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Meine Kultur, deine Kultur

Definieren wir künftig kulturelle Hoheiten entlang nationaler Grenzen?

Keziah Daum ist 18 Jahre alt, Schülerin an einer amerikanischen Highschool im Bundesstaat Utah – und ungewollt Internet-Prominenz. Grund dafür ist ein Kleid. Und Twitter. Denn Keziah Daum wurde auf der Suche nach einem «Prom Dress», also einem Kleid für ihren Abschlussball, in einem Second-Hand-Geschäft fündig. Sie entschied sich für ein knallrotes «Qipao», ein traditionelles chinesisches Frauenkleid – und veröffentlichte Fotos davon auf Social Media. Dort stiess ein chinesischstämmiger Nutzer namens Jeremy Lam auf das Bild der weissen Schülerin im roten Kleid und kommentierte: «Meine Kultur ist nicht dein verdammtes Abschlussballkleid.» Über 178 000 Nutzer unterstützten diesen Ausruf durch ein «Like», der Vorfall wurde zum Politikum. Für Lams nun prominenten Vorwurf gibt es einen Fachbegriff, er lautet «Cultural Appropriation», also kulturelle Aneignung. Vor allem wenn Vertreter einer (ethnischen) Mehrheit die kulturellen Artefakte von Minderheiten übernehmen, ist das alles andere als politisch korrekt, schliesslich, so die Argumentation, würde auf diesem Wege «die Minderheit ihrer Besonderheit beraubt». Daums Kleid ist kein Einzelfall: Dreadlocks bei Weissen? Skandal! Federschmuck im Haar von karnevalisierenden Kindern? Geht gar nicht! Goldkettchen jenseits des Mittelmeers? Undenkbar. Dem neuen Empörungstrend zufolge ist es offenbar einzig angebracht, wenn Weisse bei weissen kulturellen Artefakten bleiben, Schwarze bei schwarzen, Asiaten bei asiatischen und so weiter. Ein selbstgerechter Rassismus gewandet als Minderheitenschutz. Oder definieren wir künftig kulturelle Hoheiten entlang nationaler Grenzen? Das «Qipao» den Chinesen, die Pyramide den Ägyptern, die Froschschenkel den Franzosen! Ich mache mir nun ernsthafte Sorgen um die Schweiz: Was bleibt, wenn die Alemannen, Franzosen und Italiener jeweils ein Monopol auf ihre kulturellen Artefakte einfordern? Sprachlich, modisch, kulinarisch, architektonisch hiesse es dann schnell: La Suisse n’existe plus.

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