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Der heldenhafte Verleger
Christoph Emanuel Dejung: Emil Oprecht. Der Verleger Europas. München: Europa-Verlag, 2023.

Der heldenhafte Verleger

Christoph Emanuel Dejung: Emil Oprecht. Der Verleger Europas. München: Europa-Verlag, 2023.

Der Verleger und Philanthrop Emil Oprecht (1895–1952) ist dank seines Engagements sowohl in der Welt der Literatur als auch in Zürich unvergessen. Sein 1933 gegründeter Europa-Verlag stand zahlreichen exilierten Autoren und Autorinnen bei, die dem nationalsozialistischen Terror entkommen waren, und seine Buchhandlung Dr. Oprecht AG an der Rämistrasse 5 überlebte ihn um ein halbes Jahrhundert. Trotz des Ruhms war über sein Leben lange nur wenig bekannt.

Kurzzeitig Kommunist, dann Sozialdemokrat; mit seiner Gattin Emmie in egalitärer Ehe lebend, die tatsächlich aus zwei gleichgeschlechtlich liebenden Individuen bestand; Kontakt zu etlichen glorreichen Literaten, ohne deshalb auch nur die geringste Form von Eitelkeit zu entwickeln; unerschrocken vor den Nazis, die 1938 alle Publikationen seines Hauses im «Dritten Reich» verbieten liessen, und ebenso standhaft den Frontisten die Stirn bietend, die angesichts seines Wirkens am Theaterhaus in Rage gerieten – in Oprechts Biografie laufen viele der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Stränge zusammen, die die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Eidgenossenschaft und in Europa prägten. Und doch war das Wirken dieses couragierten Helden der stillen Tat lange nicht gebührend gewürdigt worden.

Zum 90-Jahr-Jubiläum des Europa-Verlags liegt nun Christoph Emanuel Dejungs überarbeitete Biografie des legendären Verlegers vor, der «geistige Autarkie» stets für «ein Unglück» gehalten hatte und der in einer Zeit, als Europa zur Hölle wurde, von der Schweiz aus ein international gut vernehmbares Signal der Hoffnung aussandte. Heinrich Mann, Else Lasker-Schüler, Maria Gleit und Max Horkheimer sind nur einige wenige der über 300 Namen, die sich bis 1945 in Oprechts Verlagsprogramm fanden. Dass diese Exilierten noch über einen deutschsprachigen Publikationsort verfügten, während etwas weiter nördlich die Barbarei bereits zum Staat geworden war, half nicht nur ihnen, sondern auch ihren Lesern. Denn diesen wurde angesichts der ideologischen Verdunkelung vermittelt, dass noch nicht alles verloren ist und das gedruckte Wort einen unmissverständlichen Einspruch gegen Unrecht und Gewalt wahren kann.

Die Rekonstruktion von Leben und Werk des Verlegers, der auf den zärtlichen Rufnamen «Opi» hörte, zeigt, dass sich dieser trotz der Interaktion mit zahlreichen berühmten Literaten nie in den Vordergrund drängte. Vieles musste deshalb aus Briefen anderer erschlossen werden, aus der Publikationsreihenfolge der Europa-Bücher und aus anderen verstreuten Quellen – und nicht zuletzt aus den Anfeindungen, die die Landsleute auf das exponierte Ehepaar richteten. Während die Emigranten in der Schweiz zum kollektiven Sündenbock wurden, stellten sich Oprecht und Oprecht schützend vor die Hilfsbedürftigen und bewiesen damit auf ihre Weise, was «geistige Landesverteidigung» heissen konnte.

Wie Dejung gleich eingangs hervorhebt, verkörperte Oprecht «in einer Zeit, in der sich alle bedroht fühlten, die ausstrahlende Zuversicht, dass den grossen Diktatoren die Zukunft streitig gemacht werden könne, und den Willen zu helfen, den er auch in anderen weckte». In der Gegenwart, in der Europa zusehends auf einen neuen, wiewohl anders gestalteten Abgrund zusteuert, ist dieser Anspruch unbedingt in Erinnerung zu rufen – nicht zuletzt, weil die Europa-Bücher, die zwischen 1933 und 1945 erschienen, ein unvergleichlicher Schatz dieses Kontinents bleiben.

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