini oder ein Hodler ihren nordischen Malerkollegen standen.

Die Ausstellung «Impressions du Nord – La peinture scandinave 1800–1915» ist bis zum 22. Mai 2005 in der Fondation de l’Hermitage, Lausanne, zu sehen (www.fondation-hermitage.ch).

Juliana Schwager-Jebbink berichtet für die «Schweizer Monatshefte» über Kunstausstellungen. Sie lebt und arbeitet in St. Gallen und Zürich.

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